Auswerten im Sportunterricht – fachdidaktische Ansprüche und alltägliche Verwirklichungspraxis von Sport unterrichtenden Lehrkräften mit und ohne Fakultas in der Grundschule

Prof. Peter Neumann & Carina Große (WHK)

Problemstellung

Das Auswerten des Sportunterrichts wird spätestens seit Crum (1983) als die vernachlässigte Aufgabe der Sportlehrerein/des Sportlehrers bezeichnet. Mögliche Gründe können u. a. darin gesehen werden, dass im hektischen Schulalltag kaum Zeit für eine gründliche Auswertung bleibt (vgl. Heyman & Leue, 2017, S. 76; Balz, 2007, S. 203) und dass Sportlehrkräfte deutlich weniger im Vergleich zum Zweitfach in die Nachbereitung ihres Unterrichts investieren (vgl. Ernst, 2014, S. 61; Wolters, 2010, S. 34f.).

Damit scheinen Differenzlinien vorgezeichnet: Während die alltägliche Auswertung des Sportunterrichts für gewöhnlich zufällig, sporadisch, undifferenziert und oftmals rein intuitiv erfolgt, fordert die Fachdidaktik eine systematische, kontinuierliche und eine an Kriterien geleitete Auswertung (vgl. Bräutigam & Blotzheim, 2010, S. 206f.; Neuber & Hietzge, 2008, S. 32).  

Unseres Erachtens ist jedoch weniger die Differenz selbst als vielmehr ihre Vernachlässigung das Problem: Nach Bräutigam & Blotzheim (2010, S. 209) fehlen in der Fachdidaktik nämlich Untersuchungen zur Auswertungspraxis. Vor diesem Hintergrund sollen Einblicke in das alltägliche Geschäft des Auswertens von Sportunterricht gewonnen werden, um die Verwirklichung oder die Nichtverwirklichung fachdidaktischer Auswertungsansprüche offen zu legen und um nach potenziellen Umgangsformen zu suchen.

Theoretischer Hintergrund

Schon Größing (2001) moniert, dass dem Auswerten eine „theoretische Grundlage weitgehend [fehlt]“ (S. 252). Bislang gibt es Versatzstücke einer alltagsorientierten Theorie des Auswertens von Sportunterricht. Beispielsweise ist davon auszugehen, dass ein dominantes Nützlichkeitsdenken den Auswertungsprozess bestimmt ebenso wie die pragmatische Orientierung entlang der Logik des Funktionierens von Schule und Unterricht (vgl. Neuber & Hietzge, 2008, S. 32).

Auswerten allein bedingt auch nicht zwingend einen guten Sportunterricht. Es stellt aber eine Bedingung der Möglichkeit dar, Unterricht und Unterrichten (zusammen mit anderen, z. B. mit den Schülerinnen und Schülern oder den Kolleginnen und Kollegen) zu reflektieren und – auf dieser Basis – allein oder gemeinsam Unterricht weiter zu entwickeln (vgl. Junghans & Feindt, 2007; Meyer, Feindt & Fichten, 2007).

Methodisches Vorgehen

Der Logik differenzanalytischer Studien entsprechend (vgl. Neumann, 2014), haben wir mit Hilfe einschlägiger Datenbanken eine themenbezogene Literaturrecherche sowie eine Dokumentenanalyse mit dem Ziel durchgeführt, fachdidaktische Ansprüche an das Auswerten von Sportlehrkräften zu identifizieren und zu extrahieren (vgl. Sygusch & Hapke, 2014). Explizite Ansprüche wurden inhaltlich gebündelt und somit als dienliche Kategorien eines Leitfadens für Experteninterviews (vgl. www.ztg.tu-berlin.de) gewonnen. Insofern die Ansprüche als Auswertungskategorien fungieren, verfolgen wir eine eher deduktive Kategorienbildung, wobei die vorliegenden Kategorien mit Hilfe des Materials ergänzt oder modifiziert werden (vgl. Schmidt, 2013, S. 477).

Literatur

Balz, E. (2007). Wie wird Sportunterricht ausgewertet? In Bielefelder Sportpädagogen (Hrsg.), Methoden im Sportunterricht. Ein Lehrbuch in 14 Lektionen (S. 203-217). Schorndorf: Hofmann.

Bräutigam, M. & Blotzheim, D. (2010). Unterrichtsplanung und Unterrichts-auswertung. In N. Fessler, A. Hummel & G. Stibbe (Hrsg.), Handbuch Schulsport (S. 199-211). Schorndorf: Hofmann.

Crum, B. (1983). Auswerten als Aufgabe des Sportlehrers. sportpädagogik, 7 (5), 12-19.

Ehni, H. (2000). Planen und Auswerten. In P. Wolters, H. Ehni, J. Kretschmer, K. Scherler & W. Weichert (Hrsg.), Didaktik des Schulsports (S. 90-120). Schorndorf: Hofmann.

Ernst, C. (2014). Persönliche Zufriedenheit von Sportlehrkräften. In D. Kuhlmann & E. Balz (Hrsg.), Sportlehrkräfte stärken! Bereiche – Befunde – Beispiele (S. 50-66). Schorndorf: Hofmann.

Größing, S. (2001). Einführung in die Sportdidaktik. Lehren und Lernen im Sportunterricht (8., überarbeitete Auflage). Wiebelsheim: Limpert.

Hapke, J. & Sygusch, R. (2014). Pädagogische Perspektiven differenzanalytisch betrachtet. In E. Balz & P. Neumann (Hrsg.), Schulsport: Anspruch und Wirklichkeit. Deutungen, Differenzstudien, Denkanstöße (S. 109-122). Aachen: Shaker.

Heymen, N. & Leue, W. (2011). Planung von Sportunterricht (7. Korrigierte Auflage). Baltmannsweiler: Schneider.

Junghans, C. & Feindt, A. (2007). Lernen, über den eigenen Unterricht zu reden. Das strukturierte Kreisgespräch. Friedrich Jahresheft „Guter Unterricht“, 5-7.

Meyer, H., Feindt, A. & Fichten, W. (2007). Was wissen wir über erfolgreiche Unterrichtsentwicklung? Wirksame Strategien und Maßnahmen. Friedrich Jahresheft „Guter Unterricht“, 66-70. 

Neuber, N. & Hietzge, M. (2008). Von der Auswertung des Sportunterrichts zur Selbstevaluation des Schulsports – eine sportpädagogische Bestandsaufnahme. In M. Hietzge & N. Neuber (Hrsg.), Schulinterne Evaluation. Impulse zur Selbstvergewisserung aus sportpädagogischer Perspektive (S. 29-40). Baltmannsweiler: Schneider.

Neumann, P. (2014). Zur Charakteristik des differenzanalytischen Forschungsansatzes. In E. Balz & P. Neumann (Hrsg.), Schulsport: Anspruch und Wirklichkeit. Deutungen, Differenzstudien, Denkanstöße (S. 51-60). Aachen: Shaker.

Schmidt, C. (2013). Auswertungstechniken für Leitfadeninterviews. In B. Friebertshäuser, A. Langer & A. Prengel (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (4., durchgesehene Auflage)(S. 473-486). Beltz: Weinheim

Wolters, P. (2010). Was Sportlehrer(inne)n an ihrem Beruf gefällt. Spectrum der Sportwissenschaften, 22 (1), 21-40.

www.ztg.tu-berlin.de/download/legewie/Dokumente/Vorlesung_9.pdf