Biografie: Adele Morgenthau

Nachname: Morgenthau
Vorname:Adele
Geburtsort:Mußbach
Geburtsdatum:11.08.1885

Persönlicher Hintergrund und gesellschaftliches Umfeld

Adele Morgenthau wurde am 11.08.1885 in Mußbach, in der Nähe von Neustadt geboren. Seit 1917 wohnte sie gemeinsam mit ihrem Bruder Daniel Morgenthau am Marktplatz 8, ehemals Adolf-Hitler-Platz 8. Daniel wurde am 03.06.1881 in Ludwigshafen geboren. Über die Eltern der beiden ist nicht viel bekannt. In der Geburtsurkunde von Daniel sind Heinrich und Lea Morgenthau als dessen Eltern vermerkt. Dass es sich hierbei auch um die Eltern von Adele handelt, ist zu vermuten. Einer weiteren Geburtsurkunde der Stadt Ludwigshafen ist zu entnehmen, dass Lea und Heinrich Morgenthau bereits einen Sohn namens Michael hatten, der am 31.03.1880 geboren war. Über ihn liegen ebenfalls keine weiteren Informationen vor.

Am Markplatz 8 bewohnten Adele und Daniel die erste Etage. Die Wohnung gegenüber wurde von Frau H. und ihrer Familie bewohnt, von ihr stammen auch die Erinnerungen über die Geschwister Morgenthau. Das Haus steht auch heute noch und es befinden sich verschiedene Läden darin.

 Wie die Adresse schon vermuten lässt, wohnten die Geschwister sehr zentral in Neustadt. Nach einer Ausbildung zur Kontoristin eröffnete Adele dort ein Geschäft für Handarbeitswaren. Sie vertrieb beispielsweise Wolle, Garn, Tischdecken und Kissen zum Besticken, Taschentücher oder auch kleine Webrahmen. Adele Morgenthau wurde als „fleißig, flink und außerordentlich zuvorkommend“ (Schmidt-Häbel, 2005b, S. 223) beschrieben. Zudem werden ihr eine große Auswahl und niedrigere Preise als bei anderen Geschäftsleuten nachgesagt. Laut Aussage von Frau H. hatte sie deshalb Kundschaft aus allen Schichten der Bevölkerung. Auch erinnert sie sich daran, dass die Lehrerin in der Schule ihr die Empfehlung aussprach, Utensilien für den Handarbeitsunterricht bei Fräulein Morgenthau zu kaufen. Diese Anrede schien für Adele Morgenthau von großer Bedeutung gewesen zu sein.

Adeles Bruder Daniel Morgenthau war im ersten Weltkrieg Teil des bayerischen Heers. Nach Kriegsende (was er vor dem Krieg beruflich machte ist nicht bekannt) arbeitete er als Kaufmann bei der Firma Schwarz & Dützmann in Neustadt. Dort hatte er „eine gute Stellung“ (ebd.).

Leben im Nationalsozialismus

Auch in Neustadt verlor ein Großteil der jüdischen Bevölkerung durch die Politik der Nationalsozialisten ihre Arbeit. Doch die Firma Schwarz & Dützmann beschäftige Daniel Morgenthau noch immer. Es ist sogar davon die Rede, dass er bis kurz vor der Deportation dort arbeitete. Da die Einschränkungen jedoch bereits zuvor gravierend waren und die Zeitangabe sehr vage ist, ist diese Aussage vorsichtig zu beurteilen. Frau H. erinnert sich, dass er in den Jahren 1937 und 1938, als die Einschränkungen im privaten und beruflichen Leben und die Boykotte beziehungsweise deren Androhungen weiter zunahmen, das Haus sehr früh verließ und erst spät abends wieder nach Hause zurückkam. Er hätte Angst gehabt, jemandem auf der Straße zu begegnen und dass ihm etwas zustoßen könne.

