Newsletter-Ausgabe November 2023
Liebe Leser:innen,
mit unserem Newsletter möchten wir Sie über die vielfältige Arbeit am Annelie-Wellensiek-Zentrum für Inklusive Bildung (AW-ZIB) informieren.
Im aktuellen Newsletter werfen wir einen Blick zurück: Was waren unsere Highlights der vergangenen Monate?
Erfahren Sie mehr über die Tagung "Expert:innen in eigener Sache in Forschung, Lehre und beruflicher Bildung", die wir gemeinsam mit Partnern im Oktober veranstaltet haben.
Verfolgen Sie, wie zwei Studentinnen der Pädagogischen Hochschule Heidelberg am AW-ZIB Praxiserfahrungen sammeln und trotz ihrer unterschiedlichen Schwerpunkte mit dazu beitragen, die Bildungsangebote der Bildungsfachkräfte noch besser zu machen.
Wie verlief das zweite Qualifizierungssemester für Susann Bensch und Louisa Kabbe, welche neuen Teammitglieder haben wir begrüßt und was hat der Hochschulsport mit der Pause der Bildungsfachkräfte zu tun?
Antworten auf diese Fragen sowie viele weitere spannenden Themen erwarten Sie in unserem aktuellen Newsletter.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
die Newsletter-Redaktion des AW-ZIB
Neue Teammitglieder am AW-ZIB
[nr] Seit September 2023 bekommt das Team Unterstützung: Pascal Bürgy startet nach seinem Abitur den Bundesfreiwilligendienst.
Melissa Pfeifer studiert im 7. Semester Heilpädagogik/Inclusive Education an der Evangelischen Hochschule Darmstadt. Von September 2023 bis Februar 2024 wird sie ihr Praxissemester am AW-ZIB absolvieren.
Melissa Pfeiffer wird vor allem Susann Bensch und Louisa Kabbe in der Qualifizierung zur Bildungsfachkraft begleiten. „In meinem Studium haben wir viel über Theorien, Forderungen und Ideen zum Thema Inklusion gehört. Mir war es wichtig, eine Praxisstelle zu finden, die sich nicht nur Inklusion wünscht, sondern versucht, sie aktiv umzusetzen. Jetzt schon bin ich mir sicher, dass ich am AW-ZIB genau richtig bin“, so die Studentin.
Pascal Bürgy wird für ein Jahr vor allem die Bildungsfachkräfte des AW-ZIB bei ihrer Arbeit unterstützen. Zum Beispiel bei der Erarbeitung von neuen Themen, beim Lesen und Schreiben von Texten oder bei der Arbeit mit dem Laptop. Er wird die Bildungsfachkräfte darüber hinaus zu ihren Bildungsveranstaltungen an Hochschulen in Baden-Württemberg begleiten. Herr Bürgy wird Einblicke in die Themen inklusive Arbeitswelt und Organisationsentwicklung erhalten und innerhalb des Freiwilligendienstes vom Diakonischen Werk fortgebildet.
Wir freuen uns, dass uns Pascal und Melissa unterstützen und wünschen beiden alles Gute für ihre Zeit am AW-ZIB.
Mehr zum Freiwilligendienst am AW-ZIB: www.ph-heidelberg.de/aw-zib/freiwilligendienste/
Eine bewegte Pause für einen gesünderen Arbeitsalltag
[ve, nr, ss] Sebastian Stumpf, Personalentwickler und Leitung des Hochschulsports, hat für die Bildungsfachkräfte einen Plan für eine bewegte Pause zusammengestellt, der auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Darin enthalten sind Bewegungs- und Entspannungsübungen, die sie in ihren Arbeitsalltag integrieren können und als Gruppe oder auch einzeln durchführen können.
Das Gesundheitsmanagement der Pädagogischen Hochschule Heidelberg hat als Ziel, eine gesunde Arbeits-, Lehr- und Lernwelt für alle Hochschulangehörigen zu schaffen. In einem ganzheitlichen und kontinuierlichen Entwicklungsprozess sollen Belastungen im Lebensraum Hochschule verringert und Gesundheitspotentiale aller Hochschulakteur:innen entdeckt und gefördert werden.
Da der Arbeitsalltag vieler Studierender und Lehrender durch lange Sitzperioden gekennzeichnet ist, hat das Team des Gesundheitsmanagements in zahlreichen Videos unterschiedliche „bewegte Pausen“ zusammengestellt, die unabhängig von Zeit und Ort in den Studien- und Lehralltag integriert werden können. Aktiv genutzte Pausen können sich positiv auf das physische und psychische Wohlbefinden auswirken und beispielsweise Stress reduzieren.
Obwohl einige der Übungen auch im Sitzen durchgeführt werden können, sind sie für die Bildungsfachkräfte teilweise motorisch schwer durchführbar. Zudem können nicht alle den Anweisungen zur Ausführung der Übungen gut folgen. Aus diesem Grund haben sie sich an das Gesundheitsmanagement der Hochschule gewandt.
„Bewegungsmangel im Arbeitsalltag ist ein allgemein zunehmendes Phänomen. Ganz unterschiedlich hingegen können die Maßnahmen sein, die für verschiedene Zielgruppen am besten passen“, so der Sportwissenschaftler Sebastian Stumpf. Herr Stumpf hat sich mit den Bildungsfachkräften getroffen, ihre Anliegen gehört und ihnen individuelle Übungen gezeigt, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Ziel war es, die Bildungsfachkräfte zu eigenständigen bewegten Pausen zu befähigen und zu ermutigen.
In mehreren Treffen hat er den Bildungsfachkräften und Assistent:innen die korrekte Ausführung der Übungen erläutert und auf wichtige Details hingewiesen: „In diesen Terminen habe ich den Beschäftigten des AW-ZIB ganz konkret Bewegungs- und Entspannungsübungen, aber auch einfache - in den Arbeitsalltag integrierte - Bewegungsmöglichkeiten gezeigt, die sie direkt umsetzen können“, so Herr Stumpf.
Die bewegten Pausen sind nun in den Arbeitsalltag der Bildungsfachkräfte eingebaut. Gemeinsam mit Assistent:innen treffen sie sich regelmäßig und führen die Übungen aus – wenn es die Witterung zulässt im schönen Innenhof des Altbaus der PH Heidelberg. Bildungsfachkraft Anna Neff zieht ein Fazit: „Für mich ist die Art der Pause gut, weil ich mich bewegen kann und frische Luft mir guttut.“ Und auch der Spaß kommt bei den Übungen mit den Kolleg:innen nicht zu kurz.
Südkoreanische Lehrkräfte zu Besuch am AW-ZIB
[ve, nr] In der vorlesungsfreien Zeit steht für viele Teammitglieder des AW-ZIB unter anderem die Erarbeitung neuer Inhalte, aber auch der Austausch mit Menschen, die sich für unsere Arbeit interessieren, im Vordergrund.
Kurz vor Beginn des Wintersemesters 2023/2024 hatten Mitarbeitende des Zentrums die Möglichkeit, ihre Expertise an eine Delegation südkoreanischer Lehrkräfte weiterzugeben.
Eine Gruppe von 20 Lehrer:innen und Schulinspektor:innen aus Korea besuchte das AW-ZIB, um einen Einblick in inklusive Bildungsmöglichkeiten in Deutschland zu erhalten. Um die Sprachbarriere zu überwinden, wurde der Vortrag von einer Dolmetscherin begleitet.
Professorin Dr. Vera Heyl und Sarah Maier machten deutlich, welche Möglichkeiten Menschen mit Behinderung in Deutschland haben, insbesondere im Kontext von beruflicher Bildung und Erwerbsarbeit. Gemeinsam mit den Bildungsfachkräften Hartmut Kabelitz und Anna Neff stellten sie auch das AW-ZIB vor: Wie ist das AW-ZIB entstanden, was sind die Aufgaben des Zentrums und welche Meilensteine hat sich das Team für die Zukunft vorgenommen?
