Arbeitsberichte aus dem Forschungsprojekt "Differentialdiagnostik"
Arbeitsgedächtnis und Sprachlernen
Untersuchungen an
sprachentwicklungsauffälligen
und sprachunauffälligen Schulkindern*
Waldemar Fromm und Hermann Schöler
Bericht Nr. 3
Juli 1997
Pädagogische Hochschule
Heidelberg
Erziehungs- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Psychologie in der Fachrichtung Lernbehindertenpädagogik
Keplerstr. 87, D - 69120 Heidelberg
Tel. (06221) 477-426 [-427] - Fax 477-425
e-mail: K40@IX.URZ.Uni-Heidelberg.DE
ISSN 1433-7193
* Für
die finanzielle Unterstützung unserer Forschungsarbeiten danken wir der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG-Az.: SCHO 311/3-3) und der Pädagogischen
Hochschule Heidelberg.
Für wertvolle Hinweise zum Manuskript danken wir Dr. Werner Kany, Karin
Schakib-Ekbatan und Birgit Spohn.
1. Fragestellung
1.1
Spezifische Sprachentwicklungsstörung und auditive Informationsverarbeitung
1.1.1
Generalität oder Spezifität der Spracherwerbsstörung?
1.1.2
Auditive Informationsverarbeitungsstörung
1.2 Spezifische Sprachentwicklungsstörung und Arbeitsgedächtnis
1.3 „Nachsprechen von Sätzen": ein Indikator für Sprachfertigkeit und ein Verfahren zur Prüfung von Defiziten der Sprachverarbeitung im Arbeitsgedächtnis
1.4 Spezifische Fragestellung
2. Methode
2.1
Zur Stichprobenbeschreibung
2.1.1
Die Gesamtstichprobe
2.1.2
Zur Identifikation und Beschreibung von Gruppen sprachentwicklungsgestörter und
sprachunauffälliger Kinder
2.2
Die Aufgaben
2.2.1
Nachsprechen von Sätzen
2.2.2 Zahlenfolgen-Nachsprechen
2.2.3 Symbolfolgen-Gedächtnis
2.2.4 Freie Wiedergabe von Wortlisten
2.2.5 Diskriminieren von Rhythmen
2.3 Die Bildung leistungsparallelisierter Gruppen 21
3. Ergebnisse
3.1
Leistungen beim Nachsprechen von Sätzen und Behaltensleistungen in Abhängigkeit
von
der
Clusterzugehörigkeit
3.2
Zusammenhangsmuster zwischen sprachspezifischen und sprachunspezifischen
Leistungen
in Abhängigkeit vom
Sprachentwicklungsstand
3.3
Beziehungen zwischen sprachspezifischen und sprachunspezifischen Leistungen in
Abhängigkeit
unterschiedlicher Gruppen
sprachentwicklungsgestörter und sprachunauffälliger Grundschüler
3.4 Vergleiche
zwischen sprachentwicklungsgestörten und leistungsparallelisierten sprachunauffälligen
Kindern
3.4.1
Nach Gedächtnisleistungen parallelisierte sprachentwicklungsgestörte und
sprachunauffällige Kinder
3.4.2
Vergleich der Leistungen der nach der Nachsprechleistung parallelisierten
sprachentwicklungsgestörten und sprachunauffälligen Kindern
4. Diskussion
4.1 „Phonologische Schleife", „Skizzenblock" und Spezifische Sprachentwicklungsstörung
4.2
Beziehungen zwiscehn Behaltensleistungen und Leistungen beim Nachsprechen von Sätzen
in
Abhängigkeit von
homogeneren Teilgruppen sprachentwicklungsgestörter und sprachunauffälliger
Kinder
4.3 Zur Suche nach ätiologischen Faktoren der Spezifischen Sprachentwicklungsstörung
4.4 Allgemeine Überlegungen zum Zusammenhang von Arbeitsgedächtnis und Sprachlernen
Anhang: Sätze der Aufgabe "Nachsprechen von Sätzen"
Ziele der vorliegenden Untersuchung sind (a) die Analyse der Beziehungen zwischen sprachlichen Leistungen und (b) die Suche nach ätiologischen Faktoren der spezifischen Sprachentwicklungsstörungen. Die Behaltens- und Sprachleistungen von 100 sprachentwicklungsgestörten Erst- bis Neuntklässlern und 53 sprachunauffälligen Erst- bis Viertklässlern werden verglichen und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Leistungen in Abhängigkeit von Teilgruppen der Kinder analysiert. Des weiteren werden die Leistungen von verschiedenen Gruppen sprachentwicklungsgestörter und sprachunauffälliger Kinder verglichen, die aufgrund von Sprach- und von Behaltensleistungen parallelisiert sind. Indikator für die Sprachleistung sind die Leistungen beim Nachsprechen von Sätzen. Als Indikatoren für die Behaltensleistungen gelten die Leistungen bei der unmittelbaren Verarbeitung von auditiven und visuellen Informationen. Bei der auditiven Verarbeitung werden dabei verschiedene Inhalte vorgegeben: Wörter, Zahlen und Rhythmen.
Auf dem Hintergrund bisheriger Ergebnisse wird angenommen: (a) Bei sprachentwicklungsgestörten Kindern ist nur die Verarbeitung auditiver Informationen defizitär. Bei der Verarbeitung visueller Informationen treten zwischen sprachentwicklungsauffälligen und sprachunauffälligen Kindern keine Unterschiede auf. (b) Die Heterogenität des Störungsbildes "Spezifische Sprachentwicklungsstörung" ist durch Teilgruppen zu reduzieren. Die Leistungen der Teilgruppen sprechen für verschiedene Bedingungsgefüge der Sprachentwicklungsstörung.
Die Ergebnisse bestätigen die
Annahmen:
Bei allen Leistungen, bei denen die "phonologische Schleife" (im Sinne des Arbeitsgedächtnismodells von Baddeley) beteiligt sein muß, ergeben sich signifikante Unterschiede zwischen den von uns aufgefundenen fünf Gruppen sprachentwicklungsgestörter und sprachunauffälliger Kinder, nicht aber bei der Behaltensleistung von räumlich-visuellen Informationen.
In Abhängigkeit von den Teilgruppen der sprachentwicklungsgestörten Kinder variieren die Beziehungsstrukturen: Die Sprach- und die Behaltensleistungen kovariieren nicht in gleichem Maße bei allen Gruppen, so korrelieren beispielsweise rhythmische Fähigkeiten nur bei Teilgruppen der Kinder mit den sprachlichen Leistungen.
Der Vergleich der nach der Sprachleistung parallelisierten sprachentwicklungsgestörten und sprachunauffälligen Kinder zeigt, daß die auditive Speicherkapazität ein Kandidat für einen Kausalfaktor für eine Sprachentwicklungsstörung ist.
Eine geringe visuelle Verarbeitungskapazität geht mit verstärkten Sprachdefiziten bei sprachentwicklungsgestörten Kindern einher. Sie reduziert eine wichtige Kompensationsmöglichkeit.
The aim of our study was to analyse the relationships between linguistic abilities and to search for etiological factors of specific language impairment.
100 specific language impaired (SLI) first to 9th graders and 53 non-impaired (NI) first to 4th graders received several language and memory tasks. The performance of both groups was compared and it was investigated if the relationships between the performances varied according to different subgroups.
Furthermore, we compared the performance of several groups of SLI and NI children matched on performance on language or memory tasks, respectively.
The score obtained on a sentence repetition task was used as marker for language skills. Tasks allowing the assessment of immediate memory for visual and auditory material were used as indicators for memory skills. The material presented auditorily consisted of words, numbers and rhythms.
In line with earlier results we assumed that (a) SLI children have deficits in auditory information processing, but aren't poorer at tasks requiring visual information processing. (b) The group of SLI children has to be divided into several subgroups associated with different etiological factors.
The results of the study confirm our hypotheses:
The scores of the five subgroups of SLI and NI children found differ significantly when the tasks require adequate functioning of the phonological loop (see Baddeley's working memory model). The scores of the tasks testing visual memory don't differ.
The relationships between the performances vary according to the SLI subgroup chosen. For example: rhythmic and linguistic abilities correlate only in several subgroups.
The comparison of the scores of the SLI and the NI children matched on performance on a linguistic task shows that impairments of the phonological short-term memory may play a central role in causing the language problems of SLI children.
Deficits in visual information processing increase the linguistic deficits of SLI children. They impede the compensation of deficits in auditory information processing by using visual information.
1.1.1 Generalität oder Spezifität der Spracherwerbsstörung?
Vor allem durch die neuen bildgebenden Verfahren1 mehren sich die Anzeichen, daß nach erfolgtem Spracherwerb eng umgrenzte spezifische Hirnareale für bestimmte sprachliche Funktionen zuständig sind (vgl. u.a. Friederici, 1996a, 1996b; Kandel, 19962; Tzourio, Heim, Zilbovicius, Gerard & Mazoyer, 1994; Warnke, 1990). In Folge dieser neuen Einsichten hat man untersucht, ob bei Kindern mit einer Spezifischen Sprachentwicklungsstörung3 (wir verwenden im folgenden die engl. Abkürzung SLI zur Kennzeichnung dieser Störung und sprechen von SLI-Kindern) neurophysiologische Beeinträchtigungen in einem dieser Hirnareale (vgl. u.a. Njiokiktjien, 1983, 1990) bzw. allgemein verspätete Hirnreifeprozesse (Locke, 1994) auftreten oder eine spezifisch genetische Ursache für eine modular begrenzte Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit anzunehmen ist (Gopnik, 1990a; Rice & Wexler, 1996). Untersucht wurden Fragen der Lateralisierung und abweichenden Hemisphärendominanz (Bishop, 1990; Tzourio et al., 1994), die Auswirkungen des bei den Geschlechtern unterschiedlichen hormonalen Milieus auf die Vernetzung von Gehirnarealen (Neville, 1995), Fragen der Heredität (Fall- und Familienstudien von Gopnik, 1990b; Gopnik & Crago 1991; sowie Gruppenuntersuchungen von Tallal, Ross & Curtiss, 1989a, 1989b; Tomblin, 1989; zu einem Überblick vgl. auch Crago & Gopnik, 1994).
Die neuen Erkenntnisse schließen jedoch nicht aus, daß bei SLI-Kindern basale informationsverarbeitende Strukturen und Prozesse beeinträchtigt sind. Durch die beobachteten, zumindest korrespondierenden Defizite in nichtsprachspezifischen Bereichen4 ist es eher unwahrscheinlich, daß eine modularisierte Sprachfunktion eine Störung dieser nichtsprachlichen Bereiche bewirkt. Zwingender erscheint uns die Annahme, daß eine bereichsunspezifische Störung Auswirkungen auf die Entwicklung sprachlicher Fertigkeiten, oder anders formuliert auf einzelne `Module' zeitigt. Insofern wird unseres Erachtens eine Sprachentwicklungsstörung nicht eine rein sprachliche Beeinträchtigung sein, wie dies in (psycho-)linguistischen Ansätzen Chomskyscher Provenienz angenommen wird (z.B. Clahsen, Bartke & Göllner, 1997; van der Lely, 1995; van der Lely & Howard, 1993; van der Lely & Stollwerck, 1996). Die festgestellten korrespondierenden Defizite in nichtsprachspezifischen Bereichen haben im Gegenteil eher dazu geführt, daß man heute von einer Heterogenität der Symptomatik ausgeht (siehe Leonard, 1993) und unterschiedliche Bedingungsfaktoren aus Wahrnehmungs-, Kognitions- und Sprachbereichen beim Zustandekommen der Störung bzw. der Störungsformen annimmt (vgl. auch Deutsch, 1993). Den festgestellten sprachlichen Defiziten liegen vermutlich verschiedene Bedingungsgefüge zugrunde, die alle mit dem Namen „Spezifische Sprachentwicklungsstörung" etikettiert werden.
Die Annahme einer Störung basaler, und zwar auditiver Informationsverarbeitungsprozesse kann zumindest bei einem Teil der mit dem Etikett „Spezifische Sprachentwicklungsstörung" versehenen Kindern zur Erklärung des Bedingungsgefüges herangezogen werden. Eine solche Annahme erfordert, bei der Suche, Analyse und Erklärung der Bedingungsfaktoren nicht nur sprachliche Leistungen zu beobachten, sondern (trivialerweise) ebenfalls andere Wissensbereiche aus Kognition, Wahrnehmung und Gedächtnis in die Untersuchungen einzubeziehen. Die Verarbeitung sprachlicher Informationen (dies gilt auch für sprachbereichsspezifische Verarbeitungsprozesse) ist danach eingebunden in simultan und sukzessiv ablaufende sprachunspezifische Informationsverarbeitungsprozesse, die in Abhängigkeit von den Leistungen der Prozesse bzw. der Leistungsfähigkeit der Strukturen unterschiedlich erfolgreich gelingen.
Selbst die Annahme eines „Sprachinstinktes" (Pinker, 1996)5 und damit sprach-spezifischer Strukturen und Prozesse läßt nach unserer Auffassung intakte sprachunspezifische Informationsverarbeitungsprozesse weder für den unauffälligen noch für den auffälligen Spracherwerb überflüssig werden, denn solche Strukturen und Prozesse werden bei der Rezeption und der Produktion benötigt und sind eine Grundlage zum Aufbau sprachlichen Könnens.6 Unseres Erachtens ist eher unwahrscheinlich, daß solche spezifischen Module biologisch vorgegeben sind und nur noch ausreifen müssen, da damit die Flexibilität, d.h. die Anpassungsmöglichkeiten des Menschen eingeschränkt würden. Für wahrscheinlicher halten wir angeborene Voraussetzungen zur Konstruktion solcher modularer Strukturen als Ergebnisse von Lern- und Reifungsprozessen. Der Mensch verfügt über sehr mächtige Wahrnehmungs- und Lernmöglichkeiten. Bereits pränatal werden lautliche Aspekte der „Mutter"-Sprache gespeichert, denn bei Geburt können die Kinder bereits die Sprache der Mutter von der Sprache anderer und die Muttersprache von anderen Sprachen diskriminieren (siehe u.a. Mehler, Jusczyk, Lambertz, Halsted, Bertoncini & Amiel-Tison, 1988; Jusczyk, Friederici, Wessels, Svenkerud & Jusczyk, 1993; zsf. Jusczyk, 1997). Eine solche pränatal bereits zumindest rudimentär vorhandene und sich entwickelnde Diskriminationsfähigkeit, eine erstaunliche Leistungsfähigkeit der Unterscheidungs-, Vergleichs- und Abstraktionsprozeduren, läßt es überflüssig erscheinen, angeborene syntaktische Strukturen zu postulieren. Laut Reimann besteht „die hereditäre Komponente der für den Spracherwerb notwendigen Bedingungen [...] aus einer allgemeinen Sensitivität für die Erkennung von Invarianten in zeitlich gestreckten Wahrnehmungsereignissen" (1996, S. 353). Eine Bedingung für sukzessive Invarianzbildungen ist die Fähigkeit zur Ausbildung von Speicherkapazität, bis diese Invarianzen auf einem abstrakteren Ordnungsniveau zusammengefaßt werden (vgl. Reber, 1993; Perrig, 1990).
Neben Annahmen über die Bedingungen einer biologische Determiniertheit von Sprache (das „Was") ist vor allem der methodologische Kern des Organmodells (das „Wie") uneindeutig. Herrmann (1997, S. 15ff.) weist zu Recht darauf hin, daß empirische Studien zu nativistischen Annahmen nicht etwa die postulierte Kompetenz eines idealen Sprechers/Hörers messen, sondern Performanzphänomene, von denen unklar bleiben muß, inwieweit sie als Eigenschaften der Sprachkompetenz ausgewiesen werden können. Der nativistische „Sprachessentialismus" hat sprachliche Universalien zur Grundlage (vgl. Chomsky, 1981, 1996), bei dem Lernprozesse eine untergeordnete Rolle einnehmen. Einzelne Parameter der in der Universalgrammatik spezifizierten Prinzipien werden beim Spracherwerb lediglich besetzt („getriggert"). Verbindungen zu anderen kognitiven Systemen werden lediglich als ein Schnittstellenmanagement zwischen den einzelnen modularen kognitiven Systemen betrachtet (vgl. Grewendorf, 1995).
Chomsky zufolge besteht das sprachliche Regelsystem aus der phonetischen Form und einem Regelinventar zur Erzeugung syntaktischer Strukturen, das den Lautstrom formal interpretiert (d.i. die logische Form, vgl. Chomsky, 1981). Empirisch wurde bisher nicht ausgewiesen, daß die Interpretation der phonetischen Form durch eine logische Form psychisch real ist (die zudem auf einer Parametrisierung während des Spracherwerbs basiert). Zwar wurde die logische Form mit der Modularitätsthese auf die gehirnphysiologische Ausstattung eines (idealen) Sprechers zurückgeführt. Diese Grundannahme ist jedoch axiomatisch gesetzt, da die beiden zentralen Postulate: (1) die Interpretation der phonetischen Form ausschließlich durch eine logische Form, die syntaktische Regeln enthält, und (2) die Identität der logischen Form mit der gehirnphysiologischen Ausstattung zum gegenwärtigen Zeitpunkt empirisch nicht überprüft werden können. Nativistische Ansätze arbeiten mit einer starken Hypothek auf zukünftige Forschungen und sind mit dem nomologischen Ansatz der Sprachpsychologie nicht ohne weiteres kompatibel (unabhängig von weiteren Inkompatibilitäten, vgl. Herrmann, 1997; Kany & Waller, 1995).7 Entsprechend beurteilt Stetter das nativistische Forschungsprogramm im Sinne einer „Paradoxie eines empirischen Programms mit gleichsam transzendentalen Anspruch" (1996, S. 440). Die heuristischen Lasten der Psycholinguistik bestehen im Vorgriff auf die Biologie.
