Aktuelle und geplante Forschungsprojekte
Entwicklung eines Kompetenzprofils für Beratende der beruflichen Rehabilitation bei der Bundesagentur für Arbeit (Promotionsvorhaben Richter)
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist einer der größten Träger der beruflichen Rehabilitation in Deutschland. Als zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen im erwerbsfähigen Alter unterstützt sie diese durch Beratung und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der beruflichen Integration. Dabei nehmen die Reha-Beratungsfachkräfte der BA eine Schlüsselrolle ein: Sie beraten, koordinieren den gesamten Rehabilitationsprozess und entscheiden über die Gewährung von Leistungen. Trotz ihrer zentralen Funktion im Rehabilitationsprozess ist die Qualifizierung von Reha-Beratungsfachkräften weder rechtlich geregelt noch an eine spezifische akademische Ausbildung gebunden. Zudem verändern gesellschaftliche Transformationsprozesse wie der demografische Wandel, die Digitalisierung und die Zunahme psychischer Erkrankungen die Anforderungen an diese Beratungstätigkeit kontinuierlich.
In meinem aktuellen Forschungsprojekt entwickle ich ein wissenschaftlich fundiertes Kompetenzprofil für Reha-Beratungsfachkräfte der BA. Ziel ist es, einen Referenzrahmen für eine professionelle Reha-Beratung zu schaffen, der sowohl den Anforderungen der Leistungsempfänger*innen als auch denen der am Rehabilitationsprozess Beteiligten sowie den aktuellen Praxisanforderungen entspricht. Das Kompetenzprofil soll als Grundlage für die systematische Entwicklung von Qualifizierungswegen und Aus- und Weiterbildungsangeboten in der BA dienen.
Die Untersuchung erfolgt mittels eines qualitativen Forschungsdesigns: Durch Experteninterviews mit Reha-Beratungsfachkräften, Arbeitgebern und Leistungserbringern sowie problemzentrierte Interviews mit Leistungsempfänger*innen werden die notwendigen Kompetenzen systematisch erfasst. Ein abschließendes Delphi-Verfahren dient der Validierung des entwickelten Kompetenzprofils.
Geplant: 1.1.2025 bis 31.12.2028
Family Planning Guidance in People With Mental Illness (Promotionsvorhaben Lehnert)
Entscheidungen bezüglich des reproduktiven Verhaltens stellen komplexe Prozesse im Rahmen der Familienplanung dar. In diesen Entscheidungsprozessen werden zeitliche und emotionale Aspekte, persönliche Vor- und Nachteile sowie werteorientierte Ansichten berücksichtigt. Ein häufiges Symptom depressiver Episoden ist die Unsicherheit bei Entscheidungen – ein Phänomen, das auch in reproduktiven Kontexten relevant werden kann. Ziel der Dissertation ist es, ein umfassendes Verständnis der Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse von Patient*innen im Familienplanungsprozess zu entwickeln. Darüber hinaus soll die Forschung Erkenntnisse liefern, die zur Verbesserung von Beratung und psychotherapeutischen Ansätzen im Bereich der Familienplanung beitragen. Insbesondere könnten die Ergebnisse Anknüpfungspunkte für Maßnahmen bieten, die depressive Entscheidungsunsicherheiten mindern und somit die Lebensqualität von Betroffenen langfristig fördern.
In meinem aktuellen Forschungsprojekt untersuche ich die Familienplanung bei Personen mit klinisch relevanter Depressivität. Der Fokus liegt auf den Entscheidungsprozessen während der Familienplanung, deren zeitlicher Stabilität und möglichen Konsequenzen für verschiedene Lebensbereiche. Dabei werden Fragen behandelt wie: Inwiefern unterscheiden sich Personen mit klinisch relevanter Depressivität in ihren Entscheidungsprozessen zur Familienplanung von nicht-depressiven Personen, und wie stabil sind diese Entscheidungen über die Zeit? Welche kurz- und langfristigen Konsequenzen haben diese Entscheidungen auf die Lebenszufriedenheit?
Für die statistischen Analysen nutze ich Daten aus dem Beziehungs- und Familienpanel pairfam („Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics“), das 2008 mit 12.402 Teilnehmenden startete und 14 Erhebungswellen umfasst. Mithilfe von R führe ich längsschnittliche Analysen durch, die Daten zur klinisch relevanten Depressivität, zu Entscheidungsprozessen und zur Lebenszufriedenheit über mehrere Erhebungswellen hinweg einbeziehen.