Herr Kabelitz berichtete darüber hinaus von seiner Motivation, Bildungsfachkraft zu werden: „Für mich war die Qualifizierung zur Bildungsfachkraft eine Herausforderung, da ich damals schon in einem Alter war, da hätte ich theoretisch schon an die Rente denken können. Nach etlichen Gesprächen mit Freunden, Verwandten und anderen Menschen war mir aber schnell klar, dass ich meine Erfahrungen und Kenntnisse gewinnbringend in die Gesellschaft einbringen kann.“
In dem zweistündigen Treffen wurden Sichtweisen ausgetauscht und viele Fragen beantwortet, insbesondere zur Arbeit als Bildungsfachkraft an Hochschulen.
Herr Kabelitz fasst zusammen: „Für mich war das eine sehr interessante Erfahrung. Ich finde es immer wieder gut, wie bereichernd so ein Austausch sein kann.“
Der AW-ZIB-Beirat tagt zum sechsten Mal
[ur] Am 11. August 2023 traf sich der Beirat des AW-ZIB zu seiner sechsten Sitzung. Zu den Aufgaben des Beirats gehören insbesondere die Beratung bei der Implementierung und Weiterentwicklung der Bildungsarbeit der Bildungsfachkräfte im hochschulischen und außerhochschulischen Kontext. Der Beirat diskutiert zudem über die Weiterentwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrukturen der Inklusiven Bildung.
Der Beirat des AW-ZIB setzt sich inzwischen aus neun (ehemals waren es maximal acht) externen Personen aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft zusammen.
Eine Satzungsänderung ermöglichte es Thomas Stöppler, der bis zu seiner Pensionierung die Perspektive des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung vertreten hat, weiterhin im Beirat zu verbleiben. Er wird nun seine Erfahrungen und Expertise als Mitglied des Ausschusses „Bildung, Erziehung und Schule“ der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation in den Beirat des AW-ZIB einbringen. Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung vertritt nun der neue Leiter des Referates 34, Steffen Heckele.
Auch im Bereich der wissenschaftlichen Vertreter:innen kam es zu einer personellen Veränderung. So wurde als Nachfolgerin für Prof. Jo Jerg, der die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Baden-Württemberg e.V. bis zu seinem Ruhestand im Sommer 2022 repräsentierte, Prof. Dr. Sandra Fietkau von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg benannt.
Darüber hinaus hat Thilo Krahnke aus dem Bildungsfachkräfteteam die Mitgliedschaft von Michael Gänßmantel übernommen.
Die Zusammensetzung des Beirats können Sie auch der Website des AW-ZIB entnehmen.
Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben wird der Beirat regelmäßig über die aktuellen Entwicklungen im AW-ZIB informiert. So erhielten die Beiratsmitglieder unter anderem einen Überblick zur Bildungsarbeit des vergangenen Semesters und erfuhren, welche Inhalte im Sommersemester 2023 erstmals ausgebracht wurden (diversitätssensible Hochschullehre) sowie zu welchem Themenkomplex die Bildungsfachkräfte zukünftig Kommunen weiterbilden wollen (Quartiersentwicklung).
Bildungsfachkraft Thilo Krahnke berichtete zudem über das partizipative Forschungsplenum sowie die Datenerhebung (World-Café), die Mitglieder des Forschungsplenums zum Thema "Zusammenarbeit in inklusiven Teams" mit den Teammitgliedern des AW-ZIB durchführten.
Im weiteren Verlauf der Sitzung stellte Prof. Dr. Karin Terfloth das Projekt „Vielfalt leben – Diskriminierung abbauen“ (VieleDa) der Pädagogischen Hochschule Heidelberg vor, das als eines von 33 ausgewählten Projekten im Rahmen der Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ der Hochschulrektorenkonferenz sowie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Zwischen Juni 2023 und April 2024 wird die PH Heidelberg dabei unterstützt, einen Prozess zur Wahrnehmung und Wertschätzung von Vielfalt als Ressource in der eigenen Hochschule zu starten. Im Anschluss an die Förderung des Vorhabens "Vielfalt leben – Diskriminierung abbauen" (VieleDa) sollen die entwickelten Maßnahmen in eine Diversitätsstrategie fließen und strukturell verankert werden.
Auch über die Tagung „Expert:innen in eigener Sache in Forschung, Lehre und beruflicher Bildung“, die am 13. und 14. Oktober 2023 in Kooperation mit dem Deutschsprachigen SUI-Netzwerk, dem Aktionsbündnis Teilhabeforschung und der Lebenshilfe Heidelberg e.V. an der PH Heidelberg stattfand, erhielten die Beiratsmitglieder einen näheren Einblick.
In diesem Zusammenhang diskutierten sie eine erste Version des Standpunktpapiers zum Thema „Expert:innen in eigener Sache in Forschung Lehre und beruflicher Bildung“, das am Ende der Tagung nach einer gemeinsamen Debatte mit Teilnehmenden und Referent:innen zur Weiterarbeit verabschiedet wurde. Die wertvollen Impulse der Beiratsmitglieder flossen in das Standpunktpapier mit ein.
Ein weiterer Tagesordnungspunkt betraf die Qualifizierung von weiteren Bildungsfachkräften im Süden Baden-Württembergs. Ein Ziel des AW-ZIB ist es, gemeinsam mit weiteren Akteur:innen eine Neuqualifizierung auf den Weg zu bringen. Im Jahr 2022 gab es dazu bereits erste Treffen mit interessierten Hochschulen und möglichen Bildungsträgern. Prof. Dr. Karin Schweizer von der Pädagogischen Hochschule Weingarten berichtete in der Beiratssitzung über den aktuellen Stand einer Neuqualifizierung im Süden Baden-Württembergs und der möglichen Rolle der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Sie informierte die Beiratsmitglieder, dass es bereits richtungsweisende Gespräche mit potenziellen Bildungsträgern gegeben habe und weitere Partner gefunden werden sollen. Aus dem Beirat wurde angeregt, dass in der Neuqualifizierung auch die Seminare für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte als weiteres Praxisfeld für das Ausbringen von Bildungsangeboten miteinbezogen werden könnten. Die Stärkung der Inklusionskompetenz durch die Bildungsangebote der Bildungsfachkräfte habe, laut Thomas Stöppler, auch in der zweiten und dritten Phase der Lehrkräftebildung eine große Relevanz.
Der Beirat des AW-ZIB trifft sich alle sechs Monate. Die nächste Sitzung wird im Frühjahr 2024 stattfinden.
Inklusive Hochschuldidaktik – ein Workshop für Lehrende
[nr, sm] Die Diskussion über Prinzipien der partizipativen Hochschullehre, die Identifikation von Barrieren in der Hochschuldidaktik sowie die Entwicklung von konkreten Wegen zur inklusiven Hochschul(lehr)e waren Themen eines Workshops, den Mitarbeiter:innen des AW-ZIB angeboten haben. Der Workshop war Bestandteil des Veranstaltungsangebots des Hochschuldidaktik-Zentrums Baden-Württemberg (HDZ) und richtete sich an Lehrende. Mit dem HDZ wird angestrebt, die Qualität der Lehre zu verbessern und dadurch die Qualität des Studiums für die Studierenden zu erhöhen. Das HDZ bietet hierfür zum Beispiel ein breites Angebot an hochschuldidaktischen Weiterbildungsmöglichkeiten.
Der Workshop „Partizipative Hochschullehre – inklusive Hochschuldidaktik“ enthielt Phasen der Impulsgebung durch die Mitarbeiter:innen des AW-ZIB (Bildungsfachkräfte und Lehrende), der angeleiteten Erarbeitung sowie der Reflexion der eigenen Lehre. Dabei standen Themen wie die Sensibilisierung für die Diversität von Studierenden, die Reflexion der eigenen Haltung in Bezug auf Diversität sowie die Berücksichtigung von konkreten Bedarfen der Studierenden in Didaktik und Methodik und diversitätssensible Sprache im Fokus.
Die Diversität von Lernenden stand im ersten Teil des Workshops im Vordergrund. Der Einstieg in die Thematik erfolgte durch die Diskussion über drei Fallbeispiele von Studierenden. Anschließend erfolgte eine theoretische Auseinandersetzung mit Beschreibungsansätzen von Diversität und Intersektionalität. Teilnehmende konnten dann Teilhabebarrieren in der eigenen Lehre identifizieren und im Austausch untereinander Lösungsmöglichkeiten zum Abbau der Barrieren erarbeiten.