Was für Linguisten zu den Stärken eines nativistischen Ansatzes zählt, ist innerhalb der Sprachpsychologie eher als Schwäche aufzufassen. Chomskys Wissens-Begriff mag linguistisch wohlüberlegt sein, psychologisch dürfte er kaum haltbar sein.8 Die Problematik des Wissensbegriffs für die Linguistik mag einer Formulierung von Grewendorf entnommen werden: „Auf sprachliches Wissen bezogen läßt sich Platons Problem daher in der folgenden Weise psychologisch beantworten: Grammatikerwerb ist nur vor dem Hintergrund einer genetischen Fundierung möglich" (1995, S. 114). In dieser Betrachtungsweise wäre die Sprachpsychologie eine Hilfswissenschaft der Genetik, ohne daß sie die Möglichkeit eines eigenständigen Paradigmas hätte. Sprachliches Wissen wäre das Ergebnis eines genetischen Prozesses und deshalb von anderen kognitiven Fähigkeiten wie Informationsverarbeitung oder Verhalten zu trennen (Pinker, 1996, S. 21).
Es ist wiederholt untersucht worden, ob Beeinträchtigungen und Asynchronien im auditiven Bereich bzw. bei der auditiven Verarbeitung sprachlicher Informationen als mitbedingend für die Spezifische Sprachentwicklungsstörung angenommen werden können (zu einem immer noch lesenswerten Überblick vgl. Cromer, 1978). Die in diesen Untersuchungen entwickelten Hypothesen reichen von der Postulierung (1) einer Wahrnehmungsschwäche bzw. mangelnder phonologischer Trennschärfe (u.a. Oetting & Horohov, 1997, p. 72ff., die von Prozeß-Begrenzungen sprechen), (2) über die Annahme einer mangelnden Nutzung rhythmisch-intonatorischer Aspekte der Sprache (u.a. Weinert, 1991, 1996), (3) der Annahme einer Beeinträchtigung beim Herstellen einer zeitlichen Abfolge (u.a. Tallal, 1980), bis zu (4) der Annahme einer eingeschränkten Merkspanne für auditiv dargebotene Informationen, wobei entweder ein gestörtes Speicher-System für Sprachsignale (vgl. bereits Eisenson, 1968) angenommen wird, oder Probleme bei der Speicherkapazität (vgl. bereits Stark, Poppen & May, 1967) postuliert werden (zu Überblicksreferaten über Erklärungsansätze siehe auch Bishop, 1992; Kamhi, 1993).
Bei der folgenden kurzen Diskussion auditiver Voraussetzungen des Sprachlernens und der möglichen Störungen möchten wir uns zunächst auf die ersten drei Erklärungsansätze beziehen, da sie wichtige zugrundeliegende Strukturen und/oder Prozesse thematisieren (wobei die Sprachentwicklungsstörung jeweils auf unterschiedlichen Aggregierungsebenen betrachtet wird). Anschließend werden wir ausführlicher über die Annahme einer eingeschränkten Merkspanne bzw. eines eingeschränkten Arbeitsgedächtnisses referieren.
Zur Wahrnehmungsschwäche bzw. mangelhaften phonologischen Trennschärfe. Die Fähigkeit zur Lautdiskriminierung ist eine Voraussetzung des Sprachlernens (vgl. z.B. Reimann, 1996), denn um Unterschiede zwischen Schallereignissen erkennen und in ihrer sprachlichen Relevanz einordnen zu können, benötigt man diskriminative Fähigkeiten. Leonard und Mitarbeiter (Leonard, 1995; Leonard, Bortolini, Caselli, McGregor & Sabbadini, 1992; Leonard, McGregor & Allen, 1992; Leonard, Sabbadini, Leonhard & Volterra, 1987; Leonard, Sabbadini, Volterra & Leonard, 1987) postulieren ein Defizit für SLI-Kinder im Bereich dieser Diskriminationsfähigkeit. Die Autoren nehmen an, daß spezifisch sprachentwicklungsgestörte Kinder bestimmte, bedeutungsrelevante Positionen in Wörtern (dies betrifft vorwiegend die Endpositionen, siehe z.B. im Deutschen das `schwa') nicht wahrnehmen können (sog. Oberflächen-Defizit). An bestimmten, im Sprechen verschliffenen Stellen sei die Artikulation morpho-syntaktischer Merkmale in der Sprache der Erwachsenen schwach ausgeprägt, an diesen Stellen bildeten die spezifisch sprachentwicklungsgestörten Kinder aus dem für sie unzulänglichen sprachlichen Input keine angemessene Repräsentation aus.
In mehreren sprachvergleichenden Studien mit englisch-, italienisch- und hebräischsprechenden SLI-Kindern fanden die Autoren Hinweise, die ihre Thesen unterstützen konnten (u.a. Leonard et al., 1987). Hebräisch ist eine stark flektierende Sprache, wobei sich die grammatischen Morpheme in Hinblick auf die Hörbarkeit (perceptual salience) stark unterscheiden. Hebräischsprachige spezifisch sprachentwicklungsgestörte Kinder verwenden entsprechend den Bedingungen der Hörbarkeit unbetonte Morpheme signifikant seltener als sprachunauffällige Kinder. Bei betonten Morphemen dagegen waren zwischen SLI-Kindern und sprachunauffälligen Kindern bei der Verwendung der Morpheme keine signifikanten Unterschiede festzustellen. In einer weiteren Untersuchung stellten Dromi, Leonard und Shteimann (1993) allerdings fest, daß hebräischsprachige spezifisch sprachentwicklungsgestörte Kinder grammatische Markierungen9 nicht nur dann weniger gut beherrschen, wenn sie unbetont sind, sondern auch dann, wenn die Position der Morpheme im Satz redundant ist. Semantisch korrelierte Morpheme werden hingegen besser beherrscht.10
Nach Leonard und Mitarbeitern unterscheidet sich das Sprachlernen bei spezifisch sprachentwicklungsgestörten Kindern nicht grundsätzlich von demjenigen sprachunauffälliger Kinder. Es laufen bei beiden Gruppen dieselben Paradigmenbildungen sensu Pinker (1984) ab.
Der Unterschied liegt allein darin, daß die prozessualen Beschränkungen der SLI-Kinder den Aufbau sprachlicher Regularitäten verlustanfälliger für bestimmte Formen machen. Die mangelhafte Wahrnehmung, Verarbeitung und Regelbildung - besonders von unbetonten, semantisch eher unbestimmten morphologischen Formen - führt zu einer partiell rudimentären Repräsentation von Sprache (vgl. auch Leonard, 1994). Diese, so können wir mit unseren Ergebnissen hinzufügen (Kratzer & Schöler, 1992), äußert sich nicht unbedingt im vollständigen Fehlen bestimmter Markierungen, sondern in einer geringeren Auftretenshäufigkeit und einer partiell inkorrekten morpho-syntaktischen Kontextualisierung der eingesetzten Formen.
Zur mangelnden Nutzung von Rhythmus und Intonation. Arbeiten zur Hypothese einer intonatorisch-rhythmischen Schwäche bei spezifisch sprachentwicklungsgestörten Kindern betonen, daß diese die rhythmisch-intonatorischen Hinweise im Sprachangebot nicht hinreichend nutzen. Weinert (1991, 1996) stellt fest, daß bei spezifisch sprachentwicklungsgestörten Kindern die Fähigkeiten, Rhythmen zu diskriminieren und rhythmisch-prosodische Informationen aus dem Sprachangebot zu dessen Segmentierung zu nutzen, mit der grammatischen Kompetenz interagieren. In Anlehnung an Rebers Modell impliziten Lernens (1989) nimmt sie an, daß das inzidentelle, datengesteuerte Erlernen der Sprache bei spezifisch sprachentwicklungsgestörten Kindern aufgrund der fehlenden Nutzung der intonatorischen Hinweise im Sprachangebot defizitär bleibt. Weinert gibt allerdings nicht an, bis zu welchem Alter Kinder tatsächlich prosodische Informationen zum (impliziten) Sprachlernen nutzen. Zumindest ist zu vermuten, daß die Nutzung prosodischer Informationen zum Aufbau impliziten sprachlichen Wissens nicht in jeder Entwicklungsphase effektiv genug für das sprachlernende Kind ist.11 Bei einem Säugling oder Kleinkind ist die Annahme einer Beachtung allgemeiner prosodischer Informationen möglicherweise sinnvoller als bei einem Kind, das mit den Grundstrukturen der Zielsprache bereits vertraut ist. Ab einem bestimmten Differenzierungsgrad werden möglicherweise morpho-syntaktische Aspekte in den Fokus der Aufmerksamkeit treten, die relativ unabhängig von intonatorischen Aspekten der Sprache geworden sind. Wir kommen darauf zurück.
Beeinträchtigungen beim Herstellen einer zeitlichen Ordnung. Die Annahme einer Störung der Bildung von zeitlichen Sequenzen haben u.a. Tallal und Piercy (1973a, 1973b, 1974, 1975) untersucht. Die Ergebnisse zeigen, daß sprachentwicklungsgestörte Kinder überdurchschnittlich mehr Zeit zur Verarbeitung von sprachlichen Reizen benötigen. Tallal und ihre Mitarbeiter folgerten, daß sich diese Verarbeitungseinschränkung auf die Analyse der Information, die in raschen Formantenveränderungen enthalten ist, erstreckt, die in (dies träfe besonders auf bestimmte Konsonanten zu) und von der Sprechgeschwindigkeit unabhängig ist.
An der These einer Diskriminationsschwäche der SLI-Kinder bei der zeitlichen Abfolge von schnell dargebotenen Stimuli ist kritisiert worden, daß dabei sprachunspezifische Aufgaben abgefragt werden und die Auswirkungen einer möglichen allgemeinen neuropsychologischen Störung auf die sprachlichen Fertigkeiten nicht erfaßt wird (vgl. zur Kritik auch den Überblick bei Weinert, 1991). Tallal und Mitarbeiter haben daraufhin untersucht, inwieweit sich die Ergebnisse für die phonematische Wahrnehmung replizieren lassen und festgestellt, daß die Diskriminationsschwäche nur bei einer Teilgruppe der SLI-Kinder gefunden werden konnte und nur bei zeitlich kurzen phonemischen Einheiten auftritt (vgl. Tallal, 1980). Tallal, Curtiss und Kaplan kommen aber zu dem Schluß: "It is not clear, for example, whether basic perception, production, or cognitive mechanisms subserve language development or are prerequisites to language or whether language develops parallel to the development of [...] these neuropsychological functions" (1989, S. 101; vgl. zur allgemeinen Diskussion des Einflusses des Arbeitsgedächtnisses auf das Sprachverstehen und die Satzverarbeitung Caplan & Walters, 1990; Martin, 1990).
In neueren gedächtnispsychologischen Arbeiten wird angenommen, daß kurzzeitiges Behalten nicht nur mit der Annahme eines kapazitätsbegrenzten Kurzzeitgedächtnisses sondern - möglicherweise - zutreffender mit der Annahme eines Arbeitsgedächtnisses erklärt werden kann. (Baddeley, 1997). Nach Baddeley enthält das Arbeitsgedächtnis mehrere Subsysteme. Für die Verarbeitung der uns interessierenden auditiven Informationen werden zwei getrennte Komponenten angenommen: ein phonologischer Speicher und ein artikulatorischer Kontrollprozeß.
In einer Studie haben Gathercole und Baddeley (1990; kritisch diskutiert von van der Lely & Howard, 1993; vgl. auch die Replik bei Adams & Gathercole, 1996)12 festgestellt, daß sprachliche Leistungen von SLI-Kindern von der Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses abhängen. Bei diesen Kindern scheint die Fähigkeit, angemessene phonologische Repräsentationen im Arbeitsgedächtnis aufzubauen und zu halten, beeinträchtigt zu sein, wobei Strategiedefizite, wie mangelhafte Wiederholungsstrategien (rehearsal) ausgeschlossen werden. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis: "It seems that the ease of learning is influenced by the adequacy of the representation in the temporary phonological memory system" (Gathercole & Baddeley, 1993, p. 71). Die Autoren postulieren Probleme bei der Verarbeitung akustischer Informationen, besonders der mentalen Repräsentation phonologischer Ketten im phonologischen Speicher, was auf lange Sicht zu einer weniger angemessenen Erinnerungsspur führen könnte.
An der Annahme eines generellen Gedächtnisdefizits hat Weinert (1991, S. 73f.) kritisiert, daß unklar bleibt, worin die Probleme bei einer Postulierung einer allgemeinen Kapazitätsbeschränkung im Detail bestehen und ob sie struktureller oder prozeduraler Art sind. Die Annahme würde weitere Einflußfaktoren wie Geschwindigkeit, Enkodierung und Verfügbarhaltung nicht berücksichtigen (können). In einer neueren Studie kommt Weinert (1996) zu dem Ergebnis, daß die Annahme von Gedächtnisdefiziten allein nicht hinreichend zur Erklärung der Spracherwerbsstörung ist. Zwar weisen SLI-Kinder laut Weinert eine eingeschränkte Gedächtnisspanne auf, doch fand die Autorin bei einer Parallelisierung anhand der Merkspannen bei SLI- und sprachunauffälligen Kindern signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen nur bei der Wiedergabe prosodisch strukturierter Sätze, nicht aber bei der Wiedergabe von monotonen Wortfolgen.13 Aus diesem Ergebnis schließt Weinert, daß zusätzlich ein Defizit angenommen werden muß, daß die Sprachentwicklungsstörung ursächlich (mit)bedingt: die mangelnde Nutzung prosodischer Informationen.
Weinert trennt in ihrer Studie jedoch nicht zwischen phonologischem Speicher und artikulatorischem Kontrollprozeß, wodurch allein die Nutzung prosodischer Informationen zur Erklärung der Sprachauffälligkeit herangezogen wird. Tatsächlich werden zur Verarbeitung sprachlicher Informationen jedoch mehr als nur prosodische Aspekte der Sprache genutzt. Darauf weisen zahlreiche Arbeiten hin, die die starke Interaktion von Phonologie und syntaktischer Verarbeitung betonen.14 Prosodie ist eng an die morpho-syntaktische und semantische Verarbeitung gekoppelt (eine isolierte Verarbeitung von ausschließlich prosodischen Informationen würde kaum zu einem Verständnis des Gehörten führen können). Auch wenn also wie in der Untersuchung von Weinert SLI-Kinder bei vergleichbarer Merkspanne Defizite im Vergleich zu sprachunauffälligen Kindern zeigen, ist die Annahme eines defizitären Arbeitsspeichers noch nicht ausgeschlossen. An welcher Stelle außerhalb eines Arbeitsspeichers sollen prosodische Informationen verarbeitet werden? Für Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren ist anzunehmen, daß der artikulatorische Kontrollprozeß beim Nachsprechen bereits eine wichtige Rolle spielt. Man kann zusätzlich annehmen, daß der Kontrollprozeß nicht unabhängig vom erlernten sprachlichen Wissen arbeitet. Eine Parallelisierung spezifisch sprachentwicklungsgestörter und sprachunauffälliger Kinder nur nach Kurzzeitgedächtnis-Leistungen läßt keinen direkten Vergleich der Gruppen zu, da nicht auszuschließen ist, daß sprachliche Informationen qualitativ anders verarbeitet werden und sich Unterschiede bei der Wiedergabe von prosodisch strukturierten Sätzen durch den artikulatorischen Kontrollprozeß ergeben, welcher bei monotonen Wortfolgen sicherlich keine Gruppierungsfunktion übernehmen kann. Im Sinne des Arbeitsgedächtnismodells von Baddeley sind alle an der Verarbeitung von sprachlichen Informationen beteiligten Subsysteme des Arbeitsgedächtnisses auf ihren möglichen (mit-) bedingenden Einfluß auf die spezifische Sprachentwicklungsstörung zu überprüfen.
Um die Nutzung prosodischer Informationen abbilden zu können, erweitert Frankish (1996) das Modell des Arbeitsgedächtnisses durch einen zusätzlichen modalitätsspezifischen Speicher. Er schlägt ein auditorisches Subsystem in Form eines akustischen Speichers vor, in dem prosodische Informationen zur Steigerung der Effektivität des Arbeitsgedächtnisses genutzt werden können (vgl. auch Frankish, 1995). Evidenz für eine solche Annahme kann der Arbeit von Helfrich (1984) entnommen werden, wonach die Intonationskontur eines gehörten Satzes (auditorisch) länger präsent ist als die Sprachlaute.15 Zusätzlich zu einem möglichen Defizit in der phonologischen Schleife (Hasselhorn & Körner, 1997) wäre also auch zu prüfen, ob es Hinweise für ein Defizit des prosodischen Subsystem des Arbeitsgedächtnisses gibt.
Der modalitätsspezifische Speicher dient dem Behalten der akustischen Merkmale des Gehörten ebenso wie seiner suprasegmentalen Spezifizierung (Gruppierungsfunktion). Die Untersuchungen zum Sprachverständnis mit einer sogenannten Sinuskurvensprache weisen aber eher darauf hin, daß das Erkennen phonologischer Informationen von Verarbeitungsprozessen abhängt und nicht von einem separat zur Verfügung stehenden Speicher. Remez, Rubin, Pisoni und Carell (1981, zitiert nach Pinker, 1996, S. 183f.) gaben ihren Versuchspersonen Töne vor, die mit den physikalischen Eigenschaften der Sprache nichts gemeinsam hatten, aber der Intonationskontur des Satzes „Where were you a year ago?" ähnlich waren. Sprachliche Einheiten haben die Versuchspersonen nur zu hören/wiedergegeben gemeint, wenn sie die Instruktion erhielten, daß die akustische Kette von einem Sprachsyntheziser produziert wurde, nicht aber, wenn ihnen gesagt wurde, daß es sich um Geräusche handelt. Dieses Ergebnis spricht für aufmerksamkeitsgesteuerte Verarbeitungsroutinen, die ein- oder ausgeschaltet werden, und die nach dem Modell von Baddeley (1997) von der zentralen Exekutive eingeleitet werden.