Geplant: 1.7.2024 bis 31.7.2027
Vorstudie Forschungsprogramm Integrative Psychotherapie (IPSY)
Das psychotherapeutische Verfahren der Integrativen Psychotherapie, das seit den 70er Jahren zunächst als integrative Leib- und Bewegungspsychotherapie (in der Tradition von Merleau-Ponty), später als Integrative Therapie entwickelt wurde ist ein Verfahren, das verschiedene psychotherapeutische Ansätze theoriebasiert integriert (Sieper 2006). Es sieht den Menschen als Körper-, Seele-, Geistwesen im sozialen und ökologischen Lebenskontext und -kontinuum (vgl. Petzold 1988, 1993). Die daraus abgeleitete „Anthropologie des schöpferischen Menschen“ wird vor allem in den kreativitätstherapeutischen und leib- und bewegungsorientierten, Nonverbalität einbeziehenden Methoden wirksam, die mit verschiedenen therapeutischen Zugängen arbeiten (vgl. Orth, Petzold 2015) und besonders für Menschen aus benachteiligten Schichten und bei psychischen Behinderungen und Einschränkungen geeignet ist. Das Verfahren ist vor allem in den deutschsprachigen Ländern verbreitet, in Österreich und der Schweiz ist es als Behandlungsverfahren der psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich zugelassen.
Zur Wirksamkeit integrativer Psychotherapie im engeren Sinne gibt es bislang wenig Forschungsergebnisse. Nach den Studien von Petzold e.a. (2000), Steffan (2002) und Leitner e.a. (2009) hat es keine größeren Studien mehr gegeben, in denen die Wirksamkeit Integrativer Psychotherapie in den Blick genommen wurde. Lediglich Master- und Graduierungsarbeiten zu ausgewählten Teilaspekten und Behandlungsjournale wurden in der Folgezeit veröffentlicht, die aber für die Fachöffentlichkeit kaum sichtbar sind. Sucht man in den Datenbanken heute mit dem Stichwort Integrative Psychotherapie, so bekommt man ausschließlich Treffer, die mit der dritten Welle der Verhaltenstherapie verbunden sind, nicht aber mit einem theoretisch fundierten Konzept der Methodenintegration. Die Integrative Psychotherapie i.e.S. ist dagegen in der neueren Literatur kaum vertreten.
Vor diesem Hintergrund ist die systematische Erforschung der Wirksamkeit des Verfahrens auch und gerade in einem inklusionsorientierten pädagogischen Zusammenhang sinnvoll und notwendig. Im Rahmen eines Forschungsprogramms zur Wirksamkeit Integrativer Psychotherapie, das mit dieser Vorstudie vorbereitet wird, soll dies umgesetzt werden.
Geplant: 1.4.2024 bis 31.3.2025
Veröffentlichungen:
Eichert, HC (2024) Methodenintegration in der psychotherapeutischen Praxis, in: Psychotherapie Wissenschaft 2/2024: 59-70
Eichert, HC (2024) Methodenintegration in der psychotherapeutischen Praxis. Vortragsfolien PTK Berlin
Eichert, HC (2024) Vorläufiger Ergebnisbericht
Inklusion als Prozess (IAP)
Das aktuelle System der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe ist für etwa ein Viertel derjenigen, die darüber einen (Wieder)Einstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt anstreben, nicht erfolgreich. Die Orientierung an unflexiblen Maßnahmekonzepte ist verbunden mit Schnittstellenproblemen und mangelnder betrieblicher Orientierung und verhindert eine ressourcenorientierte Rehabilitations- und Förderplanung. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer zeitlichen und inhaltlichen Flexibilisierung, maßnahmeübergreifender Rehabilitations- und Förderplanung auf der Basis eines übergreifenden Betreuungskonzepts sowie der Vernetzung mit regionalen Qualifizierungsangeboten.
Ziel der Vorstudie ist die umsetzungsreife Vorbereitung eines Projekts zur Erprobung eines Rehabilitationskonzepts, das flexible Rehabilitationsverläufe auf der Grundlage maßnahmeübergreifender kontinuierlicher Betreuung während der beruflichen Rehabilitation (Erst- und Wiedereingliederung) besser ermöglicht.
Derzeit läuft dazu eine Befragung von Akteuren der Beruflichen Rehabilitation und Teilhabe. Informationen dazu finden sich in der Kurzbeschreibung.
Laufzeit: abgeschlossen
Veröffentlichung:
Eichert, H.-C. (2024) Erwartungen an Mitarbeiter:innen beruflicher Rehabilitationseinrichtungen und Bewertung von Prinzipien und Bestandteilen beruflicher Rehabilitation (BBR). Ergebnisbericht
Eichert, H.-C. (2024) Inklusion als Prozess – Überlegungen zur Ergänzung beruflicher Rehabilitation, in: DRV-Bund (2024) 33. Rehakolloquium - Tagungsband: 323-326