Nach einer Pause ging es im zweiten Teil des Workshops um die Diversität von Lehrenden. Die Teilnehmenden lernten dazu die Grundannahmen des Ansatzes des Service User Involvement (SUI) sowie eine konkrete Umsetzung in Form der Bildungsarbeit von Bildungsfachkräften des AW-ZIB kennen. An Thementischen berichteten die Bildungsfachkräfte über ihre Bildungsarbeit als Erfahrungsexpert:innen an Hochschulen und diskutierten, wie Expert:innen in eigener Sache in die Lehre eingebunden werden können und welche didaktischen Formate sich dafür eignen. Die Bildungsfachkräfte gingen dabei auch darauf ein, welche Barrieren sie in ihrer Bildungsarbeit erleben und welche Chancen sie sehen.
Die abschließende gemeinsame Reflexion machte deutlich, dass die Sensibilisierung für Diversität von Lernenden und Lehrenden an Hochschulen ein wichtiges Thema darstellt, das weiterverfolgt werden müsse. Dazu scheinen Formate, die gemeinsame Arbeitsprozesse und den Austausch mit Erfahrungsexpert:innen ermöglichen, besonders hilfreich.
Bildungsfachkraft Anna Neff zieht für sich ein Resümee: „Die Teilnehmenden haben super mitgemacht. Mir hat der Workshop viel Spaß gemacht und ich mache ihn jederzeit wieder gerne. Wir haben uns als Team gut ergänzt.“
Die Mitarbeitenden des AW-ZIB hatten nicht nur für die Teilnehmenden, sondern auch für sich selbst Lernziele formuliert. So wurden beispielweise aktivierende Methoden und neue Moderationstechniken erprobt. Frau Neff fährt fort: „Die Methoden, die wir ausgesucht und gemacht haben, sind gut angekommen und haben gut zum Thema gepasst.“ Das Team kann demnach nicht nur auf einen erfolgreichen Workshop mit Erkenntnissen für die Lernenden zurückblicken, sondern auch für die eigene Lehre Anregungen und Impulse mitnehmen.
Quartiersentwicklung – ein neues Thema für die Bildungsfachkräfte
[as, nr] Anne Seeboth studiert Sonderpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg mit den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung und Lernen. Sie schreibt ihre Masterarbeit am AW-ZIB und hat im Rahmen dieser Arbeit eine Lerneinheit zum Thema Quartier und Quartiersentwicklung geplant und durchgeführt. Über einen Zeitraum von sieben Tagen haben sich die Studentin, die Bildungsfachkräfte, die beiden Qualifizierungsteilnehmerinnen sowie Assistenzen in einer Mischung aus gemeinsamen und individuellen Lernzeiten intensiv mit den Themen beschäftigt.
Was bedeutet überhaupt Quartier? Und was versteht man unter Quartiersentwicklung?
Ein Quartier ist unser Lebensumfeld. Ein Quartier ist da, wo wir leben oder arbeiten, wo wir uns versorgen, wo wir im Verein sind, wo wir uns täglich bewegen. Das kann zum Beispiel eine Stadt, ein Stadtteil, ein Dorf oder eine Nachbarschaft sein.
Bei der Quartiersentwicklung geht es darum, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in einem Quartier zu verbessern. Denn die Gesellschaft ist im Wandel und Themen wie Klimaschutz, Mobilität, demografischer Wandel, Wohnraum oder medizinische Versorgung betreffen alle. Deswegen sollten auch unterschiedliche Menschen und Institutionen im Quartier bei dieser Entwicklung mitwirken und ihre Perspektive beisteuern. So können lebendige Quartiere gestaltet werden – also Nachbarschaften, Stadtteile oder Dörfer, in die Menschen sich einbringen, Verantwortung übernehmen und sich gegenseitig unterstützen.
Die Strategie "Quartier 2030 – Gemeinsam.Gestalten." des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg möchte Akteur:innen bei der Quartiersentwicklung unterstützen. Ein Schwerpunkt der Strategie „Quartier 2030“ liegt in Fortbildungsmöglichkeiten für all diejenigen, die sich in der Quartiersentwicklung engagieren oder engagieren wollen. Die Aufgabe der Quartiersakademie ist daher die Schulung und Qualifizierung von Kommunen, zivilgesellschaftlichen Akteur:innen und Ehrenamtlichen.
Für die Kommunalverwaltung bedeutet Quartiersentwicklung oftmals, neue Arbeitsweisen, Planungsprozesse, Bürgerbeteiligungsverfahren und Formen der Zusammenarbeit zu erproben und anzuwenden. Dabei geht es auch um die Frage, wie Menschen mit Behinderung in die Quartiersentwicklung eingebunden werden können. Die Quartiersakademie hat deswegen das AW-ZIB beauftragt, ein Fortbildungsangebot für kommunale Vertreter:innen aus Baden-Württemberg zu entwickeln.
Das Ziel der Lerneinheit von Anne Seeboth, die sie im Rahmen ihrer Masterarbeit am AW-ZIB konzipiert hat, war es, die Bildungsfachkräfte auf die Entwicklung dieses neuen Bildungsangebots zum Thema Quartier und Quartierentwicklung vorzubereiten - sowohl durch die Erarbeitung der Theorie, als auch durch das Dokumentieren und Reflektieren eigener Erfahrungen und das Kennenlernen einiger Beteiligungsmethoden.
Dazu hat sich die Gruppe zunächst mit der Begriffsklärung beschäftigt: Was ist ein Quartier, welche Akteur:innen und Handlungsfelder gibt es im Quartier und was versteht man unter Quartiersentwicklung? Auch die Landesstrategie "Quartier 2030 – Gemeinsam.Gestalten." haben die Beteiligten kennengelernt.
Im Anschluss wurde der Themenkomplex „Partizipation im Quartier“ behandelt. So hat Anne Seeboth die Partizipationspyramide von Straßburger und Rieger als Modell verschiedener Stufen und Vorstufen von Partizipation in Quartiersentwicklungsprozessen vorgestellt. Mithilfe des Modells von Ernst von Kardorff haben die Lernenden dann über verschiedene Aspekte von Partizipation im Quartier (Teilgabe, Teilnahme, Teilsein und Teilhabe) nachgedacht. Auch die Aspekte Barrieren und Barrierefreiheit im Quartier sowie das Konzept „Service User Involvement“ wurden in den Diskurs miteinbezogen.
Die theoretischen Konstrukte wurden dabei immer wieder mit eigenen Erfahrungen im Quartier verknüpft. Das bedeutet, die Bildungsfachkräfte und Qualifizierungsteilnehmerinnen haben sich damit beschäftigt, wie es in ihren Quartieren aussieht, was für Angebote und Partizipationsmöglichkeiten, aber auch welche Barrieren es dort gibt, wo ihre Quartiere sich weiterentwickeln sollten und welche Rolle sie selbst dabei spielen (könnten).
Schließlich hat sich die Lerngruppe mit Methoden für Bürger:innenbeteiligung im Quartier vertraut gemacht und diese auch erprobt, zum Beispiel eine „Fotosafari“ im eigenen Quartier, bei der Lieblingsorte fotografiert und im Anschluss vorgestellt werden.
„Ich habe von den Bildungsfachkräften sehr positives Feedback bekommen. Sie haben rückgemeldet, dass sie die Tage genossen und viel gelernt haben und dass sie sich durch den Bildungsblock nun gut vorbereitet fühlen, das Fortbildungsangebot für die Kommunen zu entwickeln. Ich denke also, ich habe mein Ziel erreicht und das freut mich sehr“, zieht Anne Seeboth ein Fazit.