Seit dem 25.10.1938 engagierte sich Daniel Morgenthau im Synagogenrat. Dort übernahm er die Aufgabe des Rechners der Jüdischen Winterhilfe und des Israelitischen Armen- und Unterstützungsvereins. Dies verwundert, da es scheint, als hätte er zuvor kein enges Verhältnis zur Synagoge gepflegt. Seine genauen Beweggründe für das plötzliche Engagement sind nicht genau nachvollziehbar, es ist jedoch denkbar, dass er in dieser schwierigen Zeit und der damit verbundenen Anhäufung immer neuer Probleme die Kultusgemeinde unterstützen wollte.

In der Reichspogromnacht wurde auch Daniel Morgenthau in seiner Wohnung festgenommen und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Er wurde dort etwas länger als einen Monat, bis zum 16.12.1938, inhaftiert. Adele ging nach den Ereignissen der Pogromnacht zu Verwandten nach Frankfurt. Es ist zu vermuten, dass sie beunruhigt und allein war und deshalb so handelte. Nach zwei bis drei Wochen kehrte sie allerdings wieder nach Neustadt zurück. Durch die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12.11.1938, welche das Schließen aller jüdischen Geschäfte und Handwerksbetriebe vorsieht, ist zu vermuten, dass das Handarbeitsgeschäft von Fräulein Morgenthau spätestens dann geschlossen werden musste. Ob dies allerdings schon vorher geschah sowie generell genauere Umstände über den Verlauf des Geschäfts sind jedoch nicht bekannt.

Im Jahr 1939 trat das Reichsgesetz über „Mietverhältnisse mit Juden“ in Kraft. Dieses verhinderte freie Wohnungswahl und sorgte dafür, die jüdische Bevölkerung zwangsweise in Häusern in jüdischem Besitz zu konzentrieren. Auch in Neustadt wurden solche „Judenhäuser“ eingerichtet. Am 01.02.1939 drangen SS-Männer in beide Wohnungen am Marktplatz 8 ein. Die Familie von Frau H. konnte nachweisen, dass sie nicht jüdisch war. Die Geschwister Morgenthau bekamen allerdings mitgeteilt, dass sie zwei Stunden hätten, um ihr Hab und Gut zusammenzupacken und dann abgeholt werden würden. Die Nachbarn, Familie H., unterstützten die Morgenthaus, indem sie ihnen Koffer zur Verfügung stellten. Durch Initialen auf den Koffern wurde jedoch der eigentliche Besitzer der Koffer festgestellt und der Familienvater wurde aufgrund dieser Hilfeleistung festgenommen. Seine Haft dauerte allerdings nur zwei Tage. Diesen glimpflichen Ausgang führt Frau H. auf ein Gespräch ihres kleinen Bruders mit seinem Klassenkameraden, dem Sohn des Gauleiters Bürckel, zurück.

Daniel und Adele Morgenthau wurden in der Matzenbäckerei in der Ludwigstraße 10 untergebracht. Auch diese war bereits geschlossen. Die beiden lebten dort gemeinsam mit anderen jüdischen Familien, welche ebenfalls aus ihren Wohnungen vertrieben wurden. Über die Dauer des Aufenthalts der Geschwister in der Backstube gibt es unterschiedliche Angaben. Entweder wurden sie bereits nach einigen Tagen nochmals umquartiert und in das Haus der Familie Nathan in der Volksbadstraße 3 gebracht, oder sie blieben knapp zwei Jahre bis zur Deportation nach Gurs in der Matzenbäckerei.

Deportation

Am 22.10.1940 wurden Adele und ihr Bruder Daniel nach Gurs deportiert. Ab diesem Zeitpunkt gibt es nur noch sehr wenige bis keine Informationen über die Geschwister. Bekannt ist, dass Adele Morgenthau am 10.08.1942 mit dem Transport Nr. 17 nach Auschwitz deportiert wurde. Seit diesem Zeitpunkt gilt sie als verschollen. Ihr Bruder Daniel Morgenthau wurde am 26.02.1943 nach Drancy und von dort aus am 04.03.1943 mit dem Transport Nr. 50 nach Lublin-Majdanek gebracht. Auch er gilt seitdem als verschollen.