In einer früheren Studie haben wir in Übereinstimmung mit dem Gedächtnismodell von Engelkamp (1990) angenommen, daß eine begrenzte Merkspanne dazu führt, daß spezifisch sprachentwicklungsgestörte Kinder nicht genügend Informationen aus dem sprachlichen Input enkodieren können, um zu einem ähnlichen sprachlichen Können zu gelangen wie sprachunauffällige Kinder (Schöler, Fromm, Jeutner & Kürsten, 1994).16 Da der Lautstrom im Vergleich mit sprachunauffälligen Kindern für kürzere Zeitdauer im auditiven Subsystem behalten wird und die Verarbeitung defizitär bleibt, werden spezifisch sprachentwicklungsgestörte Kinder entsprechend keine beständigen impliziten Regeln aus dem Input bilden bzw. solche Regeln nicht vollständig erlernen können, die die Zielsprache partiell erfassen könnten. Die impliziten Regelbildungen des gestörten Sprachlernens sind reduzierter als im unauffälligen Spracherwerb (z.B. kommen kaum Erweiterungen der Nominalphrasen durch Adjektive vor) und uneindeutig in Hinblick auf die morphologischen Informationen der Zielsprache. Da den spezifisch sprachentwicklungsgestörten Kindern die einzelnen Sätze, sobald sie ihre Merkspanne übersteigen, nur noch rudimentär und nicht in ihrer jeweiligen Gesamtheit für die Verarbeitung zur Verfügung stehen, können sie komplexere Regeln zum Verständnis eines Satzes besonders im semantisch eher unbestimmten morphosyntaktischen Bereich der Subjekt-Verb-Kongruenz und des Flexionsparadigmas für Artikel und Nominalphrasen nicht ausbilden bzw. müssen diese auf umständlichem Weg im Verlauf ihrer Entwicklung nachholen. Diese Auffassung stimmt mit den Befunden von Gathercole und Baddeley überein, die folgende Schlußfolgerung ziehen: „Our proposal is that phonological memory makes an important contribution to the development of many complex linguistic abilities in children, and that disordered language development may be a relatively direct consequence of phonological memory impairments" (1990, p. 358).
Vor dem Hintergrund der oben geführten Diskussion nehmen wir heute an, daß zusätzlich zu der Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses auch die Verarbeitungsprozesse zur Untersuchung der spezifischen Sprachentwicklungsstörung herangezogen werden müssen. Das Kind lernt Sprache vor dem Hintergrund der neurophysiologischen Ausstattung: Ist die Merkspanne zu kurz, um aus dem Gehörten vollständige Regeln zur Produktion von Sprache abzuleiten, wird die Repräsentation von Sprache defizitär bleiben (vgl. Johnston, 1994). Romani (1994) spricht davon, daß der phonologische Speicher die Funktion eines „look-ahead windows" haben kann, bei dem eine Kette von Wörtern der simultanen Verarbeitung zur Verfügung steht. Je kleiner diese Kette ist, desto schwieriger wird es für das Kind sein, Bildungsregeln für die Einheiten eines Satzes oder ganze Sätze implizit abzuleiten und aufzubauen. Vor allem jene Bildungsregeln werden betroffen sein, die bei der Verarbeitung besonders viel Aufmerksamkeit und Kapazität brauchen und/oder an den Schaltstellen der Satzeinheiten fungieren. Betroffen sind also Bildungsregeln, die (innerhalb einer Verarbeitungshierarchie) unterhalb der kleinsten möglichen Einheiten liegen (Erweiterung von Phrasen, Nebensatzeinbettungen und -anschlüsse, Präpositionalphrasen) und Positionen, an denen die Satzverhältnisse innersprachlich geregelt werden. Diese `unsichtbaren' Bildungsregeln haben wir in einer früheren Studien als „innersprachlich motivierte Formen" gekennzeichnet (Schöler et al., 1991).17 Dabei handelt es sich um Formen, die Beziehungen abbilden, die vom sprachlich-strukturellen System bestimmt sind. Damit sind morpho-syntaktische Markierungen gemeint, die Kombinationsmöglichkeiten bei Phrasenerweiterungen, Einbettungen oder Anschlüssen von Nebensätzen sowie Erweiterungen von einfachen Hauptsätzen durch Präpositionalphrasen regeln. „Außersprachlich motivierte" Formen nennen wir im Gegensatz dazu jene Formen, die auf außersprachliche Gegebenheiten referieren und primär semantisch bestimmt sind. Sie können über eine Kongruenz zwischen Eigenschaften oder Relationen von Gegenständen/Sachverhalten und deren sprachlicher Markierung wahrgenommen werden (etwa beim Plural), wobei auch vom unauffälligen Sprachlernen abweichende Lernprozesse (Schöler & Lindner, 1990) zu einem (verspäteten) Erwerb dieser Formen führen können. „Innersprachlich motivierte" Formen sind vor dem Hintergrund der Abbildung von Konzepten in morphosyntaktische Zusammenhänge (vgl. Levelt, 1989; vgl. auch den Konzept-Begriff sensu Engelkamp, 1990) jene Bildungsregeln, die am weitesten entfernt sind von Konzepten. Die Ausbildung der „innersprachlich motivierten" Formen hängt wesentlich von den Leistungen des Arbeitsgedächtnisses ab, wobei wir hier vermuten, daß bei spezifisch sprachentwicklungsgestörten Kindern Generalisierungsprozeduren sensu Stemmer (1987) auf einer unvollständigen Materialbasis ablaufen.
Dabei, so nehmen wir an, liegen nicht etwa modulare Strukturen vor, sondern das Sprachlernen führt erst zu einer Modularisierung sprachlichen Wissens (vgl. Friederici, 1987, 1996a, 1996b). Zur optimalen Modularisierung des Sprachkönnens sind intakte Verarbeitungsprozesse und Speicherkapazitäten erforderlich. Ergebnis der Modularisierung ist eine effektive, automatisierte Verarbeitung von Äußerungen aufgrund implizit erlernter schematischer Strukturen.
Ein Beispiel für die Unterscheidung inner- und außersprachlich-motivierter Markierungen ist die Subordination von Nebensätzen. Die Konstruktion von Nebensätzen soll sprachauffälligen Kindern schwer fallen oder gar unmöglich sein (Weinert, 1991, S. 54). Außersprachlich ist die Motivation zum Nebensatzanschluß (Verbindung von Konzepten), innersprachlich motiviert ist Kasus und Genus z.B. des Relativpronomens. Ähnliches gilt für die Bildung von Präpositionalphrasen, die SLI-Kindern in besonderem Maße Probleme bereiten. Die Probleme liegen aber bei näherer Analyse der Produktionen und Reproduktionen nicht in den Konzepten, die ausgedrückt werden sollen, sondern bei der Bildung der Präposition (die eine Zwitterstellung zwischen Funktions- und Inhaltswort einnimmt) und vor allem bei der Flexion der den Nomen vorangestellten Artikeln und Adjektiven (vgl. u.a. Günther, 1981; Hay, 1985; Kegel, 1981; Kratzer & Schöler, 1992).
In einer neueren Arbeit unterscheiden Clahsen et al. (1997) in Anlehnung an Chomsky (1995) formale sprachliche Merkmale nach "intrinischen" und "optionalen" Merkmalen. Beide Gruppen sind wiederum danach unterteilt, ob sie semantisch interpretierbar sind oder nicht. Plural beispielsweise ist ein optionales Merkmal, das semantisch interpretierbar ist, das Null-Morphem und das Tempus des Verbs sind optional, aber nicht interpretierbar. "Intrinsische" und interpretierbare Merkmale sind Person und Genus, "intrinsisches" und nicht-interpretierbares Merkmal ist u.a. der Kasus. Ausgehend von dieser linguistischen Beschreibung nehmen Clahsen et al. an, daß bei SLI-Kindern besonders die optionalen, semantisch nicht-interpretierbaren Merkmale, die eine fehlende Subjekt-Verb-Kongruenz ausdrücken, zur Beschreibung der Sprachentwicklungsstörung herangezogen werden können. Interessanter für den Kontext dieser Arbeit halten wir jedoch die Unterscheidung von sprachlichen Merkmalen in semantisch interpretierbare und nicht-interpretierbare.18 DieseUnterscheidung ähnelt unserer Differenzierung in „inner-" und „außersprachlich-motivierter" Formen.
Das unmittelbare Wiederholen von akustisch vorgegebenen Sätzen fällt sprachentwicklungsgestörten Kindern schwerer als sprachunauffälligen (zu einem Überblick siehe Schöler, Fromm, Schakib-Ekbatan & Spohn, 1997). „Beim Nachsprechen eines vorgegebenen Satzes, der nicht papageienhaft imitiert werden kann, weil seine Länge über der unmittelbaren Gedächtnisspanne liegt, muß der Satz verstanden und auf der Grundlage des gegebenen sprach-lichstrukturellen Wissens rekonstruiert werden" (Schöler et al., 1997, S. 5). Zur Erfassung des sprachlichen Wissens spezifisch sprachentwicklungsgestörter Kinder betrachten wir neben dem Einsatz semantisch sinnvoller Sätze auch den Einsatz von Sätzen mit Kunstwörtern als sinnvoll. „Das Verstehen und die Rekonstruktion von Sätzen mit Kunstwörtern erfordert ausschließlich grammatisches Wissen. In unseren bisherigen Untersuchungen hatten wir zur Prüfung des sprachlichstrukturellen Wissens Sätze mit Kunstwörtern vorgegeben, deren (Re)konstruktion allein durch die Beachtung der grammatischen Markierungen möglich ist" (Schöler et al., 1997, S. 9). Die Ergebnisse zeigten, daß sprachentwicklungsgestörte Kinder auch bei der (Re)Produktion von Sätzen mit Kunstwörtern Schwierigkeiten haben und das selbst dann, wenn die Anzahl der Wörter nicht höher als sechs ist.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Mann, Shankweiler und Smith (1984) bei Kindern, die Schwierigkeiten beim Lesen haben. Die Autoren beobachteten bei der Untersuchung von 18 guten und 17 schlechten Lesern (Drittklässler) geringere Leistungen der schlechten Leser sowohl beim Satzverstehen als auch beim Nachsprechen von Sätzen. Die Fehler unterscheiden sich aber nur quantitativ, nicht qualitativ. Die Satzstruktur hatte keinen Einfluß, die schlechten Leser schienen die Wörter nicht so gut im Arbeitsgedächtnis halten zu können. Dieses Ergebnis brachte die Autoren zu der Annahme, daß phonetische Gedächtnisbegrenzungen die schlechteren Leistungen (mit)bedingen: „Thus a deficient capacity to form phonetic representations may limit the development of syntactic competence" (Mann, Shankweiler & Smith, 1984, p. 642).
Evidenz für eine relativ eigenständige Beeinträchtigung im phonologischen Speicher liefert eine Studie von Shelton, Martin und Yaffee (1992). Die Autoren versuchen die Relevanz verschiedener Verfahren zur Feststellung von Defiziten des Kurzzeitgedächtnisses und des sprachlichen Wissens aufzuzeigen. Sie weisen insbesondere auch darauf hin, daß eine geringe Gedächtnisspanne für Zahlen nicht unbedingt auf Aufmerksamkeitsprobleme hindeutet, sondern in besonderer Weise auch auf Kurzzeitgedächtnisprobleme und die damit verbundenen Verstehens- und Produktionsprobleme von sprachlichen Informationen. „There is some evidence that [...] poor performance on both components [the performance on forward and backward span] is more likely to be a strong indicator of a verbal short-term memory deficit" (Shelton et al., 1992, p. 131). Mit Blick auf das Nachsprechen schreiben sie: „However, it is clear that sentence repetition draws on a variety of verbal abilities including verbal short-term memory, and poor performance on this task may be indicative of a short-term memory deficit" (Shelton et al., 1992, p. 131). Für eine relativ eigenständige Beeinträchtigung des phonologischen Speichers spricht auch die Studie von Montgomery, Montgomery und Stephens (1978). Die Autoren zeigen, daß die Satzlänge einen entscheidenden Einfluß auf die Nachsprechleistung hat, was auf die Abhängigkeit vom Arbeitsgedächtnis hindeutet.19
Für das Nachsprechen oder Wiederholen von sinnvollen Sätzen haben Lombardi und Potter (1992) und Potter und Lombardi (1990) die These aufgestellt, daß im Kurzzeitgedächtnis keine direkte/unmittelbare Repräsentation von syntaktischen Merkmalen in Form von Phrasen, Einheiten von Wörtern, akustischen Sequenzen oder anderen Einheiten, die eine feste Wortfolge regeln können, erfolgt (vgl. Lombardi & Potter, 1992, p. 732). Sie gehen vielmehr davon aus, daß nach einer syntaktischen und semantischen Dekodierung lediglich Konzepte/lexikalisierte Einheiten im Kurzzeitgedächtnis behalten werden und beim Nachsprechen eine Reformulierung des gehörten Satzes stattfindet, bei der eine grammatische Rekodierung der Konzepte/lexikalischen Einheiten durchgeführt wird. Bei SLI-Kindern wird - unabhängig davon, wie umfassend sie den vorgegebenen Satz verstanden haben (da ja nur die behaltenen lexikalischen Items bei der Rekodierung verwendet werden) - das Nachsprechen von Sätzen, d.h. die Rekodierung der im Kurzzeitgedächtnis behaltenen Items, Aufschluß darüber geben, welche automatisierten Routinen zur Strukturierung/Clusterung von lexikalischen Items zur Verfügung stehen. Hinsichtlich des artikulatorischen Kontrollprozesses wird mit dem Nachsprechen von Sätzen also die Interaktion von Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis erfaßt. Bei der Rekodierung des gehörten Satzes sind die Kinder auch auf ihr automatisiertes Wissen angewiesen. Sie werden den gehörten Satz in Abhängigkeit von den Routinen strukturieren, die sie aufgebaut haben bzw. die ihnen zur Verfügung stehen.
Eine Analyse der Reproduktions- oder Rekonstruktionleistungen sollte daher Rückschlüsse auf die aktuellen Sprachverarbeitungsprozesse und das zugrundeliegende sprachliche Wissen zulassen. Laut Bock (1972) erfolgt eine Rekodierung in der Regel vom Langzeitgedächtnis aus. Wir nehmen an, daß ein Kind beim Nachsprechen von Sätzen überwiegend nur solche grammatischen Strukturen reproduzieren kann, die es bereits beherrscht (vgl. u.a. Kuczaj & Maratsos, 1975; siehe auch Günther, 1985).
Nachsprechaufgaben bieten außer der Möglichkeit, Informationen über den Stand des sprachlich-strukturellen Wissens zu gewinnen, auch die Gelegenheit, Beeinträchtigungen im auditorischen Bereich zu erfassen (Marcell, Ridgeway, Sewell & Whelan, 1995). Der enge Zusammenhang zwischen auditivem Speichersystem und Sprachstörung ist in mehreren Untersuchungen untersucht worden. So korrelieren die grammatische Komplexität und die Satzlänge mit der Gedächtnisspanne von aphasischen Kindern (Bliss & Peterson, 1975). Bei Rosenblum und Dorman (1978) ergab ein Vergleich zwischen 20 sprachbegabten und 20 sprachauffälligen Kindergartenkindern, einen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, Sätze richtig nachzusprechen, mit einer abweichenden akustischen Verarbeitung von sprachlichen Informationen und einem geringeren Stand kognitiver Aktivitäten.20 In einer Untersuchung, bei der u.a. die Speicherkapazität (phonological memory) mit „non-words" in Hinblick auf die Auswirkungen auf das Sprachlernen überprüft wurde, kommen Adams und Gathercole zu dem Ergebnis, daß „the component skills indexed by the non-word repetition task may reveal basic cognitive processes critically involved in language acquisition that are deficient in SLI population" (1996, p. 231).
Hasselhorn und Körner (1997) überprüften den Einfluß des auditorischen Speichers auf das sprachliche Können mit Kunstwörtern, die mit zunehmender Länge unverzerrt, verzerrt oder stark verzerrt vorgegeben wurden. Die Nachsprechleistungen wurden mit zunehmender Verzerrung und Silbenlänge schlechter. Es zeigte sich weiterhin, daß Nachsprechleistungen und die Kapazität des phonologischen Arbeitsgedächtnisses hoch korrelieren. Aus den Ergebnissen schließen Hasselhorn und Körner, daß das phonologische Arbeitsgedächtnis auch einen Einfluß auf die Entwicklung von sprachstrukturellen Kompetenzen hat. Die Untersuchung wurde an sprachunauffälligen Kindern durchgeführt und sollte die Erwerbsbedingungen von SLI-Kindern simulieren.
Mit Nachsprechaufgaben können nach dem bisher Gesagten sowohl Leistungen der auditorischen Verarbeitungs- wie der Speicherkapazität erfaßt werden. Die Aufgabe überprüft beide Komponenten auf mögliche Defizite. Beim Nachsprechen sinnvoller Sätze können Kinder sowohl auf morpho-syntaktische als auch auf semantische Merkmale des Vorgabesatzes zurückgreifen. Bei Sätzen mit Kunstwörtern sind sie hingegen allein auf die Nutzung morpho-syntaktischer Merkmale der Vorgabesätze angewiesen. Im Fall der sinnvollen Sätze können Clusterungen/Gruppierungen prosodisch, semantisch und/oder syntaktisch vorgenommen werden, im Fall von Sätzen mit Kunstwörtern allein prosodisch und/oder syntaktisch. Durch die Reduzierung des Sinngehalts bei Kunstwörtern wird vor allem das sprachlich-strukturelle Wissen der Kinder überprüft, womit Hinweise über die Verarbeitungskapazität hinsichtlich formaler Kriterien der Gruppierungsleistungen gewonnen werden können.