Und was nimmt die Studentin für sich persönlich mit? „Es hat Spaß gemacht, sich gemeinsam mit den Themen rund ums Quartier zu beschäftigen. Ich habe vorher noch nie eine komplette Lerneinheit geplant. Deshalb hatte ich viel Respekt vor der Aufgabe. Die Planung und Vorbereitung waren auch tatsächlich viel Arbeit, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Ich habe jetzt einen ganz anderen Blick auf mein Quartier. Ich fand es auch sehr spannend, von den Erfahrungen der Bildungsfachkräfte in ihren Quartieren zu hören.“
Erfolgreicher Abschluss des zweiten Qualifizierungssemesters
[nh, nr] Susann Bensch und Louisa Kabbe, die am AW-ZIB zu Bildungsfachkräften qualifiziert werden, haben im August ihre zweite Modulprüfung erfolgreich bestanden. Dieser Meilenstein kennzeichnete den erfolgreichen Abschluss des zweiten Qualifizierungssemesters. Die Besonderheit der Qualifizierung liegt in der Verknüpfung von Theorieinhalten, Praxiserfahrungen in der erfahrungsbasierten Lehre und einer psychosozialen Begleitung durch die Qualifizierungsleitung.
Bei der Erarbeitung der theoretischen Inhalte können die beiden Qualifizierungsteilnehmerinnen von den Kompetenzen und Erfahrungen der Bildungsfachkräfte lernen. So wurde das Thema Transitionen (bedeutsame Übergänge im Leben eines Menschen) in einer mehrtätigen Lerneinheit gemeinsam vertieft. Individuelle Transitionserfahrungen wurden ausgetauscht und Strategien im Umgang mit Transitionen sowie Unterstützungsressourcen in den Fokus gerückt.
Mit Kollegin Anna Neff und Kollege Hartmut Kabelitz haben sich Susann Bensch und Louisa Kabbe auch mit den Sichtweisen auf Behinderung auseinandergesetzt. Dabei ging es unter anderem um die eigenen Erfahrungen mit Vorurteilen sowie mit Ausgrenzung und Diskriminierung. Wann wurden sie behindert und wann haben sie sich selbst in der Teilhabe behindert? Was braucht jede:r, um teilhaben zu können und wann fühlt man sich zugehörig?
Doch nicht nur im Hinblick auf theoretische Inhalte profitieren Susann Bensch und Louisa Kabbe von den erfahrenen Kolleg:innen. So hatten beide im Sommersemester 2023 erneut die Gelegenheit, bei einer Bildungsveranstaltung der Bildungsfachkräfte zu hospitieren. Wie bauen die Kolleg:innen die Sitzung auf? Wie sprechen sie mit Studierenden? Und wie unterstützen sie sich gegenseitig im Teamteaching? Die Beobachtungen reflektierten die Qualifizierungsteilnehmerinnen, diskutierten mit Hartmut Kabelitz und Thilo Krahnke über ihre Rolle als Lehrperson und übten im Rollenspiel, wie sie selbst als Lehrperson auftreten und wahrgenommen werden möchten.
Die Qualifizierungsteilnehmerinnen können ihre individuellen Erfahrungen auch in gesamtorganisatorische Entwicklungsprozesse mit dem Ziel einer inklusiven Hochschule einbringen. So gab es mit Mitarbeitenden der Abteilung Gebäudemanagement & Arbeitssicherheit im vergangenen Semester eine Begehung des Treppenhauses im Altbau. Bauliche Barrieren wurden identifiziert und konnten teilweise schon abgebaut werden. Weitere Maßnahmen sollen folgen.
Ein Highlight der vergangenen Monate waren die PH-Days, für die das AW-ZIB den Teilhabe-Bus installiert hat: In einem zum mobilen Filmstudio umgewandelten Kleinbus konnten kurze Video-Statements abgegeben werden, verschiedene Satzanfänge („Ich fühle mich als Teil der PH, wenn …“ / „Meine Teilhabe an der PH wird beeinträchtigt, wenn … / durch …“) dienten dabei als Unterstützung. Die Statements werden zu einem Video zusammengeschnitten und im Rahmen der Woche der Vielfalt (27.11.- 01.12.2023) gezeigt.
Am Ende des abwechslungsreichen Semesters stand dann die zweite Modulprüfung im Rahmen der Qualifizierung an. Diese umfasste einen Vortrag mit anschließenden Fragen der Prüfungskommission, bestehend aus Noemi Heister (Qualifizierungsleitung), Sarah Maier (pädagogische Leitung am AW-ZIB) und den Bildungsfachkräften Thilo Krahnke und Helmuth Pflantzer. "Ich habe viel geübt und wir haben unseren Vortrag auch vor Bildungsfachkräften geprobt. Ich bin guter Dinge, dass alles klappt“, so Susann Bensch kurz vor ihrer Prüfung. Sie hatte sich für einen Vortrag zum Thema Transitionen entschieden. Sie hat ihre Erfahrungen des Auszugs von zu Hause in eine Wohngemeinschaft reflektiert. Welche Herausforderungen gab es – und wie hat sie diese bewältigt? Louisa Kabbe hat in ihrem Vortrag zu Sichtweisen auf Behinderung über ihre Erfahrungen mit Vorurteilen, aber auch mit erlebter Teilhabe berichtet.
Nach der erfolgreich bestandenen Prüfung blickt Kabbe zurück: „Ich fand im 2. Semester besonders wunderbar, dass Susann und ich als Kolleginnen weiter zusammengewachsen sind.“ Vier Semester liegen noch vor den beiden Qualifizierungsteilnehmerinnen.
Expert:innen in eigener Sache im Fokus der Tagung
[nr] Das AW-ZIB hat am 13. und 14. Oktober 2023 in Kooperation mit dem Deutschsprachigen SUI-Netzwerk, dem Aktionsbündnis Teilhabeforschung und der Lebenshilfe Heidelberg e.V. eine Tagung zum Thema "Expert:innen in eigener Sache in Forschung, Lehre und beruflicher Bildung" veranstaltet. Neben zahlreichen Workshops und Beiträgen erwarteten die Teilnehmenden drei Hauptvorträge und eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion.
Expert:innen in eigener Sache sind Menschen, die persönliche Erfahrungen aus ihrer Lebenswelt und mit Unterstützungsangeboten reflektieren. Ihre Erfahrungen können sie als Erfahrungswissen in Diskussionen und Prozesse für die Lehre und Forschung sowie die berufliche Bildung einbringen und so theoretisches Wissen und Praxiswissen ergänzen.
Die Tagung, die entsprechend den Bedürfnissen der Teilnehmenden barrierearm angelegt war (beispielsweise wurden Vorträge in Leichte Sprache überführt), wurde in hybrider Form ausgebracht. Passend zu den Themenschwerpunkten wurden im Rahmen der zweitägigen Tagung drei Hauptvorträge angeboten:
So fokussierte sich Professorin Dr. Emanuela Chiapparini von der Berner Fachhochschule, die online zugeschaltet war, mit ihrem Vortrag zu „Perspektivwechsel als ein Schlüsselmoment von gelingenden Beteiligungsprozessen" auf den Bereich Lehre. In ihrem Vortrag wurden Beispiele von Beteiligungsprozessen von armutserfahrenen Personen innerhalb von Maßnahmen und Projekten der Schweizer Armutspolitik vorgestellt. Der Ansatz «User Involvement» bildete den theoretischen Rahmen des Beitrags, der Fokus lag auf Beteiligungsprozessen in der Aus- und Weiterbildung.
In der zweiten Keynote mit dem Titel „Partizipativ Forschen ... Wer? Wie? Was?" gaben Dr. Vera Tillmann (Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport, Aktionsbündnis Teilhabeforschung) und Andreas Mauracher (Co-Forscher im Projekt „Veranstaltungen für Alle") einen Einblick in die Partizipative Forschung und diskutierten auch Rollenverteilungen und Machtverhältnisse.
Maren Plehn (Geschäftsführerin der 1a Zugang Beratungsgesellschaft mbH) und Heidrun Loth (Expertin in eigener Sache) legten den Schwerpunkt auf die berufliche Bildung sowie die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben. Am Beispiel des Inklusionsunternehmens 1a Zugang Beratungsgesellschaft mbH wurden bereits eingeführte berufliche Qualifizierungs- und Tätigkeitsfelder für Expert:innen in eigener Sache vorgestellt. Dies sind zum Beispiel Sensibilisierungsworkshops für Unternehmen oder Prüfungen der (digitalen) Barrierefreiheit. Frau Loth berichtete ferner von ihrem persönlichen Bildungs- und Qualifizierungsweg sowie ihren Tätigkeiten bei capito und in der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB).
