Doktorarbeit

Die Beziehungsebene im Sportunterricht

Eine qualitative Untersuchung zur Analyse, Reflexion und Rekonstruktion der Lehrer-Schüler-Beziehung im Sportunterricht aus der Perspektive der Schüler.

Die Untersuchung, die ich im Rahmen meiner Dissertation vorgenommen habe, nimmt die Beziehungsebene bzw. die Lehrer-Schüler-Beziehung im Sportunterricht aus der Perspektive der Schüler in den Fokus der Aufmerksamkeit. Es handelt sich dabei um eine qualitative Untersuchung zur Analyse, Reflexion und Rekonstruktion der Lehrer-Schüler-Beziehung im Sportunterricht aus der Sicht der Schüler.

Das Forschungsvorhaben orientiert sich dabei an folgenden Leitlinien:

  1. Die alltägliche Unterrichtswirklichkeit der Schüler, ihre Erfahrungen und Erlebnisse, ihre Deutungen, Interpretationen und Konstruktionen hinsichtlich der Lehrer-Schüler-Beziehung im Sportunterricht geben die zentrale Suchrichtung des Projekts an.
  2. Die Suche folgt einer Forschungsstrategie, die als "Grounded Theorie" (STRAUSS/CORBIN 1996) bezeichnet wird und einer Forschungsstrategie, die als "iterative Heuristik" (KUBICEK 1977) bekannt ist. Es geht hierbei nicht um Prüfungsprozesse eines vorab ausdifferenzierten Hypothesenkatalogs. Vielmehr gibt das gewonnene Datenmaterial Anlass zur weiteren Elaboration, Präzisierung und Differenzierung von Annahmen und Fragen. Ein fortlaufendes Wechselspiel zwischen theoretischer Explikation und empirischer Analyse bildet den Kern dieser Vorgehensweise.
  3. Der Untersuchungsprozess folgt Methoden der qualitativen Sozialforschung. Die subjektiven Erfahrungszusammenhänge der Schüler erschließen sich durch offen-narrative, kontrolliert-explorative und themenspezifische, teilstrukturierte Interviewverfahren, deren Ergebnisseinterpretativ zu bearbeiten sind.
  4. Die Studie fühlt sich dem Alltagsansatz bzw. dem Ansatz der Alltagsforschung verpflichtet. Dieser Ansatz zielt darauf, die im Kontext des Alltäglichen und Selbstverständlichen eingelassenen Regeln, Normen und Strukturen aufzudecken (vgl. LANGE 1985, 32).
  5. Das Konzept der "Pädagogische Ethnographie" (ZINNECKER 1995).

Ziel der Untersuchung ist es, die Beziehungsebene bzw. die Lehrer-Schüler-Beziehung im alltäglichen Sportunterricht der Schüler aus deren Sicht zu untersuchen und dazu gehaltvolle Aussagen zu erarbeiten. Es werden von Schülern geschilderte und für bedeutsam erachtete Erlebnisse, Erfahrungen und Deutungen bezüglich der Beziehungsebene im Handlungsfeld des Sportunterrichts in den Blick genommen und analysiert um so einen Beitrag zur Rekonstruktion der alltäglichen, lebensweltlichen Schüler- und Unterrichtswirklichkeit zu leisten. Die Untersuchung zielt darauf ab, einen bedeutsamen und fundamentalen Baustein des Sportunterrichts mit den spezifischen Wahrnehmungs- und Deutungsmustern, Handlungsorientierungen und subjektiven Theorien der Schüler aus deren jeweils unterschiedlichen Perspektiven zu explorieren und dabei subjektiv relevante Problem-situationen, -wahrnehmungen, -deutungen und Orientierungen sowie implizite Vorstellungen und Erwartungen der Schüler aufzudecken.
Es geht darum, Einblicke in die Alltagswelt des Sportunterrichts aus Schülersicht zu gewinnen und hinsichtlich der Lehrer-Schüler-Beziehung
weitere differenzierte Erkenntnisse zu ermitteln.

Die Relevanz der Untersuchung ergibt sich aus der enormen Bedeutung der Beziehungsebene für alle unterrichtlichen und erzieherischen Prozesse. Bezügliche der Bedeutung der Beziehungsebene scheint in der Erziehungswissenschaft Konsens zu herrschen. Die These "Erziehung ist nur als personale Beziehung möglich" ist übereinstimmend anerkannt und somit das personale Element bzw. die zwischenmenschliche Beziehung in ihrer Bedeutung für Erziehung einhellig akkreditiert.

Auf die große Bedeutung der Beziehungsebene weist auch CZWERENKA (1990, 208) hin, dessen Befunde zeigen, dass deutsche Schülerinnen und Schüler ihre schulische Zufriedenheit sehr stark von ihrer Beziehung zu den Lehrern her definieren und in hohem Maße davon abhängig machen. Volkamer schreibt: "Nichts scheint das Wohlbefinden von Schülern und ihr Lernklima mehr zu beeinflussen als die Beziehung zum Lehrer. Weder die materielle Ausstattung der Schule und die Unterrichtsmethoden noch die didaktische Konzeption ist entscheidend für den Lernerfolg von Schülern" (VOLKAMER 1980, 377).

Die Entscheidung die Schülerperspektive zur Analyse der Beziehungsebene im Sportunterricht heranzuziehen wurde davon geleitet, dass die Erforschung der Schülerperspektive zwar seit Jahrzehnten nachdrücklich gefordert wird, diese Forderung jedoch bis heute - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht eingelöst wurde. FROMM (1987) weist in seiner Habilitationsschrift "Die Sicht der Schüler  in der Pädagogik" mehrfach darauf hin, dass die Sicherheit, mit der Pädagogen, Lehrer, Didaktiker, Unterrichtsforscher und Bildungs-politiker Aussagen über Schüler treffen, auf schwachen Füßen steht. Er weist anhand ausgewählter Beispiele nach, dass Schüler in den behandelten Konzepten immer nur am Rande vorkommen und insbesondere deren subjektive Sicht kaum zur Sprache kommt.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sowohl im Hinblick auf die Beziehungsebene als auch in Bezug auf die Schülerperspektive eine breite Forschungslücke existiert.