In der vorliegenden Studie stehen zwei Fragen im Vordergrund:
(1) In welcher Weise werden die Beziehungen zwischen Behaltensleistungen und Leistungen beim Nachsprechen von Sätzen in Abhängigkeit von Teilgruppen spezifisch sprachentwicklungsgestörter Kinder abgebildet?
(2) Lassen sich durch die Vergleiche von leistungsparallelisierten sprachentwicklungsgestörten und sprachunauffälligen Gruppen Hinweise für die Bestimmung ätiologischer Faktoren gewinnen?
zu (1) Beziehungsmuster zwischen Behaltensleistungen und Leistungen beim Nachsprechen in Abhängigkeit von Subgruppen sprachentwicklungsgestörter Kinder. Die von uns untersuchten sprachentwicklungsgestörten Kinder lassen sich in drei Subgruppen unterteilen (Schöler & Fromm, 1995). Es ist anzunehmen, daß sich nicht die sprachentwicklungsgestörten Kinder von den sprachunauffälligen Kindern hinsichtlich der Beziehungsstrukturen unterscheiden, wie wir dies bereits 1991 feststellen konnten (vgl. Schöler, Kratzer, Kürsten & Schäle, 1991a), sondern daß sich auch bei den drei Subgruppen der sprachentwicklungsgestörten Kinder unterschiedliche Beziehungsmuster ergeben, die zu beschreiben und zu analysieren sind. Methodisch ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Homogenisierung der Stichproben zu einer Minderung der Korrelationskoeffizienten führt. Darüber hinaus muß noch einmal auf die Selektion der Ausgangsstichprobe der sprachentwicklungsgestörten Kinder verwiesen werden, bei der wir versucht haben, nur solche Kinder in die Untersuchung einzubeziehen, bei denen alle Kriterien (siehe dazu Anmerkung 3, S. 1) für die Kennzeichnung als „spezifisch sprachentwicklungsgestört" vorlagen.
zu (2) Gruppenvergleiche aufgrund von Leistungsparallelisierungen21. In Erweiterung der uns bekannten Studien mit alters- und leistungsparallelisierten Kontrollgruppen (vgl. dazu die Diskussion der verschiedenen Prüfmöglichkeiten und ihrer jeweiligen Probleme von Bishop, 1992, p. 54ff.) möchten wir - nach unserem Kenntnisstand erstmalig - Vergleiche zwischen verschiedenen leistungsparallelisierten sprachentwicklungsgestörten (SLI) und sprachunauffälligen (Vgl) Kindern durchführen. Wir beschränken uns dabei nicht allein auf den Vergleich von Gruppen, die nach Indikatoren der Sprachleistung parallelisiert sind, sondern parallelisieren Gruppen auch aufgrund verschiedener Behaltensleistungen. Wir variieren dabei die Ausprägung der interessierenden Leistung und möchten damit prüfen, ob sich ähnliche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zeigen oder ob dieser Faktor der Ausprägung einer Leistung zu differentiellen Effekten führt. Anders formuliert: Wenn SLI- und Vgl-Kinder z.B. aufgrund der Behaltensleistung in jeweils nach geringer Leistung und nach höherer Leistung parallelisierten Gruppen verglichen werden, zeigen sich zwischen den unterschiedenen Leistungsgruppen Unterschiede oder nicht? Mit diesen Gruppenvergleichen möchten wir Hinweise gewinnen auf ätiologische Faktoren der Spezifischen Sprachentwicklungsstörung: Finden sich Unterschiede zwischen SLI- und Vgl-Gruppen, die nach der Sprachfertigkeit parallelisiert wurden, so sind dies starke Hinweise auf die Richtung der Verursachung. Die Variablen, bei denen sich selbst bei gleicher Sprachfertigkeit noch Unterschiede zwischen den Gruppen ergeben, dürfen als Kandidaten für Verursachungsfaktoren der Sprachentwicklungsstörung gelten (vgl. zu dieser Argumentation auch Gathercole & Baddeley, 1990).
Vorbemerkung. Im Rahmen des „Heidelberger Dysgrammatismus"-Projektes wurden insgesamt 100 spezifisch sprachentwicklungsgestörte Kinder in sprachlichen und nicht-sprachlichen Leistungsbereichen längssschnittlich untersucht (zu einem Überblick siehe u.a. Schöler, 1993). Da die Vergleichsgruppen nur zu einem der Untersuchungszeitpunkte querschnittlich erhoben wurden, beschränken wir uns auf diesen Untersuchungszeitraum UII. Tabelle 1 gibt einen Überblick über Alter, Geschlecht, Klassenstufe der untersuchten sprachentwicklungsgestörten Erst- bis Neuntklässler aus Schulen für Sprachbehinderte und der sprachunauffälligen Erst- bis Viertklässler aus Regelgrundschulen22.
Tabelle 1 |
Alter, Geschlecht und Klassenstufe der sprachentwicklungsgestörten (SLI) und sprachunauffälligen (Vgl) Kinder |
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Aus den beiden Stichproben der 100 sprachentwicklungsgestörten (SLI) und der 53 sprachunauffälligen (Vgl) Kinder werden die in Abschnitt 2.3 beschriebenen leistungsparallelisierten Gruppen jeweils selektiert.
2.1.2 Zur Identifikation und Beschreibung von Gruppen sprachentwicklungsgestörter und sprachunauffälliger Kinder
Da die Spezifische Sprachentwicklungsstörung weder ein einheitliches Erscheinungsbild bietet, noch sich ein einheitliches Bedingungsgefüge auffinden läßt, haben wir auf der Grundlage der beobachteten Leistungen in den sprachlichen und nichtsprachlichen Aufgaben Klassifikations- und Clusteranalysen23 berechnet, um Subgruppen sprachauffälliger Kinder auffinden und näher beschreiben zu können. Zur gleichzeitigen Prüfung, ob sich solche Gruppen sprachentwicklungsgestörter Kinder von den sprachunauffälligen Kindern unterscheiden, haben wir die sprachauffälligen und die sprachunauffälligen Erst- bis Viertklässler in eine gemeinsame Analyse einbezogen. Insgesamt besteht die Gesamtgruppe aus N = 105 Kindern (N = 58 sprachauffällige und N = 47 sprachunauffällige Kinder), die bei allen in der Analyse verwendeten 17 Indikatoren gültige Werte aufweisen. Wir möchten hier auf eine detailliertere Beschreibung der Gewinnung der fünf Gruppen verzichten und verweisen dazu auf Schöler und Fromm (1995). Wir bezeichnen diese fünf durch die Clusteranalyse bestimmten Gruppen im folgenden als Cluster, da wir die Bezeichnung Gruppe aus Gründen der besseren Les- und Unterscheidbarkeit zur Kennzeichnung der leistungsparallelisierten Gruppen verwenden.
Als optimale Lösung ergeben sich fünf bedeutsam voneinander diskriminierbare Cluster: Zwei dieser Cluster werden dabei durch die sprachunauffälligen Vergleichskinder24 (im folgenden mit Vgl_a, N = 33, und Vgl_b, N = 17, gekennzeichnet), die übrigen drei Gruppen ausschließlich durch die sprachauffälligen Kinder repräsentiert (SLI_a, N = 16, SLI_b, N = 20, SLI_c, N = 19). Die drei Cluster der spezifisch sprachentwicklungsgestörten Kinder lassen sich vollständig von den zwei Clustern der sprachunauffälligen Vergleichskinder trennen.
Jungen und Mädchen verteilen sich in allen Clustern gemäß der erwarteten Anteile; eine bedeutsame Verteilungsabweichung tritt nicht auf (P2 (4) = 4.02; p = .40). Die fünf Cluster können auch als altershomogen gelten (vgl. Tabelle 2), die Altersunterschiede sind statistisch nicht signifikant (F = 1.86, p = .12) (zu einer detaillierteren Beschreibung der Cluster siehe Schöler & Fromm, 1995).
Tabelle 2 |
Durchschnittsalter der Kinder der fünf Cluster (Angaben in Jahren und Monaten) |
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Da die Leistungen beim Nachsprechen von Sätzen in besonderer Weise dazu geeignet sind, sprachauffällige von sprachunauffälligen Kindern zu diskriminieren, haben wir diese Aufgabe als Indikator für das Sprachkönnen bzw. die Sprachfertigkeiten eingesetzt.
Die Aufgabe „Nachsprechen von Sätzen" besteht aus insgesamt 32 Sätzen, davon 24 sinnvolle und acht Sätze mit Kunstwörtern. Die Vorgabe der Sätze wurde auf zwei Untersuchungssitzungen verteilt. Bei jeder Sitzung wurden jeweils 12 sinnvolle Sätze und vier Sätze mit Kunstwörtern vorgegeben. Die sinnvollen Sätze bestehen jeweils aus 13 Wörtern. Die Struktur der Sätze wurde variiert: Je ein Drittel ist als einfacher Hauptsatz, als Hauptsatz mit nachgestelltem Relativsatz und als Hauptsatz mit eingebettetem Relativsatz gebildet. Die Sätze enthalten bis zu drei Präpositionalphrasen (zu einer detaillierteren Beschreibung der Satzkonstruktion siehe Kratzer & Schöler, 1992, S. 9ff.). Die Sätze mit Kunstwörtern variieren in der Länge zwischen fünf und acht Wörtern. In Tabelle 3 sind Beispiele für die Sätze angeführt (alle Sätze sind im Anhang enthalten). Die Sätze wurden mit normaler Geschwindigkeit und Intonation auf Tonband gesprochen und den Kindern jeweils vorgespielt.
Tabelle 3 | Beispiele für die Sätze bei der Aufgabe „Nachsprechen von Sätzen" | ||||||||
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Folgende vier Indikatoren wurden gebildet:
(1) Die Anzahl korrekt reproduzierter sinnvoller Sätze (Imi_sem),
(2) Die Anzahl korrekt reproduzierter Sätze mit Kunstwörtern (Imi_art),
(3) Die Anzahl von Reproduktionen mit Flexionsfehlern (Flexionsfehler),
(4) Die Anzahl ausgelassener Wörter (Auslassung).
Aus Vergleichbarkeitsgründen sind diese Indikatoren jeweils relativiert.
Mit der Aufgabe des unmittelbaren Wiederholens von Zahlenfolgen, die in vorgegebener oder umgekehrter Abfolge zu reproduzieren sind, soll ein (relativ) sprachunabhängiger Indikator für die auditive Merkspanne (auditiv-serielle Verarbeitungskapazität) bzw. ein Indikator für das phonologische Arbeitsgedächtnis erfaßt werden. Vorgegeben haben wir den Untertest „Zahlennachsprechen ZN" des HAWIK-R (Tewes, 1983). Die Kinder hören vom Tonband Zahlenfolgen, die (von drei bzw. zwei Zahlen aufwärts) immer länger werden und die sie unmittelbar (a) in der vorgegebenen Abfolge (ZNV) und (b) in der umgekehrten Abfolge (ZNR) wiedergeben sollen.
Als Indikatoren wählen wir für beide Aufgaben ZNV und ZNR jeweils die Anzahl der Zahlen, die ein Kind fehlerfrei und in der korrekten Abfolge reproduzieren kann.
Als Indikator für die visuell-serielle Kurzzeitgedächtnisspanne verwenden wir die Anzahl korrekt wiedergegebener Symbolplättchen beim Untertest „Symbolfolgen" SFG des PET (Angermaier, 1974). Dem Kind werden für kurze Zeit Sequenzen aus Symbolplättchen vorgelegt, die es unmittelbar darauf aus dem Gedächtnis nachlegen soll.
Zur Prüfung der auditiven sprachgebundenen Verarbeitungskapazität lassen wir das Kind zwei Wortlisten unmittelbar nach der Vorgabe frei wiedergeben. Wir haben zwei Wortlisten konstruiert, die jeweils neun Wörter enthalten (siehe Tabelle 4). Die erste Liste besteht aus zweisilbigen Nomen, wovon jeweils drei den semantischen Wortfeldern „Gemüse", „Kleidung" und „Möbel" zugehören. Die zweite Liste enthält Wörter aus drei Wortklassen: jeweils drei Nomen, Adjektive und Verben. Als Indikatoren bestimmen wir pro Liste die Anzahl korrekt reproduzierter Wörter: FWL_1 (Liste 1) und FWL_2 (Liste 2).
Tabelle 4 | Listenelemente bei der Freien Wiedergabe von Wortlisten | ||
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2.2.5 Diskriminieren von Rhythmen
Bei der Prüfung der rhythmischen Diskriminationsfähigkeit setzen wir den Untertest "Gedächtnis für Rhythmen" aus dem Test „Musical Ability in Children and its Measurement" (Bentley, 1966; deutsche Fssung von Jakoby, 1968). Bei dieser Aufgabe werden dem Kind jeweils zwei Rhythmen vorgegeben, die das Kind als gleich oder verschieden beurteilen soll. Die Aufgabe besteht aus zehn solcher Rhythmuspaare (zur detaillierteren Beschreibung der Aufgabe siehe Kürsten & Schöler, 1991). Als Indikator für die rhythmische Diskriminationsleistung gilt die Anzahl korrekt beurteilter Rhythmuspaare.
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Leistungsverteilungen in den beiden Gruppen der sprachentwicklungsgestörten und sprachunauffälligen Kinder sind Vergleiche im Sinne von leistungsparallelisierten Gruppen nur eingeschränkt möglich. Um dennoch solche leistungsparallelisierten Gruppenvergleiche zu approximieren, haben wir (a) eine Aufteilung nach Indikatoren für die Gedächtnisleistungen und (b) nach Indikatoren für die Sprachfertigkeit vorgenommen. Um zu auswertbaren Gruppengrößen zu gelangen, mußten wir bei den sprachentwicklungsgestörten Kindern die Gesamtstichprobe (1. bis 9. Klassenkohorte; siehe Tabelle 1) bei der Suche nach "leistungsstarken" Kindern einbeziehen.
Zahlenfolgen-Nachsprechen (ZN). Der erste Parallelisierungsversuch nach Selektionskriterien, die aus den Gesamtverteilungen der Werte (ZNV < 5 und ZNR < 4 = leistungsschwach; ZNV > 4 und ZNR > 3 = leistungsstark) abgeleitet sind, erwies sich für die Parallelisierung nach der Leistung bei ZN als unzureichend, da sich die beiden Gruppen "leistungsstarker" Kinder immer noch bedeutsam unterscheiden: Die so definierten behaltensleistungsstarken sprachentwicklungsgestörten Kinder erreichen mit einem Mittel von M = 5.7 (s = 0.6) statistisch signifikant geringere Werte als die sprachunauffälligen Kinder (M = 6.2; s = 1.0). Wir haben daraufhin bei den sprachunauffälligen Kinder eine andere Einschränkung vorgenommen und zwar durfte der Summenwert aus ZNV und ZNR nur 11 oder 12 Punkte betragen.
Tabelle 5 zeigt die Aufteilung in Gruppen, die geringe bzw. hohe Behaltensleistungen beim Zahlenfolgen-Nachsprechen (ZN+, ZN-) erzielen. Erwartungsgemäß variieren die Anteile an leistungsstarken und leistungsschwachen Kindern beim Zahlenfolgen-Nachsprechen in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit: Bei den sprachentwicklungsgestörten Kindern können lediglich 13 Kinder der leistungsstarken Gruppe SLIZN+ zugeordnet werden, wobei sich nur zwei davon in den ersten vier Schuljahren befinden.
Tabelle 5 | Anteile (N) leistungsschwacher und leistungsstarker Kinder beim Zahlenfolgen-Nachsprechen in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit (sprachentwicklungsgestört SLI und sprachunauffällig Vgl) | ||||||
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Symbolfolgen-Gedächtnis. Bei der Parallelisierung nach der SFG-Leistung haben wir die Gruppen (nur Erst- bis Viertklässler) dichotomisiert: Die Gruppen SFG+ erzielen Werte > 5, die Gruppen SFG- Werte < 6. Die Aufteilung auf die Leistungsgruppen sowie Mittelwerte und Standardabweichungen sind Tabelle 6 zu entnehmen.
Tabelle 6 |
Anteile (N) leistungsschwacher und leistungsstarker Kinder beim Symbolfolgen-Nachlegen in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit (sprachentwicklungsgestört SLI und sprachunauffällig Vgl), Gruppenmittelwerte M und Standardabweichungen s |
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Nachsprechen von Sätzen. Als leistungsstark gelten diejenigen Kinder, die zu dem letzten Quartil der Verteilung (mindestens Prozentrang 75) gehören und einen Leistungswert > .87 erzielten, d.h. zumindest 87% der Sätze konnten korrekt reproduziert werden. 28 Kinder aus der Gesamtgruppe der sprachentwicklungsgestörten Kinder (Klassenkohorten 1 bis 9) und 30 sprachunauffällige Grundschulkinder erfüllen dieses Kriterium. Ein Vergleich von leistungsschwachen Gruppen beim Nachsprechen von Sätzen war nicht möglich, da nicht genügend sprachunauffällige Kinder mit vergleichbar schwachen Nachsprechleistungen im von uns untersuchten Altersbereich zu beobachten waren.