Neben den Hauptvorträgen konnten die Tagungsteilnehmer:innen zahlreiche Workshops und Einzelbeiträge besuchen, in denen die Themenschwerpunkte Lehre, Forschung und berufliche Bildung vertieft und diskutiert wurden.
Eines der Highlights war die Podiumsdiskussion, in deren Rahmen fünf Personen ihre Perspektive zum Thema: „Räume für Erfahrungsexpertise an Hochschulen einrichten - durch die Kombination von Erfahrungswissen, Praxiswissen und wissenschaftlichem Wissen Lernprozesse bereichern" teilten. So leitete Jürgen Dusel (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung) das Tagungspodium mit den Worten ein, dass Inklusion ein Menschenrecht sei und grundlegend für unsere Demokratie. Thorsten Lihl berichtete unter anderem von seiner Arbeit als Bildungsfachkraft und dass es zum Abbau von Barrieren und Vorurteilen wichtig sei, dass sich Menschen mit und ohne Behinderung austauschen.
Ein Ziel der Tagung bestand in der Erarbeitung eines Standpunktpapiers, das den Tagungsteilnehmer:innen, Interessierten und (politischen) Entscheidungsträger:innen zur Verfügung gestellt wird und als Anregung für hochschulische Weiterentwicklungsprozesse dienen soll. In diesem Papier wird die spezifische Qualität der drei Bereiche partizipative Lehre, partizipative Forschung und berufliche Bildung im Kontext Hochschule beschrieben. Darüber hinaus umfasst das Papier konkrete Forderungen, die für die Umsetzung der einzelnen Bereiche unter Berücksichtigung des aktuellen Standes notwendig sind.
Am AW-ZIB wird das Erfahrungswissen in Lehre und Forschung bereits mit einbezogen: Bildungsfachkräfte ergänzen als Expert:innen in eigener Sache die fachwissenschaftliche Lehre mit ihrem Erfahrungswissen und bereichern den partizipativen Forschungsprozess um ihre Perspektive. Winfried Monz, Vorstand der Lebenshilfe Heidelberg und assoziiertes Mitglied des AW-ZIB, machte im Rahmen seiner Begrüßung deutlich: „Das AW-ZIB stärkt die Hochschule. Das AW-ZIB stärkt die Inklusion - auch weit über die Grenzen Heidelbergs hinaus.“
Wir blicken auf zwei ereignisreiche Tage mit vielen Informationen, inspirierendem Austausch und guten Gesprächen zurück. Ohne die Unterstützung und das Engagement von zahlreichen Menschen innerhalb und außerhalb des AW-ZIB und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg wäre die Tagung so nicht möglich gewesen. Herzlichen Dank an alle Beteiligten!
Impressionen der Tagung sowie weitere Informationen finden Sie unter https://www.ph-heidelberg.de/aw-zib-tagung/ueber-die-tagung/.
Praxissemester im Bereich Forschung
[es, nr] Esra Sezer studiert im dritten Semester im Masterstudiengang Bildungswissenschaften das Profil Inklusion in sonderpädagogischen Handlungsfeldern an der PH Heidelberg. Im Juni 2023 hat sie ihr Praxissemester im Bereich der Forschung am AW-ZIB begonnen. Esra wertet unter anderem die Evaluation der Bildungsangebote der Bildungsfachkräfte aus dem Wintersemester 2022/2023 und dem Sommersemester 2023 aus. Im Rahmen der Auswertung ergab sich für sie auch die Möglichkeit zu einer Themenfindung für ihre Masterarbeit.
Die Bildungsfachkräfte sensibilisieren in ihren Bildungsangeboten Studierende für ihre Inklusions- und Exklusionserfahrungen als Menschen mit Behinderung. Mit einem Evaluationsbogen, der am Ende jedes Bildungsangebots zur Verfügung gestellt wird, können Studierende die Sitzungen der Bildungsfachkräfte bewerten. Diese Rückmeldungen helfen den Bildungsfachkräften bei der Weiterentwicklung ihrer Bildungsangebote. Der Fragebogen selbst besteht aus offenen und geschlossenen Fragen. Die offenen Fragen – die die Bildungsfachkräfte in einem partizipativen Prozess entwickelt haben – beziehen sich auf die Interaktion während der Sitzung, die Organisation des Bildungsangebots, den Lernzuwachs bei den Studierenden sowie deren Wünsche und Erwartungen.
Im Wintersemester 2022/2023 nahmen 166 Studierende an der Online-Befragung teil. Esra Sezer wertet im Rahmen ihres Praxissemesters die offenen Fragen aus. Dazu verwendet sie die Auswertungsmethode der qualitativen Inhaltsanalyse in Anlehnung an KUCKARTZ (2018) und bildet Kategorien von Aussagen, zum Beispiel: der Austausch zwischen Bildungsfachkräften und Studierenden, die Einblicke in die Lebenswelten von Menschen mit Behinderung oder die Struktur von Bildungsangeboten.
In vier Veranstaltungen, an denen die Bildungsfachkräfte und wissenschaftliche Mitarbeitende des AW-ZIB teilnahmen, wurden die Rückmeldungen der Studierenden und deren Implikationen für eine Weiterentwicklung der Bildungsangebote diskutiert. Bei jedem Treffen standen drei Fragestellungen im Fokus:
- Was brauchen die Studierenden im Vorfeld des Bildungsangebots? Und warum?
- Was bedeuten die Ergebnisse für die Bildungsfachkräfte?
- Was tun die Bildungsfachkräfte mit den Ergebnissen? Wie geht es weiter?
Esras Ziel war es, die Bildungsfachkräfte in die Auswertung und Interpretation der Evaluationsergebnisse einzubinden. Die Daten sollten partizipativ ausgewertet werden.
In der ersten Sitzung ging es darum, welche Erwartungen die Studierenden an das Bildungsangebot hatten. Esra führte mit den Bildungsfachkräften Übungen zur Eigen- sowie Fremdwahrnehmung durch und bereitete Stellwände vor, um die Interaktion anzuregen.
Bei der zweiten Veranstaltung trug die Praktikantin Ergebnisse des Fragebogens zu den Themen der Bildungsangebote vor: Was hat den Studierenden geholfen, Inhalte gut nachzuvollziehen, und was hätten sie sich noch gewünscht? Auch die Beteiligung der Studierenden in den Sitzungen wurde diskutiert.
Im Rahmen des dritten Treffens setzten sich die Beteiligten mit dem von den Studierenden beschriebenen Lernzuwachs, der Rolle der Bildungsfachkräfte sowie Verbesserungsvorschlägen für die Gestaltung der Bildungsangebote auseinander. Gemeinsam wurden Aspekte zur Weiterentwicklung der Bildungsangebote abgeleitet.
Esra Sezer nahm die drei Veranstaltungen mit Video- und Tonaufnahmegeräten auf. Derzeit wertet sie die Aufnahmen für ihre Masterarbeit aus. Sie analysiert die gemeinsame Auswertung der Evaluationsergebnisse im Rahmen eines partizipativen Prozesses. Dazu wird folgender Fragestellung nachgegangen: Inwieweit können in einem partizipativen Auswertungsprozess Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung von Bildungsangeboten gewonnen und nutzbar gemacht werden?
Die ersten Ergebnisse sind Ende 2023 zu erwarten.
Aktuelle Beiträge und Veröffentlichungen
[dd, cm] Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der aktuellen Beiträge aus dem Bereich Forschung: Diese umfassen eine wissenschaftliche Veröffentlichung, drei Tagungsbeiträge sowie die Aufnahme des Forschungspodcast Bildungsplausch, in dem Christina Mechler, zur Promotion abgeordnete Lehrkraft, über ihre Zeit als Lehrerin und ihre Forschung spricht.
Wissenschaftliche Veröffentlichung
Mechler, C., Scheer, D. & Heyl, V. (2023). Reliability of a shortened single-target implicit association Test (ST-IAT) as an implicit measure of attitudes towards inclusion. Replication and extension of “implicitly measuring attitudes towards inclusive Education: a new attitude Test based on single-target implicit associations” (Lüke and Grosche, 2018, European journal of special needs Education). European Journal of Special Needs Education, 1–15.