Die beiden nach den Nachsprechleistungen parallelisierten Gruppen unterscheiden sich sehr deutlich im Durchschnittsalter: Die sprachentwicklungsgestörten Kinder sind durchschnittlich 12;11 Jahre alt und damit fast vier Jahre älter als die sprachunauffälligen Kinder (vgl. Tabelle 20).25 Die SLI-Gruppe setzt sich aus jeweils zwei Zweit- und Sechstklässlern, sechs Acht- und vier Neuntklässlern zusammen. Die Vgl-Gruppe besteht aus einem Erstklässler, vier Zweit- sowie jeweils sieben Dritt- und Viertklässlern.
Tabelle 7 enthält die Mittelwerte der verschiedenen Behaltensmaße und der Indikatoren beim Nachsprechen von Sätzen sowie die Kennwerte der Unterschiedsprüfungen (F- und p-Werte einfacher Varianzanalysen mit dem Faktor Clusterzugehörigkeit).
Tabelle 7 |
Leistungen (Mittelwerte M und Standardabweichungen s) der fünf Cluster bei den verschiedenen Behaltensmaßen und den Indikatoren beim Nachsprechen von Sätzen sowie Kennwerte der Unterschiedsprüfung (F, p) |
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Legende: Imi_sem: Korrekte Reproduktionen von sinnvollen Sätzen; Imi_art: Korrekte Reproduktionen von Sätzen mit Kunstwörtern; Auslassung von Wörtern: Auslassungen von Wörtern bei der Reproduktion; Flexionsfehler: Anzahl von Flexionsfehlern bei den Reproduktionen; ZNV: Wiedergabe von Zahlenfolgen in vorgegebener Sequenz; ZNR: Wiedergabe von Zahlenfolgen in umgekehrter Sequenz; SFG: Symbolfolgen-Gedächtnis; FWL_1/FWL_2: Wiedergabe von Wortlisten (Liste 1, Liste 2); Rhy_Dis: Diskriminierung von Rhythmen; Rhy_Imi: Imitation von Rhythmen |
Die Leistungen der Cluster unterscheiden sich, mit Ausnahme der drei Variablen: Zahl der Auslassungen bei den Satzreproduktionen, Wiedergabe von Symbolfolgen (SFG) und Nachahmen von Rhythmen (Rhy_Imi), statistisch signifikant, wobei diese Unterschiede nicht immer gleichförmig als Leistungsdefizite der Cluster der sprachentwicklungsgestörten Kinder (repräsentiert durch die Cluster SLI_a, SLI_b, SLI_c) gegenüber den Vergleichskindern (repräsentiert durch die beiden Cluster Vgl_a und Vgl_b) zum Ausdruck kommen. Auf eine detaillierte Beschreibung der Clusterunterschiede verzichten wir hier und verweisen dazu auf Schöler und Fromm (1995).
Bevor wir die Beziehungen zwischen den Behaltensleistungen und den Sprachleistungen analysieren, betrachten wir zunächst die Indikatoren für die Sprachleistung näher, die in diese Analyse einbezogen sind. Tabelle 8 zeigt die Verteilung der Reproduktionen auf die unterschiedenen Kategorien bei der Syntax-Bewertung in Abhängigkeit von den fünf Clustern.
Tabelle
8
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Bewertung der Syntax der Reproduktionen beim Nachsprechen von Sätzen auf die Antwortkategorien in Abhängigkeit von der Clusterzugehörigkeit (absolute und relative Häufigkeiten in %) |
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Die Reproduktionen der beiden Cluster sprachunauffälliger Kinder ("Vgl_a" und "Vgl_b") sind erwartungsgemäß bedeutsam häufiger syntaktisch korrekt als die der drei Cluster sprachentwicklungsgestörter Kinder ("SLI_a", "SLI_b", "SLI_c"). Aber auch die Verteilung auf die Fehlerkategorien (a) - (d) ist statistisch bedeutsam (P2 = 34.33; p < .001), d.h. in Abhängigkeit von der Clusterzugehörigkeit werden die fehlerhaften Reproduktionen der Kinder unterschiedlichen Bewertungskategorien zugewiesen. Die "SLI"-Kinder lassen deutlich häufiger obligatorische Wörter oder Phrasen aus.
Nicht nur die Leistungsunterschiede
zwischen den gestörten und unauffälligen Kindern sondern auch die Unterschiede
zwischen den drei sprachentwicklungsgestörten Cluster ("SLI") sind
statistisch bedeutsam (vgl. dazu ausführlich Schöler & Fromm, 1995, S.
23ff.). Das Cluster "SLI_b" erbringt die besten Leistungen der drei
sprachentwicklungsgestörten Cluster: 68.5% der Satzreproduktionen sind
syntaktisch korrekt, damit erreichen sie fast annähernd die Rate des Clusters
"Vgl_b", deren Anteil syntaktisch korrekter Reproduktionen bei 79.6%
liegt. Die Zahl von Auslassungen obligatorischer Satzteile liegt ebenfalls
deutlich unter denjenigen der beiden anderen Cluster "SLI_a" und
"SLI_c".
Wie leicht man allerdings Fehlinterpretationen unterliegen kann, zeigt die
weitere, u.E. unerläßliche Analyse: Bei denjenigen Kindern, die sehr viele
oder alle Sätze korrekt reproduzieren, können die Anteile anderer
Bewertungskategorien nicht hoch sein. Der Vergleich der Auftretenshäufigkeiten
einzelner Kategorien zwischen den Clustern kann dementsprechend nur jeweils
bezogen auf die Zahl der als inkorrekt bewerteten Antworten erfolgen. In
Abbildung 1 sind die so relativierten Häufigkeiten der fünf Cluster
dargestellt. Der statistisch bedeutsame Unterschied hinsichtlich der Zahl der
Auslassungen (bei Berücksichtigung der absoluten Zahl) bei den sinnvollen Sätzen
ist dann bei einer Varianzanalyse mit dem fünfstufigen Faktor
"Cluster" nicht mehr aufzufinden (F = 1.33; p =
.27). Bedeutsam bleibt der Vergleich nur, wenn man die zwei Cluster der
sprachunauffälligen Kinder (MVgl = .20; N = 4726)
und die drei Cluster der sprachentwicklungsgestörten Kinder (MSLI
= .29; N = 68) wieder zusammenfaßt (F = 4.67; p <
.05).
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Abbildung 1 |
Anteil
von Auslassungen von Wörtern beim Reproduzieren der Sätze in Abhängigkeit |
In einer ersten faktorenanalytischen Studie (siehe dazu auch Schöler, Kratzer, Kürsten & Schäle, 1991, S.41ff.) hatten wir die Beziehungsmuster zwischen einer Reihe von sprachspezifischen und sprachunspezifischen Leistungen (insgesamt 24 Leistungsindikatoren) analysiert, jeweils für die Gruppe der sprachentwicklungsgestörten und der sprachunauffälligen Erst- bis Viertklässler. Der Faktorenstrukturvergleich (Fünf-Faktorenlösungen erwiesen sich als adäquat) erbrachte deutliche Differenzen zwischen den beiden Gruppen.
Tabelle 9 |
Interkorrelationen zwischen den Leistungsindikatoren beim Nachsprechen von Sätzen und verschiedenen Kurzzeitbehaltensmaßen (sprachentwicklungsgestörte Erst- bis Viertklässler, N = 68) |
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* p < .05 |
Bei der Gruppe der sprachentwicklungsgestörten Kinder sind die Beziehungen zwischen den Leistungsindikatoren beim Nachsprechen von Sätzen und den Behaltensmaßen schwach bis unbedeutend. In Tabelle 9 sind die uns in diesem Zusammenhang interessierenden Korrelationen zwischen den Behaltensleistungen27 und den Leistungen beim "Nachsprechen von Sätzen" (korrekte Reproduktionen, Häufigkeiten von Flexionsfehlern und Auslassungen) aufgeführt. Zwar ergeben sich erwartungsgemäß statistisch bedeutsame Korrelationskoeffizienten zwischen den Nachsprechleistungen und den Kurzzeitgedächtnisspannen für Zahlen, für Wörter und für Rhythmen, die Enge der Beziehung kann aber aufgrund der Höhe der Koeffizienten nur als schwach bezeichnet werden. Interessant ist anzumerken, daß keine Beziehungen zwischen der Zahl der Auslassungen28 und den Kurzzeitbehaltensmaßen zu beobachten sind.
Bei der Faktorenanalyse werden die verschiedenen Leistungen dementsprechend auf unterschiedlichen Faktoren repräsentiert: Die Reproduktionsleistung beim "Nachsprechen von Sätzen" lädt mit einer Reihe anderer sprachlicher Leistungsindikatoren auf einem der fünf extrahierten Faktoren, den wir als "Faktor des sprachlichen Könnens" interpretieren. Ein anderer Faktor wird im wesentlichen durch die auditiven Behaltensleistungen "Gedächtnisspanne für Zahlen", "Wiedergabe von Wortlisten" und "Diskriminierung von Rhythmen" repräsentiert. Dieser Faktor kann als "Faktor des phonologischen Arbeitsgedächtnisses" umschrieben werden.
Tabelle 10 | Interkorrelationen zwischen den Leistungsindikatoren beim Nachsprechen von Sätzen und verschiedenen Kurzzeitbehaltensmaßen (sprachunauffällige Erst- bis Viertklässler, N = 53) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||
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* p < .05 Legende: Imi_sem: Korrekte Reproduktionen von sinnvollen Sätzen; Imi_art: Korrekte Reproduktionen von Sätzen mit Kunstwörtern; Flexionsfehler: Anzahl von Flexionsfehlern bei den Reproduktionen; Auslassung: Auslassungen von Wörtern oder Satzteilen bei der Reproduktion; ZNV: Wiedergabe von Zahlenfolgen in vorgegebener Sequenz; ZNR: Wiedergabe von Zahlenfolgen in umgekehrter Sequenz; SFG: Symbolfolgen-Gedächtnis; FWL_1/FWL_2: Wiedergabe von Wortlisten (Liste 1, Liste 2); Rhy_Dis: Diskriminierung von Rhythmen |
Bei den sprachunauffälligen Kindern läßt sich das in der Literatur berichtete Beziehungsmuster (siehe u.a. Crockett, 1974; Leong, Leong & Das, 1985) zwischen Kurzzeitgedächtnisleistungen und den Leistungen beim Nachsprechen von Sätzen bestätigen: Die Korrelationskoeffizienten zwischen den Leistungsindikatoren beim Nachsprechen von Sätzen und den Behaltensmaßen liegen deutlich höher als bei den sprachentwicklungsgestörten Kindern (vgl. Tabelle 10). Es wird ein Faktor extrahiert, auf dem sowohl die Behaltens- als auch die Nachsprech-Leistungen laden, und der über ein Drittel der aufgeklärten Varianz vereinigt. Da neben den Behaltens- und Nachsprech-Leistungen auch die allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit eine hohe Ladung auf diesem Faktor aufweist, kann dieser Faktor als "Faktor der sprachlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit" charakterisiert werden.
Die Tabellen 11-15 geben einen Überblick über die Beziehungen zwischen den Behaltensmaßen und den Leistungen beim Nachsprechen von Sätzen in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zu einem der fünf Cluster sprachauffälliger und sprachunauffälliger Erst- bis Viertklässler.29
Bei Cluster SLI_a ergeben sich zwischen den Nachsprechleistungen und den Kurzzeitgedächtnismaßen keine bedeutsamen Beziehungen (vgl. Tabelle 11), ausgenommen die Korrelation zwischen Imi_sem (Zahl korrekter Satzreproduktionen) und Rhy_Dis (Zahl korrekter Diskriminierungen von Rhythmen). Der hier aufgefundene Zusammenhang stimmt mit dem von Weinert und Müller (1996, Tabelle 7, S. 248) berichteten überein: Die beiden Autorinnen finden einen Zusammenhang von r = .62 zwischen einer vergleichbaren Rhythmus-Diskriminations-Aufgabe und der Kombination dreier H-S-E-T - Subtests (Grimm & Schöler, 1978), in denen die Aufgabe Nachsprechen von Sätzen (Subtest IS) mit dem vermutlich stärksten Gewicht enthalten ist. Bei diesem Cluster kann die Interpretation von Weinert und Müller zutreffend sein, daß "grammatische Fähigkeiten bei dysphasisch-sprachgestörten Kindern eher mit rhythmischen Fähigkeiten als mit ihrer Gedächtnisspanne zusammenhängen" (1996, S. 247). Rhythmisches Differenzierungsvermögen und sprachliche Fertigkeiten kovariieren bei diesem Cluster sprachentwicklungsgestörter Kinder.
Tabelle 11 |
Interkorrelationen zwischen den Reproduktionsleistungen sowie der Flexionsfehlerhäufigkeit beim Nachsprechen von Sätzen und verschiedenen Kurzzeitbehaltensmaßen (Cluster "SLI_a", N = 16) |
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p < .05 |
Auch bei Cluster SLI_b ist diese Kovariation zwischen rhythmischen Fähigkeiten und Indikatoren für sprachliche Fertigkeiten festzustellen (vgl. Tabelle 12), wobei hier zusätzlich zu der signifikanten Korrelation zwischen Rhy_Dis und Imi_sem, auch die Korrelationen zwischen Rhy_Dis und Imi_art (Zahl korrekter Reproduktionen von Sätzen mit Kunstwörtern) sowie Rhy_Dis und der Zahl der Flexionsfehler statistisch bedeutsam sind.
Tabelle 12 |
Interkorrelationen zwischen den Reproduktionsleistungen sowie der Flexionsfehlerhäufigkeit beim Nachsprechen von Sätzen und verschiedenen Kurzzeitbehaltensmaßen (Cluster "SLI_b", N = 20) |
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* p < .05 |
Ein etwas anderes Beziehungsmuster ergibt sich bei Cluster SLI_c (vgl. Tabelle 13): Bei diesem Cluster erreichen die Korrelationskoeffizienten zwischen der Gedächtnisspanne für Zahlen (ZNV und ZNR) statistische Bedeutsamkeit, während die Beziehungen zwischen Rhy_Dis und den Nachsprechleistungen unbedeutend bleiben. Vor allem die Leistung beim Nachsprechen der Sätze mit Kunstwörtern (Imi_art) kovariiert bedeutsam mit der Leistung beim Nachsprechen von Zahlen in umgekehrter Abfolge (ZNR). Die auf "dysphasisch-sprachentwicklungsgestörte Kinder" bezogene Aussage von Weinert und Müller (1996) kann insofern nicht in dieser generalisierten Form aufrechterhalten werden.
Tabelle 13 |
Interkorrelationen zwischen den Reproduktionsleistungen sowie der Flexionsfehlerhäufigkeit beim Nachsprechen von Sätzen und verschiedenen Kurzzeitbehaltensmaßen (Cluster "SLI_c", N = 19) |
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* p < .05 |
Da auch bei den Vergleichskindern die Beziehung zwischen Rhy_Dis und den Nachsprechleistungen aufgefunden werden kann (vgl. Tabellen 14 und 15), wobei allerdings nur bei Cluster Vgl_a diese Korrelation statistisch bedeutsam ist), ist die von Weinert und Müller für sprachentwicklungsgestörte Kinder geltende Aussage dahingehend noch weiter einzuschränken, daß diese Beziehung nicht als spezifisch für eine Sprachentwicklungsstörung gelten kann, sondern eher allgemeiner Natur zu sein scheint.
Tabelle 14 |
Interkorrelationen zwischen den Reproduktionsleistungen sowie der Flexionsfehlerhäufigkeit beim Nachsprechen von Sätzen und verschiedenen Kurzzeitbehaltensmaßen Cluster "Vgl_a", N = 33) |
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* p < .05 |
Bei den sprachunauffälligen Kinder des Clusters Vgl_a sind darüber hinaus auch signifikante Beziehungen zwischen der Gedächtnisspanne für Symbolfolgen und der Zahl von Flexionsfehlern feststellbar.
Obwohl die Korrelationskoeffizienten beim Cluster Vgl_b zum Teil höhere Werte aufweisen, erreicht aber keiner der Koeffizienten aufgrund des geringeren Stichprobenumfanges statistische Bedeutsamkeit (vgl. Tabelle 15).
Tabelle 15 |
Interkorrelationen zwischen den Reproduktionsleistungen sowie der Flexionsfehlerhäufigkeit beim Nachsprechen von Sätzen und verschiedenen Kurzzeitbehaltensmaßen (Cluster Vgl_b, N = 17) |
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* p < .05 |
Zahlenfolgen-Gedächtnis: Die beiden leistungsstarken Gruppen (höherer Kombinationswert aus ZNV und ZNR) sprachentwicklungsgestörter (SLIZN+) und sprachunauffälliger (VglZN+) Kinder unterscheiden sich nicht bei der Zahl korrekter Satzreproduktion bei der Aufgabe "Nachsprechen von Sätzen". Es finden sich darüber hinaus auch keine Unterschiede in den anderen Indikatoren für die Behaltensleistung (vgl. Tabelle 16). Die Leistungen beim unmittelbaren Behalten von Zahlenfolgen sind angeführt, da eine Kombination aus den beiden Indikatoren ZNV und ZNR der Parallelisierung zugrunde liegt. Bei den leistungsschwächeren Gruppen sind die beiden Werte vergleichbar. Bei den leistungsstärkeren Gruppen deutet sich eine Wechselwirkung an (vgl. Tabelle 16): Die Leistungsdifferenz zwischen ZNV (als Indikator der Gedächtnisspanne) und ZNR (als Indikator des Arbeitsgedächtnisses; vgl. dazu Schöler et al., 1994) ist bei den SLI-Kindern geringer.
Anders als bei den leistungsstärkeren Gruppen sieht das Bild bei den leistungsschwächeren Kindern aus (vgl. Tabelle 17). Hier zeigen sich bedeutsame Leistungsunterschiede bei den Indikatoren der Sprachfertigkeit: Die Satzreproduktionen der sprachentwicklungsgestörten Kinder SLIZN- sind deutlich fehlerhafter als die der sprachunauffälligen Kinder VglZN-. Darüber hinaus differieren die Leistungen beim Diskriminieren der Rhythmen: Auch hier liegen die Werte der sprachentwicklungsgestörten Kinder bedeutsam niedriger als die der nach Gedächtnisleistung parallelisierten sprachunauffälligen Kinder.
Tabelle 16 |
Vergleiche zwischen den beim Zahlenfolgen-Nachsprechen (ZN) leistungsstärkeren Kindern in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit (SLIZN+: sprachentwicklungsgestört; VglZN+: sprachunauffällig) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Legende: Imi_sem: Korrekte Reproduktionen von sinnvollen Sätzen; Imi_art: Korrekte Reproduktionen von Sätzen mit Kunstwörtern; ZNV: Wiedergabe von Zahlenfolgen in vorgegebener Sequenz; ZNR: Wiedergabe von Zahlenfolgen in umgekehrter Sequenz; SFG: Symbolfolgen-Gedächtnis; FWL_1/FWL_2: Wiedergabe von Wortlisten (Liste 1, Liste 2); Rhy_Dis: Diskriminieren von Rhythmen |
Tabelle 17 | Vergleiche zwischen den beim Zahlenfolgen-Nachsprechen (ZN) leistungsschwächeren Kindern in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit (SLIZN-: sprachentwicklungsgestört; VglZN-: sprachunauffällig) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Legende: Imi_sem: Korrekte Reproduktionen von sinnvollen Sätzen; Imi_art: Korrekte Reproduktionen von Sätzen mit Kunstwörtern; ZNV: Wiedergabe von Zahlenfolgen in vorgegebener Sequenz; ZNR: Wiedergabe von Zahlenfolgen in umgekehrter Sequenz; SFG: Symbolfolgen-Gedächtnis; FWL_1/FWL_2: Wiedergabe von Wortlisten (Liste 1, Liste 2); Rhy_Dis: Diskriminieren von Rhythmen |
Symbolfolgen-Gedächtnis. Die
Parallelisierung nach der Leistung bei SFG erbringt die meisten
Leistungsunterschiede zwischen den SLI- und den Vgl-Gruppen
(vgl. Tabellen 18 und 19): Die Werte der SLISFG+ - und SLISFG-
- Gruppen bei den Indikatoren für das Sprachkönnen (Imi_sem, Imi_art), für
die Kurzzeitgedächtnisspanne bzw. für das Arbeitsgedächtnis (ZNV, ZNR),
für die rhythmische Diskriminierungsfähigkeit (Rhy_Dis) sind sämtlich
bedeutsam geringer als bei den VglSLI+ und VglSFG-
- Gruppen.
Tabelle 18 | Vergleich zwischen den bei SFG leistungsstärkeren Kindern in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit (SLISFG+: sprachentwicklungsgestört; VglSFG+: sprachunauffällig) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Legende: Imi_sem: Korrekte Reproduktionen von sinnvollen Sätzen; Imi_art: Korrekte Reproduktionen von Sätzen mit Kunstwörtern; ZNV: Wiedergabe von Zahlenfolgen in vorgegebener Sequenz; ZNR: Wiedergabe von Zahlenfolgen in umgekehrter Sequenz; SFG: Symbolfolgen-Gedächtnis; FWL_1/FWL_2: Wiedergabe von Wortlisten (Liste 1, Liste 2); Rhy_Dis: Diskriminieren von Rhythmen |
Beim Vergleich der leistungsschwächeren Gruppen SLISFG- und VglSFG- sind darüber hinaus auch die Leistungen beim Behalten der beiden Wortlisten bedeutsam unterschiedlich: Die Gruppe SLISFG- ist in allen untersuchten Indikatoren bedeutsam schwächer als die Gruppe VglSFG- (vgl. Tabelle 19).
Tabelle 19 | Vergleich zwischen den bei SFG leistungsschwächeren Kindern in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit (SLISFG-: sprachentwicklungsgestört; VglSFG-: sprachunauffällig) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Legende: Imi_sem: Korrekte Reproduktionen von sinnvollen Sätzen; Imi_art: Korrekte Reproduktionen von Sätzen mit Kunstwörtern; ZNV: Wiedergabe von Zahlenfolgen in vorgegebener Sequenz; ZNR: Wiedergabe von Zahlenfolgen in umgekehrter Sequenz; SFG: Symbolfolgen-Gedächtnis; FWL_1/FWL_2: Wiedergabe von Wortlisten (Liste 1, Liste 2); Rhy_Dis: Diskriminieren von Rhythmen |
Werden Gruppen nach ihren Nachsprechleistungen parallelisiert, so bleiben die Unterschiede zwischen sprachentwicklungsgestörten und sprachunauffälligen Kindern bezüglich der Gedächtnisspanne für Zahlen bestehen (vgl. Tabellen 20 und 21). Die Leistungen der Gruppe SLIImi_art+ liegen bedeutsam niedriger bei ZNV als die der Gruppe VglImi_sem+ (vgl. Tabelle 20). Auch der Unterschied bei den nach der Leistung beim Nachsprechen von Sätzen mit Kunstwörtern parallelisierten Gruppen erreicht fast das Signifikanzniveau bei zweiseitiger Fragestellung.
Tabelle 20 | Vergleich zwischen den beim Nachsprechen von Sätzen leistungsstärkeren Kindern in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit (SLIImi_sem+: sprachentwicklungsgestört; VglImi_sem+: sprachunauffällig) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Legende: Imi_sem: Korrekte Reproduktionen von sinnvollen Sätzen; Imi_art: Korrekte Reproduktionen von Sätzen mit Kunstwörtern; ZNV: Wiedergabe von Zahlenfolgen in vorgegebener Sequenz; ZNR: Wiedergabe von Zahlenfolgen in umgekehrter Sequenz; SFG: Symbolfolgen-Gedächtnis; FWL_1/FWL_2: Wiedergabe von Wortlisten (Liste 1, Liste 2); Rhy_Dis: Diskriminieren von Rhythmen |
In Tabelle 22 sind die Ergebnisse der Vergleiche zwischen den verschiedenen leistungsparallelisierten Gruppen zusammenfassend dargestellt. Wenn die SLI- und Vgl-Gruppen nach der Leistung bei SFG parallelisiert werden, sind die Unterschiede zwischen den jeweils beiden Gruppen bei nahezu allen geprüften Leistungen bedeutsam. Dies zeigt, daß die SLI-Kinder dann gravierendere Defizite aufweisen, wenn sie bei SFG keine besseren Leistungen erzielen als die Vgl-Kinder. SFG ist ansonsten die einzige Aufgabe, bei der die SLI-Kinder verglichen mit den altersparallelisierten Vgl-Kindern gleiche oder bessere Leistungen erbringen (siehe u.a. Schöler, 1993). Ist die Leistung bei SFG geringer als bei den altersgleichen Vgl-Kindern, dann reduzieren sich womöglich die Kompensationsmöglichkeiten der SLI-Kinder.
Tabelle 21 | Vergleich zwischen den beim Nachsprechen von Sätzen mit Kunstwörtern leistungsstärkeren Kindern in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit (SLIImi_art+: sprachentwicklungsgestört; VglImi_art+: sprachunauffällig) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Legende: Imi_sem: Korrekte Reproduktionen von sinnvollen Sätzen; Imi_art: Korrekte Reproduktionen von Sätzen mit Kunstwörtern; ZNV: Wiedergabe von Zahlenfolgen in vorgegebener Sequenz; ZNR: Wiedergabe von Zahlenfolgen in umgekehrter Sequenz; SFG: Symbolfolgen-Gedächtnis; FWL_1/FWL_2: Wiedergabe von Wortlisten (Liste 1, Liste 2); Rhy_Dis: Diskriminieren von Rhythmen |
"Folgt man der von Gathercole und Baddeley (1990) und Bishop (1992)
vorgeschlagenen strengen Prüflogik zum Nachweis von Ursachen der
Entwicklungsdysphasie" (Hasselhorn & Hille, 1997, S. 15), so kann man
die Defizite der SLI-Kinder beim kurzfristigen Behalten als Ausdruck
eines verursachenden Faktors für die Sprachentwicklungsstörung betrachten: Die
Kurzzeitgedächtnisspanne ist bei der SLIImi_sem+ - Gruppe
bedeutsam geringer als bei der VglImi_sem+ - Gruppe. Der
Unterschied in den Behaltensleistungen bleibt selbst nach einer Parallelisierung
nach der Sprachfertigkeit bestehen. Noch deutlicher ausgeprägt sind diese
Differenzen bei der Parallelisierung nach geringen Behaltensleistungen: Die
sprachentwicklungsgestörten Kinder schneiden bei diesem Vergleich sowohl bei
den hier durch das Nachsprechen von Sätzen geprüften Sprachfertigkeiten als
auch beim Diskriminieren von Rhythmen schlechter ab als die sprachunauffälligen
Kinder. Diese Befunde deuten u.E. die Richtung einer Verursachung für die
Sprachentwicklungsstörung an: Der Störung müssen Faktoren zugrundeliegen, die
sowohl mit den Leistungen beim Diskriminieren von Rhythmen als auch beim
Nachsprechen von Sätzen gefordert sind.
Tabelle 22 | Bedeutsame Leistungsunterschiede zwischen sprachentwicklungsgestörten Kindern und leistungsparallelisierten Kontrollgruppen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
* p <.05; ** p <.01;
*** p <.001; |
In der vorliegenden Untersuchung haben wir die Beziehungen zwischen sprachlichen Leistungen und verschiedenen Behaltensleistungen in Abhängigkeit vom Sprachentwicklungsstand (sprachentwicklungsgestörte Kinder - SLI - vs. sprachunauffällige Kinder - Vgl) und von Teilgruppen der SLI- und Vgl-Kinder analysiert. Als Indikator für die Sprachleistung diente die Leistung beim Nachsprechen von Sätzen. Diese Aufgabe Nachsprechen von Sätzen überprüft rezeptive und produktive Aspekte der Sprachverarbeitung. Sie ist einerseits wenig diskriminativ in Hinsicht auf die einzelnen an Rezeption und Produktion beteiligten Strukturen und Prozesse, ermöglicht jedoch andererseits gerade wegen dieser eher unspezifischen Überprüfung der an der Sprachrezeption und -produktion beteiligten Bereiche einen Überblick über die Sprachleistungen spezifisch sprachentwicklungsgestörter Kinder.
Um die Kovariation von Nachsprech- und Kurzzeitgedächtnisleistung zu untersuchen, haben wir die auditive Behaltensleistung anhand verschiedener Inhalte überprüft: Wörter (FWL_1, FWL_2), Zahlen (ZNV, ZNR) und Rhythmen (Rhy_Dis). Zur Überprüfung der von uns angenommenen Modalitätsspezifität der Spezifischen Sprachentwicklungsstörung wurde zusätzlich die visuelle Behaltensleistung anhand der unmittelbaren Wiedergabe von Symbolfolgen (SFG) erfaßt.
Die drei Teilgruppen von SLI-Kindern und die beiden Gruppen sprachunauffälliger Kinder unterscheiden sich in den hier untersuchten Behaltens- und Nachsprechleistungen mit einer Ausnahme: Beim kurzzeitigen Behalten von Symbolfolgen (SFG) sind keine Leistungsunterschiede zwischen den Gruppen zu beobachten. Die Leistung bei SFG gilt als Indikator für das Hilfssystem "Skizzenblock" ("visuo-spatial sketchpad") des Arbeitsgedächtnis-Modells sensu Baddeley (u.a. Baddeley, 1997), in dem bildliche Informationen parallel und unabhängig von der Informationsverarbeitung des zweiten Hilfssystems, der "phonologischen Schleife" ("phonological loop") verarbeitet werden. Während also bei allen Leistungen, bei denen die phonologische Schleife wesentlich beteiligt sein muß (Behalten von Wörtern und Zahlenfolgen, Diskriminierung von Rhythmen, Leistungen beim Nachsprechen von Sätzen), signifikante Unterschiede zwischen den fünf Gruppen auftreten, zeigt sich kein Unterschied bei der Behaltensleistung von räumlich-visuellen Informationen.
Die Interkorrelationen zwischen 24 Indikatoren für sprachliche und sprachunspezifische Leistungen und die resultierenden Faktorenstrukturen bestätigen die Relevanz des phonologischen Subsystems für die Behaltens- und Nachsprechleistungen, denn die Faktorenstrukturen der SLI-Kinder und der sprachunauffälligen Kinder unterscheiden sich deutlich. Bei den sprachunauffälligen Kindern findet sich das in der Literatur beschriebene Beziehungsmuster zwischen Behaltens- und Nachsprechleistungen (Crockett, 1974; Leong et al., 1985) wieder: Die Interkorrelationen sind deutlich höher als bei den SLI-Kindern. Folglich wird auch ein gemeinsamer Faktor extrahiert, den wir als "Faktor der allgemeinen sprachlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit" kennzeichnen. Bei den SLI-Kindern sind diese Leistungen eher dissoziiert und entsprechend auf anderen Faktoren repräsentiert: Neben einem "Faktor des sprachlichen Könnens" wird ein "Faktor des phonologischen Arbeitsgedächtnisses" extrahiert, auf dem im wesentlichen die auditiven Behaltensleistungen höhere Ladungen aufweisen.
Es bleibt zusammenfassend festzuhalten, daß diese Gruppenvergleiche weitere Evidenz für die Annahme modalitätsspezifischer und zwar auditiver Verarbeitungsprobleme bei Teilgruppen von SLI-Kindern liefern.
Die von uns gefundenen Beziehungsmuster sind durch kovariierende Defizite bestimmt; ein Beziehungsmuster, in dem ausschließlich die Nachsprechleistungen defizitär sind, konnten wir nicht finden. Der Vergleich der Beziehungsmuster der einzelnen Subgruppen bestätigt die wiederholt vorgetragene These der Heterogenität des Störungsbildes bei SLI-Kindern: Die Cluster SLI_a und SLI_b sind eher durch eine Kovariation von rhythmischen Fähigkeiten und sprachlichen Fertigkeiten gekennzeichnet, wobei die Cluster SLI_a und SLI_b sich darin unterscheiden, daß die rhythmischen Fähigkeiten bei Cluster SLI_b einen noch stärkeren Einfluß auf die sprachlichen Fertigkeiten zu haben scheinen als bei Cluster SLI_a, da zusätzlich die Flexionfehler mit der Rhythmus-Aufgabe kovariieren. Cluster SLI_c zeigt im Gegensatz dazu eine deutliche Kovariation von phonologischem Arbeitsgedächtnis und sprachlichen Leistungen.
Die drei Cluster der SLI-Kinder können als relativ stabil gelten, denn die jeweiligen Charakteristika (bzw. Defizite) wurden einzeln bereits in zahlreichen Untersuchungen als typisch für die Spezifische Sprachentwicklungsstörung bezeichnet. Hier zeigt sich unseres Erachtens ein Problem vieler Studien, in denen in der Regel nur der Gruppenvergleich zwischen SLI-Kindern und einer vergleichbaren Gruppe sprachunauffälliger Kinder durchgeführt wird und der Stichprobenumfang meist sehr gering ist, so daß vermutlich jeweils unterschiedliche Anteile verschiedener Störungsformen repräsentiert waren.30
Als valide betrachten wir die eingesetzten Aufgaben zur Erfassung der Beziehung zwischen sprachlichen und nicht-sprachlichen Leistungen im übrigen auch wegen der Unterteilung der sprachunauffälligen Kinder in zwei Cluster. Die beiden Cluster der sprachunauffälligen Kinder unterscheiden sich im wesentlichen in der Profilhöhe der Leistungen: Die Kinder des Clusters Vgl_b sind allgemein leistungsschwächer als die Kinder des Clusters Vgl_a.
Die oben angesprochene Problematik vieler Studien läßt sich am Beispiel der Untersuchung von Weinert und Müller (1996) verdeutlichen. Ihre Ergebnisse bezüglich des Einflusses von rhythmischen Fähigkeiten auf die Sprachleistungen bei spezifisch sprachentwicklungsgestörten Kindern können in dieser Verallgemeinerung nicht bestätigt werden. Den Einfluß der rhythmischen Fertigkeiten auf Sprachleistungen können wir zwar ebenfalls auffinden, allerdings nur bei einer Teilgruppe der SLI-Kinder, den beiden Clustern SLI_a und SLI_b, nicht hingegen bei Cluster SLI_c. Da im Cluster Vgl_a zwischen der rhythmischen Diskriminationsleistung und der Nachsprechleistung ähnliche Korrelationen wie bei den beiden Clustern SLI_a und SLI_b bestehen, ist davon auszugehen, daß die Beziehung zwischen rhythmischer Diskriminationsleistung und Nachsprechleistung Ausdruck eines eher allgemeinen und für die Sprachentwicklung notwendigen Zusammenspiels dieser beiden Leistungsbereiche ist. Dies relativiert die Relevanz der Aussagen von Weinert und Müller zur spezifischen Sprachentwicklungsstörung zusätzlich.