Attitudes towards inclusion (ATI) are regarded as an important aspect for the implementation of inclusive education. Yet, explicit measures of ATI have some limitations. Single-target implicit association tests (ST-IAT) provide an opportunity to an implicit ATI measure based on differences in reaction times. However, this can be a time-consuming procedure. The present study is a replication and extension of the study ‘Implicitly measuring attitudes towards inclusive education: a new attitude test based on single-target implicit associations’ by investigating reliability of a shortened version of the ST-IAT Inclusion. Prior studies did not investigate the reliability continuously, nor did they consider different ways of calculating the ST-IAT effect size (D-score). In this study, data from 594 university students are analysed to evaluate the reliability of a shortened ST-IAT Inclusion. Results show that the reliability of the shortened ST-IAT is good and in line with findings on reliability of other ST-IAT procedures. However, the difference between several D-score procedures was rather marginal. Altogether, the shortened ST-IAT Inclusion can provide an economic and reliable measure for ATI.
Tagungsbeitrag (28.09.2023)
Dörrer, D. (2023, 28. September): Erfahrungsexpertise als Bestandteil pädagogischer Professionalisierung. Technischen Universität Dresden. Jahrestagung der Sektion Sonderpädagogik der DGfE.
Pädagogische Professionalisierung zielt primär auf den Auf- und Ausbau theoretischer und praktischer Wissensbestände ab. Während die theoretische Professionalisierung in das Wissenschaftssystem integriert ist und vor allem in der Organisation Hochschule stattfindet, erfolgt die praktische Professionalisierung in aller Regel in den Organisationen des jeweiligen Berufsfeldes. Erfahrungsbasierte Wissensbestände, ausgebracht von Adressat:innen hochschulischer Professionalisierungsgänge, spielen im Rahmen pädagogischer Professionalisierung bisher hingegen kaum eine Rolle. Am Annelie-Wellensiek-Zentrum für Inklusive Bildung der PH Heidelberg (PH HD) ist dies anders. Seit November 2020 arbeiten an diesem Zentrum fünf ehemals in Werkstätten für behinderte Menschen tätige Personen als qualifizierte Bildungsfachkräfte. Im Rahmen von Bildungsangeboten, die die Bildungsfachkräfte selbständig vorbereiten, durchführen und nachbereiten, teilen diese mit Studierenden ihre Inklusions- und Exklusionserfahrungen, die sie in der Vergangenheit erlebt haben bzw. bis heute erleben. Mit ihrem Erfahrungswissen flankieren die Bildungsfachkräfte die – zumeist theorielastige – Hochschullehre. Damit wurde an der PH HD der Einbezug von Menschen mit Behinderungserfahrung in die Hochschullehre implementiert. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, welche Gründe aus Sicht der drei unterschiedlichen Stakeholder (Lehrende an Hochschulen, Bildungsfachkräfte und Studierende) für bzw. gegen den Einbezug der Bildungsangebote in hochschulische Lehre sprechen. Darüber hinaus sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Aspekte aus Sicht der Vertreter:innen der Stakeholdergruppen als Qualitätsmerkmale beim Einbezug von Bildungsangeboten in die hochschulische Lehre eine wesentliche Rolle spielen und deshalb Beachtung finden sollten. Im Rahmen des Beitrags werden die qualitative Interviewstudie und erste Forschungsergebnisse vorgestellt und diskutiert.
Tagungsbeitrag (13.10.2023)
Dörrer, D., Mechler, C., Neff, A. & Rudolph, N. (2023, 13. Oktober): Forschung zu Bildungsangeboten von Bildungsfachkräften am Annelie-Wellensiek-Zentrum für Inklusive Bildung. Was ist das? Was braucht es? Wie wirkt es? Pädagogische Hochschule Heidelberg. Tagung „Expert:innen in eigener Sache in Forschung, Lehre und beruflicher Bildung“.
Am Annelie-Wellensiek-Zentrum für Inklusive Bildung (AW-ZIB) arbeiten seit 2020 Bildungsfachkräfte. Bildungsfachkräfte sind Menschen mit Behinderungserfahrung. Sie lehren an Hochschulen. Sie sprechen über ihre Erfahrungen mit Inklusion und Exklusion. In unseren Beiträgen stellen wir die Bildungsangebote der Bildungsfachkräfte vor. Wir stellen auch die Begleitforschung zu den Bildungsangeboten vor. Das bedeutet: Wir haben die Bildungsangebote der Bildungsfachkräfte genau angeschaut. Dafür haben wir mit verschiedenen Menschen gesprochen und Umfragen gemacht. Über die Ergebnisse wollen wir mit Ihnen diskutieren.
Das haben wir vor:
Was ist das? Bildungsangebote am AW∙ZIB
- Der Weg ans AW∙ZIB:
- Qualifizierung
- Bildungsfachkraft am AW∙ZIB
- Was ist ein Bildungsangebot?
- Ziele und Inhalte der Bildungsangebote
- Ablauf und Rahmenbedingungen
Was braucht es? Warum werden Bildungsfachkräfte in die Lehre einbezogen und was ist dabei zu bedenken?
- Vorstellung eines Forschungsprojekts
- Methoden: Leitfaden, Einzelinterviews
- Ergebnisse:
- Gründe, die für den Einbezug von Bildungsfachkräften sprechen
- Qualitätskriterien für den Einbezug von Bildungsfachkräften
Wie wirkt es? Wirkungen der Bildungsangebote auf Lehramtsstudierende
- Vorstellung eines Forschungsprojekts
- Methoden: Fragebogen, Interviews
- Ergebnisse: Bildungsangebote wirken auf
- Sichtweisen und Einstellungen
- soziale Kompetenzen
- das Wissen für den Beruf als Lehrkraft
Tagungsbeitrag (14.10.2023)
Dörrer, D. & Mechler, C. (2023, 14. Oktober): Gemeinsam Forschen: Das Forschungsplenum am Annelie-Wellensiek-Zentrum für Inklusive Bildung. Pädagogische Hochschule Heidelberg. Tagung „Expert:innen in eigener Sache in Forschung, Lehre und beruflicher Bildung“.
Am Annelie-Wellensiek-Zentrum für Inklusive Bildung forschen seit 2020 Bildungsfachkräfte mit Behinderungs-erfahrung und wissenschaftlich Forschende gemeinsam.
Wir treffen uns dafür jede Woche im Forschungsplenum.
Unsere Themen:
Der Begriff gemeinsame Forschung
- Was bedeutet das?
- Was sind die Ziele?
- Was braucht es dafür?
Das Forschungsplenum am AW-ZIB
- Ablauf und Forschen lernen
- Gemeinsam ein Forschungsthema entwickeln
- Gemeinsam einen Forschungsplan machen
- Entscheiden in der gemeinsamen Forschung
Austausch über
- Erfahrungen mit gemeinsamer Forschung
- Heraus-forderungen und mögliche Lösungen
Forschungspodcast Bildungsplausch
Christina Mechler, die Teil der Nachwuchsforschungsgruppe des AW-ZIB ist, hat nach ihrem Studium der Sonderpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg mehrere Jahre als Lehrerin gearbeitet. Heute erforscht sie im Rahmen ihrer Abordnung unter anderem, welche Wirkungen die Bildungsarbeit der Bildungsfachkräfte auf Studierende hat. Im Forschungspodcast Bildungsplausch spricht sie über ihre Zeit als Lehrerin, ihre Abordnung und ihre Forschung.
Der Podcast ist ein Kooperationsprojekt von Presse & Kommunikation, Forschungsreferat und Transferzentrum der Hochschule. Die Folge "Von der Schule in die Forschung" finden Sie unter: www.ph-heidelberg.de/bildungsplausch sowie auf allen gängigen Podcastportalen.
Dr. Uta Benner: Professur für Gebärdensprachdolmetschen
Professorin Dr. Uta Benner folgt zum 1. Oktober 2023 dem Ruf an die Pädagogische Hochschule. Dort wird sie an der Fakultät für Erziehungs- und Sozialwissenschaften die Professur für Gebärdensprachdolmetschen übernehmen. Dabei verantwortet sie unter anderem den gleichnamigen Bachelorstudiengang und forscht in den Bereichen Gebärdensprachdolmetschen/-linguistik bzw. Deaf Studies.