Nach Gathercole und Baddeley (1993, p. 32) setzt sich die gesamte zur Verfügung stehende Kapazität des Arbeitsgedächtnisses aus Speicher- und Verarbeitungskapazität zusammen und bleibt über die Entwicklung konstant. Im Entwicklungsverlauf verbessert sich lediglich die effektive Nutzung der Verarbeitungskapazität (zur besonderen Bedeutung des Kurzzeitgedächtnisses in der Entwicklung vgl. auch Gathercole & Baddeley, 1993, p. 219ff., dort auch weitere Hinweise über den engen Zusammenhang von Verstehen und Arbeitsgedächtniskapazität). Hinsichtlich der Entwicklung der Sprachverarbeitung bleibt demnach die Kapazität der phonologischen Schleife konstant, Veränderungen treten aber bei der Kapazität des artikulatorischen Kontrollprozesses auf.31
Das unmittelbare Nachsprechen von Zahlenfolgen gilt als ein guter Indikator für die Kapazität der phonologischen Schleife, wobei einschränkend bemerkt werden muß, daß dies im wesentlichen für die Wiederholung der Zahlen in der vorgegebenen Abfolge (ZNV) gilt. Beim Wiedergeben von Zahlen in der umgekehrten Abfolge (ZNR) kommen zusätzlich Verarbeitungsstrategien hinzu (vgl. u.a. Schumann, 1986), weshalb bei ZNR auch eher von einer Leistungssteigerung mit zunehmendem Alter auszugehen ist (Schöler et al., 1994). Auch das Diskriminieren von Rhythmen (Rhy_Dis) erfordert nicht nur Speicherkapazität, sondern ebenfalls Verarbeitungskapazität im definierten Sinne. Beim unmittelbaren freien Wiedergeben der Wörter sind Unterschiede zwischen den beiden Wortlisten bezüglich dieser unterschiedenen Kapazitäten zu erwarten: Bei der ersten Liste (FWL_1) dürften Beziehungen zwischen den Wörtern (durch die gemeinsamen semantischen Wortfelder) leichter hergestellt werden können als bei der zweiten Liste (FWL_2), die Wörter aus unterschiedlichen Wortklassen enthält und Strategien für die Clusterung der Wörter nicht so offensichtlich sind.
Die Defizite der drei Cluster der SLI-Kinder sind nicht nur bei Aufgaben zu beobachten, in denen eher die Speicherkapazität (ZNV, FWL_2) erfaßt wird, sondern auch bei denjenigen Aufgaben, bei denen eine Interaktion zwischen Speicher- und Verarbeitungskapazität erforderlich ist (ZNR, Rhy_Dis, FWL_1). Die drei Cluster unterscheiden sich allerdings im Anteil der Beteiligung der beiden Kapazitäten. Die Speicherkapazität (ZNV, FWL_2) ist bei Cluster SLI_b im Vergleich zu den beiden anderen Clustern am wenigsten beeinträchtigt. Demgegenüber scheint Cluster SLI_a von besseren Verarbeitungskapazitäten (ZNR, FWL_1) zu profitieren, wie die Differenzen zwischen den jeweils zwei Behaltensleistungen verdeutlichen (siehe Tabelle 23).
Tabelle 23 | Leistungsdifferenzen zwischen den jeweils zwei Indikatoren beim Zahlenfolgen-Nachsprechen (ZNV - ZNR) und bei der Freien Wiedergabe von Wortlisten (FWL_2 - FWL_1) in Abhängigkeit vom SLI-Cluster | ||||||||||||
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Da auch diejenigen Aufgaben eine diskriminative Funktion haben, in denen verstärkt Verarbeitungskapazität erforderlich ist, nehmen wir an, daß neben den bisher von uns festgestellten Defiziten in der auditiven Merkspanne (Schöler et al., 1994) zusätzlich ein Defizit in der Verarbeitungskapazität anzunehmen ist, das dem (subvokalen) artikulatorischen Kontrollprozeß zugrunde liegt. Für die Annahme, daß dabei eher generelle Aspekte der Speicher- und Verarbeitungskapazität betroffen sind, sprechen zwei Beobachtungen: (1) Sowohl beim Diskriminieren von Rhythmen wie auch bei ZNR werden sprachunspezifische Leistungen abgefragt. (2) Die Aufgabe Freie Wiedergabe von Wortlisten, die wir als Indikator für auditiv sprachgebundene Verarbeitungskapazität betrachtet haben, korreliert in keinem der SLI-Cluster statistisch bedeutsam mit dem Nachsprechen von Sätzen wohl aber bei Cluster Vgl_a.
Wir nehmen an, daß die Fähigkeit zur Unterscheidung und Kategorisierung von sprachlichen Informationen und damit nachfolgend zur Generalisierung (Abstraktion, Regelbildung) bei einer Teilgruppe von SLI-Kindern weniger ausgeprägt ist und zu einer Beeinträchtigung beim Aufbau sprachlichen Wissens innerhalb einer sprach-sensiblen Phase32 führt.
Eine Form der Spezifischen Sprachentwicklungsstörung kann dann dadurch gekennzeichnet sein, daß die Erwerbs-/Lernprozesse, für die es Prädispositionen, Beschränkungen und sensible Phasen gibt, nicht umfassend zustandekommen. In der für die Entwicklung spezifischer Sprachareale (analytische Funktionen; linkshemisphärisch) sensiblen Phase tritt eine Störung/Retardierung auf (vgl. dazu Locke, 1994, 1995). So könnte z.B. bei einer Teilgruppe der SLI-Kinder die auditive Verarbeitung gestört sein, die erforderlichen Informationen, die zur Aktivierung der impliziten Regelbildungsprozessse (Vergleichen, Differenzieren, Abstrahieren, Generalisieren) in dem bestimmten Bereich notwendig wären, sind defizienter, unvollständiger Art.
Neben dem Vergleich der Teilgruppen sprachentwicklungsgestörter und sprachunauffälliger Kinder bezüglich der Beziehungsmuster interessierte uns, ob die hier untersuchten Leistungen der SLI-Kinder einen Aufschluß über mögliche Bedingungsfaktoren der Störung geben können. Der "strengen Prüflogik" zufolge (siehe Hasselhorn & Hille, 1997, S. 15) müssen diejenigen Leistungen, die als Kandidat für einen ursächlichen Faktor für die Sprachentwicklungsstörung in Frage kommen, bei SLI-Kindern immer noch schwächer sein als bei sprachleistungsparallelisierten Vgl-Kindern.
Da sich die nach der Sprachleistung parallelisierten SLI- und Vgl-Gruppen beim kurzzeitigen Behalten von Zahlenfolgen unterscheiden - die Leistung bei ZNV ist bedeutsam geringer bei den SLI-Kindern -, ist hiermit ein Kandidat für die Richtung einer Verursachung gefunden: Der auditiven Speicherkapazität kann demnach ein bedingender Einfluß auf die Sprachleistung (hier operationalisiert durch die Leistung beim Nachsprechen von Sätzen) zugesprochen werden.
Die "Gegenprobe" mit Leistungsparallelisierungen nach den Behaltensleistungen beim Zahlenfolgen-Nachsprechen unterstützt diese Folgerung. Bei guten Behaltensleistungen unterscheiden sich SLI- und Vgl-Gruppen nicht bedeutsam, bei geringen Behaltensleistungen hingegen unterscheiden sich die Gruppen bei den Nachsprechleistungen und beim Diskriminieren von Rhythmen. Ein Einfluß des Arbeitsgedächtnisses auf die sprachlichen Fertigkeiten kann somit angenommen werden: Würde das Arbeitsgedächtnis nicht (mit-)bedingend für die Sprachentwicklungsstörung sein, müßte auch bei der Parallelisierung der leistungsstarken Gruppen ein Unterschied bei den Nachsprechleistungen bestehen.
Werden die Gruppen nach der Leistung beim unmittelbaren Wiederholen von Symbolfolgen (SFG) parallelisiert, dann ergeben sich in nahezu allen geprüften Leistungen bedeutsame Unterschiede zum Nachteil der SLI-Kinder. Da sich bei allen unseren bisherigen Analysen (z.B. Schöler & Fromm, 1995) SLI-Kinder und Vgl-Kinder nicht in ihrer SFG-Leistung unterscheiden, interpretieren wir dieses Ergebnis dahingehend, daß den SLI-Kindern bei geringen SFG-Leistungen eine Kompensationsmöglichkeit fehlt. Wir sehen in einer intakten visuellen Informationsverarbeitung eine Möglichkeit, sprachlich-strukturelle Defizite kompensieren zu können. Als eine solche Kompensationsmöglichkeit für eine Teilgruppe der SLI-Kinder betrachten wir auch den in der Schule einsetzenden Schriftspracherwerb.33 In der Schriftsprache werden dem Kind sprachlich-strukturelle Aspekte visuell verdeutlicht. Falls beispielsweise ein Defizit bei der Diskriminierung von Lauten besteht, die Bedeutung signalisieren und die zum Aufbau von Flexionsparadigmen erforderlich sind, beispielsweise die häufig unbetonten Flexionsendungen nicht diskriminiert werden können (vgl. dazu die Hypothese der Wahrnehmbarkeit von Leonard et al., 1987), so werden sie hiermit erstmalig für das Kind wahrnehmbar.
Der Erstspracherwerb einer Teilgruppe der SLI-Kinder weist ab diesem Zeitpunkt des beginnenden Schriftspracherwerbs nach unserer Auffassung viele Ähnlichkeiten mit dem Zweitspracherwerb auf. Die bewußte Auseinandersetzung mit den sprachlichen Strukturen könnte bei diesen Kindern zu einer Kompensation der sprachlich-strukturellen Defizite durch den Aufbau von Fertigkeiten im Sinne Andersons ACT-Modell (Anderson, 1982)34 führen.
Wir haben in unserer Untersuchung vorrangig eine quantitative Analyse der Sprachleistungen von SLI-Kindern geleistet. Weiterführend wäre jedoch notwendig, die Nachsprechleistungen zusätzlich qualitativ zu analysieren, beispielsweise hinsichtlich unserer Unterscheidung von inner- und außersprachlichen Markierungen. Die Auswirkungen der Kapazitätseinschränkungen auf die mentale Repräsentation von Sprache müssen genauer untersucht werden und die Sprachverarbeitung, und dies besonders innerhalb der von uns angenommenen sensiblen Phase für den impliziten Erwerb des Sprachkönnens. Wir können hier Bishop zustimmen: „The problems for the future are not so much to test whether auditory limitations can hinder language acquisition - they undoubtedley can and do - but rather to consider how wide a range of the linguistic and non-verbal deficits seen in SLI children can be attributed to this cause" (1992, p. 23). Notwendig dazu wäre ein Modell, das die Interaktion zwischen den kapazitären Problemen und den Sprachproblemen plausibel vorhersagbar macht. Notwendig wären weiterhin Einzelfallstudien (erste Beschreibungen geben wir in Schöler et al., 1997), in denen besonders die persistierenden Sprachprobleme als Ausgangspunkt detaillierterer Fragestellungen dienen könnten.
Ein Einfluß der eingeschränkten Speicher- und Verarbeitungskapazität auf die sprachlichen Leistungen von SLI-Kindern kann durch eine unvollständige Integration von sprachlichen Einheiten (vgl. Esser & Focken, 1981b, S. 230) erfolgen. Diese kann dazu führen, daß die „Informationseinlagerung in das Langzeitgedächtnis erschwert oder verhindert" wird (Fritz, 1985, zitiert nach Werner, Amorosa & Artner, 1988, S. 77). Eine unvollständige „Einlagerung" von sprachlichen Einheiten kann den Erwerb impliziten sprachlichen Könnens erschweren (wobei die jeweils aktuelle Anwendung des Sprachkönnens im artikulatorischen Kontrollprozeß durch die Anwendung von Regeln, die durch Generalisierungen auf einer unvollständigen Datenbasis entstanden sind, manifest wird). Eingeschränkte Speicher- und Verarbeitungskapazität und zielsprachunangemessenes implizites sprachliches Können bewirken dann zusammen schlechtere sprachliche Leistungen.35
Mit Lombardi und Potter (1992; siehe auch Potter & Lombardi, 1990) kann angenommen werden, daß im Kurzzeitgedächtnis lediglich die lexikalischen Items memoriert werden, nicht aber die morphosyntaktische Struktur eines gehörten Satzes. Diese Items müssen beim Nachsprechen in eine sprachlich-strukturelle Abfolge gebracht werden. Dabei läuft ein artikulatorischer Kontrollprozeß ab, in dem die implizit erworbenen strukturellen Bildungsregeln zur Anwendung kommen und die memorierten Items morpho-syntaktisch verbunden werden. Hier könnten die von uns analysierten „innersprachlich motivierten" Formen besonders relevant für die Rekonstruktion werden. „Innersprachliche motivierte" Formen ermöglichen eine gezielte Clusterung und damit verbunden eine Steigerung der Verarbeitungskapazität. Je mehr Regeln ein Kind zur Clusterung erwirbt, desto besser wird es sich die Zielsprache aneignen können. Eine Teilgruppe spezifisch sprachentwicklungsgestörter Kinder hingegen behält nicht nur weniger Items/Satzeinheiten, da die Merkspanne im Vergleich mit sprachunauffälligen Kindern eingeschränkt ist, sondern produziert auch aufgrund der eingeschränkten Verarbeitungskapazität bei memorierten Items, die in ein sprachlich-strukturelles Gefüge 'übersetzt' werden müssen, mehr Fehler als sprachunauffällige Kinder. Spezifisch sprachentwicklungsgestörte Kinder können die morpho-syntaktische Rekodierung der im Kurzzeitgedächtnis behaltenen lexikalisierten Items aufgrund defizitärer impliziter Regelbildungen möglicherweise nur partiell, d.h. überwiegend bei „außersprachlich motivierten" Formen vornehmen, die semantisch repräsentiert sind.
„Innersprachlich motivierte" Formen wären dann nicht nur im Sinne der „surface-deficit" These von Leonard als im Reden „verschliffene" Stellen zu verstehen, die Kinder nur unzureichend hören, sondern auf das Erlernen der strukturellen Verarbeitung (qualitativ) zu untersuchen. Eine vergleichbare Abgrenzung müßte auch von der „feature blindness" These bei Gopnik (1990a, 1990b) sowie Gopnik und Crago (1991) vorgenommen werden. Die Defizite bei der satzstrukturellen Verarbeitungstiefe sind nicht vor dem Hintergrund von Grammatik-Genen vorzunehmen, sondern in Hinsicht auf die defizitäre neurophysiologische Basis des Sprachlernens und deren Auswirkung auf die Repräsentation sprachlichen Könnens.
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Sätze der Aufgabe "Nachsprechen von Sätzen"
Version A
1. Der Junge hat seiner Schwester einen Hasen geschenkt, der ein braunes Fell hat.
2. Das Mädchen hat im Nachbarort eine Schule besucht, die einen großen Pausenhof besitzt.
3. Die Familie wird ein Haus im Grünen beziehen, das einen großen Garten hat.
4. Nach seiner Krankheit hat das Kind eine lange Erholungsreise mit seinen Eltern gemacht.
5. Die Blumenzwiebeln, die der Gärtner in die Kästen pflanzt, werden im Frühjahr blühen.
6. Vor dem Fest hat die Frau für ihre Familie viele gute Sachen gebacken.
7. Beim Spielen auf der Straße ist das Kind von einem Auto angefahren worden.
8. Der Mann wird seiner Frau ein Schmuckstück schenken, das sie sich selbst aussucht.
9. Die Schüler, die im Unterricht mitgearbeitet haben, machen in den Klassenarbeiten weniger Fehler.
10. Nach dem Arztbesuch ist der Kranke von einem Taxi nach Hause gefahren worden.
11. Das Auto, das vor dem Haus gestanden hat, ist am Kotflügel stark beschädigt.
12. Das Ehepaar, das in unsere Wohnung einziehen wird, wohnt zur Zeit im Nachbarort.
Kunstwortsätze
13. Die Toguls gornteten den Tipen.
14. Eine Sabel wird den Schloger kiben.
15. Das Wedem wird von dem Plama gesobt.
16. Ein Molt ist von dem Fix gepalzt worden.
Version B
1. Die Frau hat sich zum Kaffee mit einer Freundin getroffen, die nebenan wohnt.
2. Die Kinder haben beim Spazierengehen einen Spielplatz entdeckt, der ihnen sehr gut gefällt.
3. Der Arzt wird dem Kranken eine Arznei verschreiben, die gegen seine Erkältung hilft.
4. Nach dem Unterricht sind die Schüler von einem Bus nach Hause gefahren worden.
5. Die Autos, die im Halteverbot stehen, werden von der Polizei bald abgeschleppt werden.
6. Sonntags haben die Eltern ihre Kinder zu einem Ausflug in die Stadt eingeladen.
7. Nach dem Unterricht hat der Musiklehrer dem begabten Schüler ein großes Lob ausgesprochen.
8. Der Schulabgänger wird sich eine Lehrstelle suchen, die ihm viele berufliche Möglichkeiten bietet.
9. Die Hündin, die dem kleinen Mädchen gehört, hat vor kurzem mehrere Jungen bekommen.
10. Vor Sonnenuntergang sind die Kühe vom Bauer in den Stall getrieben worden.
11. Das Pferd, das auf der Weide steht, hat schon viele Rennen gewonnen.
12. Die Bäume, die durch die Luftverschmutzung abgestorben sind, werden von Waldarbeitern gefällt werden.
Kunstwortsätze
13. Die Gurwen silgen hinter dem Larko.
14. Ein Losse hat den Ferling gelöbelt.
15. Der Purr wurde von dem Kom gelembert.
16. Ein Knig wird von dem Rim getockt werden.
Fußnoten
1 Zu einem Überblick über die
modernen physiologischen, pharmakologischen, radiologischen und morphologischen
Methoden im Zusammenhang mit Sprachstörungen siehe Oláh (1996).