Professorin Benner verfügt über ein einschlägiges wissenschaftliches Profil als Linguistin und ist ein anerkanntes Mitglied der internationalen Scientific Community. Sie publiziert regelmäßig in Zeitschriften und hält Fachvorträge etwa zu Inklusion und sozialer Teilhabe. Dabei gelingt es Benner, sich mit ihren gleichermaßen angewandten wie theoretischen Perspektiven auch außerhalb der von ihr vertretenen Fachdisziplin zu etablieren. Deutlich wird dies etwa in dem von der Linguistin stellvertretend geleiteten Institut Sozialer Wandel und Kohäsionsforschung der Hochschule Landshut.
Ebenda hat Benner den Studiengang Gebärdensprachdolmetschen gegründet und äußerst erfolgreich etabliert. Ihre Erfahrungen als Deutsch- und DGS-Muttersprachlerin fließen dabei genauso in ihre Lehre ein wie ihre langjährige Tätigkeit als staatlich geprüfte Gebärdensprachdolmetscherin. Benner weiß nicht nur ihre Student:innen zu begeistern, sondern setzt sich auch in der Öffentlichkeit erfolgreich für mehr Teilhabe von gehörlosen und hochgradig schwerhörigen Menschen insbesondere in Bildung und Medizin ein.
„Es ist ein großes Vorrecht, in Lehre und Forschung tätig zu sein“, sagt Benner. „Ich freue mich auf ein inspirierendes Umfeld an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, auf neue Herausforderungen, Vernetzungsmöglichkeiten, Begegnungen und Projekte.“
Weitere Informationen finden Sie in Kürze unter www.ph-heidelberg.de/ba-gsd.
Zur Person
Uta Benner hat an den Universitäten Stuttgart und Hamburg Computerlinguistik mit Nebenfach Gebärdensprachen studiert. 2005 legte sie außerdem die staatliche Prüfung für Gebärdensprachdolmetscher:innen ab: Seitdem ist sie als freiberufliche Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache tätig. Von der Universität Stuttgart wurde Benner 2012 mit einer Arbeit zu Gebärdensprachlinguistik promoviert. Die Hochschule Landshut hat sie 2014 zur Professorin für Gebärdensprachdolmetschen berufen; von 2016 bis 2022 war sie ebenda Studiendekanin der neugegründeten Fakultät Interdisziplinäre Studien. Dem Ruf an die Pädagogische Hochschule Heidelberg folgt Professorin Benner zum 1. Oktober 2023.
Text: Verena Loos
Zehnjähriges Jubiläum von "Kunst & Inklusion"
Zum zehnjährigen Bestehen stand das Seminar „Kunst & Inklusion“ unter dem Motto „Neben der Spur“ und wurde mit einem inklusiven Kunstfestival vom 1. bis 3. Juni gefeiert. Seit der Premiere im Sommersemester 2013 bringt das Seminar an der Hochschule seither regelmäßig Studierende aus den Bereichen Sonderpädagogik, dem Fach Kunst sowie Menschen mit so genannter geistiger Behinderung von der Lebenshilfe Heidelberg zusammen, um gemeinsam künstlerisch zu arbeiten.
Das Seminar, seither fest in den Studienverlauf des Fachs Kunst integriert, wurde von Beginn an und bis heute von Susanne Bauernschmitt, Dr. Teresa Sansour und in Kooperation mit Barbara Schmidt, Kunsttherapeutin der Lebenshilfe Heidelberg, geleitet. Teresa Sansour, mittlerweile Professorin im Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik an der Universität Oldenburg, ist zum Jubiläum mit einer großen Studierendengruppe angereist. Insgesamt über 60 Personen, Kunststudierende und Lebenshilfekünstler:innen, nahmen an der Veranstaltung teil, die außerdem von Kunstdozentin Linda Streubel und zahlreichen Tutor:innen unterstützt wurde. Marleen Langer und Alina von Hayn, Künstlerinnen aus dem schweizerischen Luzern und Alumni der Pädagogischen Hochschule, waren zum Jubiläum wieder in Heidelberg und haben partizipative textile Kunsträume im Außenbereich gestaltet.
Drei Tage lang ging es im intensiven Austausch darum, was "Neben der Spur" für alle Beteiligten bedeutet. Die Kunstmittel waren so vielfältig wie die künstlerischen Ansätze: Ob sich am besten über Zeichnen, Malen und Fotografieren, über künstlerische Texte und sprachliche Bilder, über textile Materialien, Farben und Knete oder sogar über kleine Performances ausgedrückt werden kann, entschieden die Teilnehmenden selbst. KUNST KANN LEBEN RETTEN: Die Message, die auf den roten Lebensrettungswesten der Dozentinnen stand, war dabei nicht nur als Augenzwinkern zu verstehen.
Die Grundidee des Seminarkonzepts ist ein so genannter Pädagogischer Doppeldecker. Gemeint ist damit die Dopplung von Lehr- und Lernprozessen, indem die Lernenden mit jenen Methoden unterrichtet werden, die sie später als Lehrende übernehmen können. Studierende und Menschen mit Behinderung bilden dazu eine gemeinsame Seminargruppe. Experimentell-offene Lernsituationen, entdeckend-erforschende Auseinandersetzungen mit Orten, Materialien, dem Selbst und dem Fremden sowie individuelle, methodisch abwechslungsreiche Prozessbegleitungen, wie sie in einem künstlerischen Projekt zu realisieren sind, bieten Möglichkeiten der Differenzierung und eröffnen neue Perspektiven, Denk- und Handlungsräume.
Einblicke in die Ergebnisse gewährten die Teilnehmenden am 3. Juni, als das Seminar zu einer „Offenen Tür“ eingeladen hatte. Die Oldenburger Studierenden bereuten ihre weite Reise an den Neckar nicht. „Die Atmosphäre ist super. Es macht so viel Spaß, mit den unterschiedlichen Leuten zu arbeiten. Und das absolut auf Augenhöhe. Das hätte ich vorher so nicht erwartet.“ Die Erfahrungen im inklusiven Seminar machen aber auch nachdenklich. So formuliert eine Teilnehmerin in ihrer Seminarreflexion: „Warum konnte ich erst mit 21 solche Erfahrungen machen? Wie viele Menschen werden nie eine solche Erfahrung machen? Vielleicht war auch genau das alles eine Erfahrung neben der Spur.“
Text: Dr. Birgitta Hohenester-Pongratz
Projekt: Auf dem Weg zur inklusiven beruflichen Schule
Die zunehmende Heterogenität der Lernenden sowie wachsende Ansprüche auf Umsetzung inklusiver Bildungsangebote stellen gerade auch berufliche Schulen, deren Schulleitungen und Lehrkräfte vor wachsende Herausforderungen. Um diese zu unterstützen und allen Lernenden an beruflichen Schulen bestmögliche Bildungschancen zu ermöglichen, wurde das Projekt „Auf dem Weg zur inklusiven beruflichen Schule / Umgang mit Heterogenität (inklusivBS)“ ins Leben gerufen.
Ziel des vom Kultusministerium Baden-Württemberg initiierten dreijährigen Entwicklungsprojekts ist ein grundlegender Veränderungsprozess an beruflichen Schulen. Einen Teil der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation des Projekts übernimmt Prof. Dr. Birgit Werner (Foto) vom Institut für Sonderpädagogik der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.
Mit den teilnehmenden Schulen wird ein schul- und bildungsgangspezifisches pädagogisches Konzept erarbeitet, das die Professionalisierung der Schule im Umgang mit Heterogenität und den Ausbau inklusiver Bildungsangebote fördern soll. Das Projekt wird ab dem Schuljahr 2023/2024 von sechs teilnehmenden Pilotschulen erprobt, evaluiert und weiterentwickelt.
Der Fokus der Begleitforschung von Prof. Dr. Birgit Werner liegt auf der Erfassung der Kompetenzen der Lehrkräfte im Umgang mit Heterogenität. Diese werden erhoben über ihre Einstellungen und ihr Professionswissen, also über ihr Know-how hinsichtlich Beratung, Organisation, Fachwissen und Fachdidaktik sowie pädagogisch-psychologischer Themenfelder. Erhoben wird außerdem die subjektiv erlebte schulische Inklusion der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Aufgegriffen werden dabei Aspekte ihres emotionalen Wohlbefindens in der Schule, ihrer sozialen Eingebundenheit in die Klasse sowie ihr Selbstkonzept in Bezug auf schulische Anforderungen. Die Erhebungen finden halbjährlich statt, jeweils zum Schulhalbjahr und zum Schuljahresende.
Das Entwicklungsprojekt wird mit 140.000 Euro vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg unterstützt und ist zunächst auf den Zeitraum 01.09.2023 bis 31.12.2026 angelegt. Weitere Projektpartner sind das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg (ZSL) und das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW).
Text: Dr. Birgitta Hohenester-Pongratz
Wellensiek-Förderpreis an Masterstudentinnen Kreschel und Trunte
Janine Kreschel und Gina-Maria Trunte sind die diesjährigen Preisträgerinnen des Annelie-Wellensiek-Förderpreises, den die Hochschule gemeinsam mit dem Zonta Club Heidelberg vergibt. Kreschel wird für ihre Konzeption eines Camps ausgezeichnet, in dem spielerisch Lernrückstände im Fach Mathematik aufgeholt werden sollen. Trunte erhält den Preis für ihre Forschung im Bereich der Diagnostik. Trunte untersucht, wie Fragebögen wissenschaftlich korrekt für Menschen zugänglich gemacht werden können, die Schwierigkeiten mit dem Sprachverständnis haben. Die beiden Masterstudentinnen teilen sich das Preisgeld von 2.000 Euro.
Die Laudationen hielt Dr. Monika Mölders-Felgenhauer, Präsidentin des Zonta Clubs Heidelberg, im Rahmen der Eröffnung des Akademischen Jahres an der Pädagogischen Hochschule. Der Preis erinnert an die 2015 verstorbene Rektorin der Hochschule, Prof. Dr. Annelie Wellensiek. Er steht wie seine Namensgeberin für Offenheit und Innovation. Der Preis wird für besonders aussichtsreiche wissenschaftliche Arbeiten vergeben und hilft den Forscherinnen während der Arbeit, nicht erst danach.
Zu den Hintergründen der Masterarbeit von Janine Kreschel verwies Mölders-Felgenhauer auf den IQB-Bildungstrend, nach dem etwa 22 Prozent der 4. Klässler:innen im Fach Mathematik den Mindeststandard verfehlen: "Dies bedeutet, dass die nachfolgenden Schulen zunächst Grundschulstoff unterrichten müssen, um Lernlücken zu schließen. Aus dieser Erkenntnis und weiteren Studien entwickelte Frau Kreschel ein Konzept, mit dem sie mathematische Kompetenz und Freude an Mathematik steigern will, indem sie Mathe unorthodox koppelt mit Spaß und Sport."
Dieses sinnhafte sowie engagierte Projekt habe die Jury überzeugt, so Mölders-Felgenhauer, insbesondere da ein erfolgreicher Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule essentiell für den Schulerfolg sei. Das erste zweiwöchige Mathe-Camp ist für die Sommerferien 2024 geplant. Das mit der Auszeichnung verbundene Geld soll Kindern aus sozial und finanziell schwächeren Familien die Teilnahme ermöglichen.
Ebenfalls um Teilhabe geht es bei der Forschung von Gina-Maria Trunte. Ihre Masterarbeit im Bereich der sonderpädagogischen Diagnostik hat das Potenzial, ein Desiderat zu schließen: Gemäß der von Deutschland ratifizierten Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen müssen Informationen so zugänglich gemacht werden, dass alle Menschen sie verstehen können. Gleichzeitig müssen in der Forschung wissenschaftliche Gütekriterien eingehalten werden. Die angehende Sonderpädagogin Trunte hatte in ihrer Bachelorarbeit den häufig eingesetzten Persönlichkeitstest "Big Five Inventory" in Leichte Sprache übersetzt, um ihn für Menschen zugänglich zu machen, die etwa aufgrund einer Behinderung oder weil Deutsch ihre Zweitsprache ist, Schwierigkeiten mit dem Sprachverständnis haben. In ihrer Masterarbeit geht sie nun der Frage nach, ob bei der Übersetzung die wissenschaftlichen Gütekriterien eingehalten werden, die gerade bei diagnostischen Instrumenten wie einem Persönlichkeitstest entscheidend für die Validität sind.
Die Masterarbeit hebe die Bedeutung von Inklusion und Barrierefreiheit hervor, so Mölders-Felgenhauer. Sie sei ferner exzellent geplant und entspräche in besonderer Weise wissenschaftlichen Anforderungen. Das Fördergeld soll für die professionelle Programmierung des Erhebungsinstruments verwendet werden. Ihre Forschungsarbeit will Trunte im Rahmen einer Promotion fortführen.
Die Pädagogische Hochschule Heidelberg sowie der Zonta Club Heidelberg gratulieren Janine Kreschel und Gina-Maria Trunte herzlich zu der Auszeichnung und wünschen beiden sowohl für ihre privaten wie auch beruflichen Weg alles Gute sowie viel Erfolg.
Weitere Informationen finden Sie unter www.ph-heidelberg.de/wellensiek-foerderpreis.
Text: Verena Loos
Andere machen auch spannende Sachen - Wir zeigen Ihnen ausgewählte Beispiele
Das Metavorhaben Inklusive Bildung (am Standort der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt) koordiniert und fördert den fachlichen Austausch und die Vernetzung von insgesamt 66 Forschungsprojekten im Bereich inklusiver Bildung. Auf einer Plattform präsentieren sich Forschungsprojekte, die unterschiedliche Themen und Facetten inklusiver Bildung untersuchen. So entwickelten die Projekte beispielsweise Materialien und Konzepte für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von pädagogischem Fachpersonal für inklusive Bildung. Das Metavorhaben will die wissenschaftliche Forschung zum Thema inklusive Bildung begleiten und sie in die bildungswissenschaftliche Diskurslandschaft einordnen. Zur inhaltlichen und methodischen Diskussion, zur Veröffentlichung erster Forschungsergebnisse der Projekte und zur Zusammenarbeit mit Akteur: innen aus der Bildungspraxis, -administration und -politik organisiert das Metavorhaben Tagungen und digitale Vernetzungsmöglichkeiten.
Der Hospiz- und Palliativ-Verein Gütersloh e.V. und seine hauseigene Hospiz- und Palliativ-Akademie wurden für ihre Bildungsreihe „Menschen mit geistiger Behinderung im Fokus von Hospizarbeit – ein Projekt zu Selbstbestimmung und Teilhabe bis zum Lebensende“ mit dem Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ausgezeichnet. Alle Menschen sollen gleichberechtigt Zugang zu Hospiz- und Palliativversorgung haben – so der im Hospiz- und Palliativgesetz festgeschriebene hospizliche Ansatz. Menschen mit geistigen Behinderungen haben jedoch in der Praxis oft wenig Zugang zu hospizlichen Angeboten. Mit einer umfassenden Bildungsreihe zu Sterben, Tod und Trauer für diese Zielgruppe und alle, die sie begleiten, hat der Gütersloher Verein 2022 begonnen, die Möglichkeiten zur Teilhabe auch in Bezug auf ein selbstbestimmtes Lebensende zu verbessern.
Die Staatenprüfung der Vereinten Nation muss jedes Land absolvieren, das die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert hat. Ende August war es für Deutschland so weit. Am 29. und 30. August prüfte der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zum zweiten Mal, wie Deutschland die Rechte von Menschen mit Behinderungen umsetzt. Jürgen Dusel, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, sprach vor dem Ausschuss über die Baustellen, die es noch immer in Deutschland gibt, wenn es um Barrierefreiheit, Teilhabe am Arbeitsleben und der Inklusiven Bildung geht. In einer Sendung vom hr-Inforadio vom 29. August 2023 wurde Herr Dusel dazu befragt. Auch in seinem Inklusionspodcast berichtet Herr Dusel über die Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.
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