2 „Einige Dyslektiker haben
beispielsweise Schwierigkeiten bei der Verarbeitung einer Vielzahl schneller
sensorischer Signale, und diese Defizite hemmen dann möglicherweise die
Sprachentwicklung und Sprachverarbeitung. Dieser ganze Komplex neurobiologischer
Befunde muß allerdings so lange vorsichtig interpretiert werden, bis eindeutig
geklärt ist, daß die untersuchten Menschen tatsächlich eine einzige
neurologische Störung aufweisen" (Kandel, 1996, S. 663).
3 Wir verwenden hier diese
Bezeichnung für alle diejenigen Sprachentwicklungsstörungen, bei denen
insofern eine erwartungswidrige Minderleistung vorliegt, als keine Hörstörungen,
massiven emotionalen Beeinträchtigungen, Intelligenzminderungen oder
hirnorganischen Schädigungen diagnostiziert werden konnten (zur
Definitionsproblematik siehe u.a. Bishop, 1992; Dannenbauer, 1983; Schöler,
Dalbert & Schäle, 1991).
4 Wiederholt wurde beobachtet, daß
neben sprachlichen auch Wahrnehmungs- (u.a. Eisenson, 1972, 1985; Tallal, 1980;
Tallal & Piercy, 1978; zsf. Cromer, 1978; Kamhi, 1993) und kognitive
Defizite (zu einem Überblick siehe Johnston, 1994) bei spezifisch
sprachentwicklungsgestörten Kindern auftreten.
5 Von einem solchen
„Instinkt" sind wir nicht überzeugt. Wohl gehen wir davon aus, daß der
Mensch über spezifische Strukturen verfügt, die für „Sprache" prädisponiert
sind, und daß sich im Entwicklungsverlauf modulare Strukturen für die
Sprachverarbeitung herausbilden. Wie eine Zwillingsuntersuchung von Breuer und
Weuffen (1988) eindrucksvoll belegt, sind die äußeren Umstände doch
wesentlich effektvoller in Hinblick auf die Sprachentwicklung, als es die
Annahme eines Sprachinstinktes zulassen dürfte.
6 Auch ein Erwerbsmodell, das
sich auf die Aktivierung eines Parameters durch den Kontakt mit der Sprache
beruft, verlangt eine kognitive Interpretationsleistung (vgl. Haider, 1993, S.
2f.). Das Kind muß erkennen können, welche Informationen regelrelevant sind
und welche nicht. Erst die Ausbildung sprachrelevanter Erkennungsmuster ermöglicht
eine weiterreichende Strukturierung sprachlichen Wissens.
7 Vgl. u.a. die Untersuchungen
von Shaywitz, Shaywitz, Pugh, Constable, Skudlarski, Fulbright, Bronen,
Fletcher, Shankweiler, Katz und Gore (1995), die einen geschlechtsspezifischen
Unterschied auch für die Verarbeitung von Sprache annehmen. Wenn nun, wie diese
Forscher feststellen, daß Gehirn auf vielen Wegen zum gleichen (bzw. ähnlichen)
Resultat kommen kann, dann ist die These von einer Identität symbolischer Repräsentation
und neuronaler Basis entweder informationsverarbeitend zu modifizieren oder ganz
aufzugeben.
8 Eine Diskussion der Grenzen
Chomskyscher Annahmen bieten Kany und Waller (1995).
9 Untersucht wurden die Morpheme
bei Verbflexion (Präsens, Vergangenheit), Plural, Kongruenz der Nominalphrase
und Akkusativ.
10 Kritisiert wurde an den
Arbeiten von Leonard und Mitarbeitern, daß sie keine Trennung zwischen Syntax
und Semantik leisten und daher nicht deutlich wird, wie grammatische Aspekte mit
inhaltlichen korrelieren bzw. wie sich sprachliches Regelwissen ausbildet (siehe
Bishop, 1992).
11 Reber (1989) nimmt zwei
Komponenten an, die für den Aufbau impliziten Wissens wichtig sind: ein
inzidenteller Prozeß der Aufnahme von Wissen und daraus folgende implizite
„abstrakte" Wissensstrukturen (tacit knowledge). Im Vergleich zu
Chomsky (1996) fügt Reber der Komponente der Wissensstrukturen eine Prozeßkomponente
hinzu, mit der die Strukturen der Wissenskomponente erst aufgebaut werden.
Buchner (1993) weist darauf hin, daß bei der Modellierung impliziten Lernens
grammatischer Strukturen Parallelen zwischen implizitem Lernen und Konzepterwerb
bestehen, Ähnlichkeitsvergleiche und Lernen impliziter Regeln sind nicht immer
zu trennen.
12 Eine Diskussion der
Ergebnisse von van der Lely und Howard (1993) halten wir hier für nicht
angebracht. Grundsätzlich wollen wir aber darauf hinweisen, daß ein
linguistisches Defizit, wie es von den Autorinnen angenommen wird, durchaus auch
ein Effekt der Verarbeitungsdefizite im Arbeitsgedächtnis sein kann.
13 Weinert bleibt bei der
Auswertung der Befunde uneindeutig. Sie will die Prosodie erfassen und mißt
aber nur richtig wiedergegebene Wortstämme, ohne zu erwähnen, wie sich Wortstämme
in Hinsicht auf prosodische Eigenschaften der Sprache verhalten: Die Auswertung
von Wortstämmen verhält sich kontraindikatorisch zum Bereich von Intonation
und Rhythmus. Demnach ist - einmal abgesehen von den aufgefundenen Differenzen -
unklar, was Weinert gemessen hat. Das Vorgabematerial ist nicht ausschließlich
im Sinne der untersuchten Leistungsbereiche ausgewählt. Weinert wertet aus, was
man linguistisch Wortakzent nennen könnte, gibt aber Satzakzente vor. Silben wären
eher auf den Intonationsverlauf von Sätzen zu beziehen gewesen als Wortstämme.
Von daher bleibt unklar, in welchen Fähigkeiten sich die Gruppen unterscheiden.
Hakkarainen schreibt in der Einführung in die Phonetik des Deutschen: „Jeder
Satztyp verfügt damit über ein ihm eigenes Merkmalbündel von syntaktischen,
morphologischen und intonatorischen Merkmalen und unterscheidet sich von jedem
anderen Satztyp" (1995, S. 160). Wenn sich das so verhält, müßte Weinert
ihre Aussagen zusätzlich noch auf den vorgegebenen Satztyp einschränken.
14 Das sprachliche Regelsystem
setzt sich aus der phonetischen Form und einem Regelinventar zur Erzeugung
syntaktischer Strukturen zusammen, der Lautstrom wird formal interpretiert (zu
einem Überblick vgl. Warren, 1996).
15 Dies Ergebnis hat eine
Parallele in neueren neurophysiologischen Studien. Intonation und Rhythmus
werden rechtshemisphärisch verarbeitet, wohingegen das Sprachzentrum in der
Regel links lokalisiert ist. Vgl. u.a. die Untersuchungen von Shaywitz et al.
(1995), die einen geschlechtsspezifischen Unterschied auch für die Verarbeitung
von Sprache festgestellt haben: Bei Frauen ist gegenüber Männern eine verstärkte
Aktivität rechtsseitiger Gehirnregionen festzustellen, dies könnten die
Regionen sein, die laut Müller für die intonatorische und rhythmische
Verarbeitung von Sprache zuständig sind.
16 Es muß angemerkt werden, daß
aufgrund der Heterogenität und der unterschiedlichen Ätiologien und
Bedingungsgefüge hier immer nur eine Teilgruppe der sprachentwicklungsgestörten
Kinder gemeint sein kann.
17 Vgl. dazu auch die
linguistischen Analysen zu einer Natürlichkeitsmorphologie, in denen
morphologische Vorkommnisse danach unterteilt werden, ob sie sprachsystemabhängig
oder sprachsystemunabhängig sind (Dressler, Mayerthaler, Panagl & Wurzel,
1987). Systemunabhängig sind Formen, die den Prinzipien der Ikonizität,
Uniformität und Transparenz folgen (eine Funktion - eine Form, vgl. Bittner,
1996, S. 10). Systemabhängig sind Formen, die den Prinzipien der
System-Kongruenz und der Gruppen-Stabilität folgen (z.B. der Kasus). Im
Unterschied zu Dressler et al. betrachten wir die Unterscheidung nicht innerhalb
einer Sprachuniversalienforschung, sondern beschränken uns auf den
entwicklungspsychologischen Aspekt, d.h. die psychologischen Bedingungen des
Erlernens der unterschiedenen Markierungen.
18 Die Argumentation von Clahsen
et al. (1997) erscheint uns in Detailfragen nicht unproblematisch, weil er die
Relevanz von Auftretenshäufigkeiten von bestimmten `Fehlern' übersieht. Auch
wenn ein `Fehler' nur selten auftritt, heißt das u.E. nicht, daß er bei der
Beschreibung der Sprachentwicklungsstörung vernachlässigt werden darf. Die
beobachteten Fehler betreffen nicht nur die Subjekt-Verb-Kongruenz, und selbst
im Fall einer hohen Fehlerhäufigkeit bei der Subjekt-Verb-Kongruenz machen
nicht alle SLI-Kinder bei allen Sätzen, die sie sprechen, Fehler. Auch SLI-Kinder
sind in der Lage, mitunter korrekte Kongruenzverhältnisse auszudrücken. Dies
gilt es dann zu erklären und nicht zu vernachlässigen.
19 Indirekte Hinweise auf den
Zusammenhang zwischen Kurzzeitgedächtnis und Nachsprechleistungen liefern auch
faktorenanalytische Studien. In der Studie von Crockett (1974) wurden 353
Schulkindern im Alter zwischen 6 und 13 Jahren insgesamt 19 verschiedene Tests
vorgegeben. Bei einer Vier-Faktoren-Lösung zeigt sich, daß auf einem Faktor
nur das Zahlen-Nachsprechen rückwärts, die Zahl korrekt reproduzierter Silben
und die durchschnittliche Wortzahl der richtig produzierten Sätze lädt. Ein
weiterer Faktor wird gebildet durch das Zahlen-Nachsprechen vorwärts, die Zahl
korrekt reproduzierter Sätze, die größte Zahl korrekt reproduzierter Silben
und die Silbenzahl des letzten korrekt reproduzierten Satzes. Auch bei einer
faktorenanalytischen Studie zur simultanen und sukzessiven
Informationsverarbeitung von Leong, Leong und Das (1985) - untersucht wurden 66
Viert- und 63 Sechstklässler - wurde ein Faktor gefunden, auf dem nur das
Satz-Nachsprechen, das Zahlen-Nachsprechen und weitere auditiv-serielle
Wiedergabeleistungen laden.
20 Die Autoren vertreten im übrigen
die Auffassung, daß eine mangelnde Dominanz einer Hirnhemisphäre
(mit)bedingend für die Sprachentwicklungsstörung sei.
21 Solche Parallelisierungen
nach dem Leistungsstand, die heutzutage in den wissenschaftlichen Zeitschriften
bei Spracherwerbsstudien (z.B. Parallelisierung nach dem Kennwert MLU)
verlangt werden, sind unseres Erachtens ausgesprochen problematisch, weshalb wir
in unseren bisherigen Analysen auch immer auf solche „Kontroll"gruppen
verzichtet haben. Bei sprachentwicklungspathologischen Studien bedeutet dies
sehr häufig, daß Altersdifferenzen von drei und mehr Jahren in der mittleren
Kindheit in Kauf genommen werden, um dem Kriterium der Leistungsparallelisierung
gerecht zu werden. Damit ist stillschweigend die starke Annahme impliziert, daß
es sich bei diesen sprachlichen Leistungen um isoliert sich entwickelnde
Leistungsdomänen handeln würde. Geht man dagegen von wechselseitig sich
beeinflussenden Wissensdomänen aus, so befinden sich Kinder in der mittleren
Kindheit, die sich altersmäßig um drei und mehr Jahre unterscheiden, in der
Regel auf sehr unterschiedlichen Fähigkeitsniveaus in kognitiven und anderen
Domänen.
22 Die Einbeziehung der Klassen
5 bis 9 der Vergleichsgruppe ist aus zwei Gründen problematisch, wie wir dies
1990 ausgeführt haben (siehe dazu Schöler, Dalbert & Schäle, 1990,
S.5f.).
23 Diese Analysen wurden mit den
entsprechenden Statistikroutinen des SAS (CLUSTER, NEIGHBOR, DISCRIM) durchgeführt.
Die Clusteranalysen wurden mit altersbereinigten Werten berechnet.
24 Eine geringfügige Abweichung
liegt in Gruppe Vgl_a (N = 33) vor, der drei sprachauffällige
Kinder zugeordnet werden. Es ist allerdings fraglich, ob diese drei Kinder
zutreffend als „spezifisch sprachentwicklungsgestört" diagnostiziert
wurden.
25 Eine Anmerkung zu den
Altersdifferenzen: Erwartungsgemäß sind die sprachunauffälligen Kinder
bei fast allen leistungsparallelisierten Gruppenbildungen - zum Teil erheblich -
jünger. So ist die Gruppe SLIZN+ mit 13;10 Jahren
durchschnittlich mehr als 4½ Jahre älter als die Vergleichsgruppe VglZN+
(Altersdurchschnitt 9;2 Jahre; vgl. Tabelle 16). Der Altersunterschied zwischen
den Gruppen SLIImi_sem+ und VglImi_sem+ ist
ebenfalls beachtlich: Fast vier Jahre sind die sprachentwicklungsgestörten
Kinder im Durchschnitt älter als die sprachunauffälligen Kinder. Auf dem
Hintergrund dieser Altersdifferenzen bleibt es unseres Erachtens fragwürdig, ob
solche Parallelisierungen, auf die wir uns hier aufgrund des
„Gruppendrucks" der „scientific community" einlassen, sinnvolle
Interpretationen der dabei resultierenden Vergleiche zulassen.
26 Die
Zahl der Kinder reduziert sich um 6, da diese alle Sätze vollkommen korrekt
reproduzieren konnten.
27 Zu den Beziehungen
zwischen den einzelnen Behaltensmaßen siehe Schöler, Fromm, Jeutner und Kürsten
(1994).
28 Die Berechnung dieses
Indikators "Auslassungen" erfolgte erst im Rahmen der vorliegenden
Analyse.
29 Da die Berechnungen auf
Rohwertbasis durchgeführt wurden, haben wir geprüft, ob sich das Alter
bedeutsam auf die Höhe der Korrelationen auswirkt. Die
Partialkorrelationskoeffizienten unterscheiden sich nur unwesentlich von den
Korrelationskoeffizienten, so daß die weiteren Berechnungen auf den nicht
alterspartialisierten Koeffizienten beruhen.
30
Auch unsere früheren Untersuchungen sind hier eingeschlossen, obwohl wir
zumeist in diesen Studien auf die Heterogenität hingewiesen haben und in diesen
Untersuchungen in der Regel die Reliabilität und diskriminative Validität der
eingesetzten Verfahren im Vordergrund stand.
31
Hinweise auf die Veränderungen der Kapazität des artikulatorischen
Kontrollprozesses liefert z.B. die Fähigkeit zum Clustern bzw. zur Gruppierung
von sprachlicher Information zu größeren Einheiten (Friederici, 1996a, 1996b,
spricht von Strukturierung). Beim Nachsprechen von Sätzen ist dies die Fähigkeit
der Kinder, aus dem Gehörten unter Verwendung "inner-" und "außersprachlich-motivierter"
Markierungen größere Satzeinheiten zu bilden.
32
Im Zeitalter von Windows werden sensible Phasen meist
"Entwicklungsfenster" genannt (siehe Friederici, 1996a, 1996b; siehe
aber auch schon Dölle, in dessen Theorieentwicklungen das "Fenster zur
Welt" eine bedeutende Rolle spielte: "Der Seher vernimmt höchstens
Welt. Einsicht gibt es nicht" (1968, zitiert nach Stapf, 1974, S. 56).
33 In der
mittleren Kindheit steigt das (meta)sprachliche Wissen sprunghaft an
(Karmiloff-Smith, 1979; Schöler, 1982), das wir als eine Kompensationsmöglichkeit
für Teilgruppen von SLI-Kindern bereits andernorts diskutiert haben
(siehe u.a. Schöler, Fromm & Kürsten, 1993).
34 Kirsner
und Speelman (1993) haben dieses Fertigkeits-Erwerbsmodell auf lexikalische
Prozesse angewendet. Ein solches ACTL-Modell kann nach Auffassung von
Kirsner und Speelman viele der untersuchten lexikalischen Phänomene erklären.
Die Autoren gehen in ihrer Schlußfolgerung sogar noch weiter: "This
suggests that linguistic processes may not be distinct from other cognitive
processes as has traditionally been assumed" (1993, p. 325).
35 Die
Unterschiede zum unauffälligen Spracherwerb zeigen sich z.B. in der Strategie
bei der Reproduktion bzw. Rekonstruktion eines Satzes (vgl. dazu Kratzer &
Schöler, 1992): Sprachunauffällige Kinder, die die Satzaussagen verstanden
haben, (re-)produzieren u.U. zwar nicht die geforderte, jedoch eine korrekte
Satzstruktur, während spezifisch sprachentwicklungsgestörte Kinder mangels
sprachlich-strukturellen Wissens weder semantisch noch syntaktisch sinnvolle Sätze
(re-)konstruieren. Im Gegensatz zu den sprachunauffälligen Kindern profitieren
die spezifisch sprachentwicklungsgestörten Kinder auch nicht von einer
semantischen Nachsprech-Strategie. Wörter oder Phrasen, die den spezifisch
sprachentwicklungsgestörten Kindern bekannt sein dürften, werden nicht
isoliert und in eine sinnvolle oder fehlerlose Satzstruktur eingebettet. Die
Rekodierungen der behaltenen Items gelingen nicht in einer kongruenten Weise.