Biografie: Gertrude Margarete Sondheimer, geb. Kehr

Nachname:Sondheimer, geb. Kehr
Vorname:Gertrude Margarete
Geburtsort:Worms
Geburtsdatum:13.11.1895

Kurzbeschreibung

Gertrude Margarete Sondheimer, geb. Kehr, lebte bis 1939 mit ihrer Familie in Worms. Die Familie zog zusammen mit Gertrudes Eltern, Adolf und Sofie Kehr, als Folge der Reichspogromnacht nach Heidelberg. Von dort wurden sie im Zuge der Wagner-Bürckel-Aktion am 22.Oktober 1940 in das „Camp de Gurs“ in Frankreich deportiert. Die Familie Sondheimer konnte zunächst in die Dominikanische Republik und weiter in die USA emigrieren. Das Ehepaar Kehr musste in Frankreich bleiben, wo Adolf 1944 starb. Sofie Kehr konnte in Frankreich überleben und 1946 zu ihrer Tochter Gertrude in die USA auswandern.

Das Leben in Worms

Gertrude wurde am 13.11.1895 als zweites Kind den Eltern Adolf und Sofie (geb. Strauß) Kehr geboren. Die Eltern, der zwei Jahre älterer Bruder Heinrich und Gertrude lebten seit 1905 in der Kaiser-Wilhelm-Straße 12 (heute Wilhelm-Leuschner-Straße) in der Innenstadt Worms. Gertrudes Vater betrieb eine Weinkommission, die als angesehen und gut gehend beschrieben wurde.Das Geschäft befand sich lange in der Wohnung der Familie, wurde jedoch im Jahre 1930 in die Kriemhildenstraße 20 verlegt.

Über die Kindheit ist nichts Genaues bekannt, da Adolf und Sofie aber später von ihrer Enkelin Lore als sehr gläubig bezeichnet wurden, ist zu vermuten, dass die Familie nach den Bräuchen der jüdischen Religion lebte und die Kinder entsprechend erzogen wurden. Dazu passt auch, dass Adolf im Vorstand der jüdischen Gemeinde war und dort im Chor mitsang. Im November 1920 heiratete Gertrude Jakob Sondheimer und zog mit ihm in das eigene Haus in der Seidenbenderstraße 26. Jakob Sondheimer war als Kaufmann Mitinhaber einer Getreide- und Futtermittelhandlung. Am 02.12.1922 kam ihre erste Tochter Miriam zur Welt. Einige Jahre später, am 24.05.1929, wurde die zweite Tochter Leonore, genannt Lore/Lorle, geboren. Bereits seit dem Jahr 1924 war Jakob auch Besitzer des Hauses Bahnhofstraße 24, in dem der Firmensitz war und zwei seiner Geschwister lebten. Die Familie lebte einige Zeit in guten Verhältnissen, sodass die Kinder Musik- und Sprachunterricht nehmen konnten und Gertrude sich als Hausfrau um den Haushalt und die Erziehung kümmern konnte.

Das Leben nach 1933

Mit Einsetzen der zunehmenden Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung ging auch das Geschäft der „Sondheimer Getreide- und Futtermittel GmbH“ zurück. Im Jahr 1934 zog die Familie in ein Mehrfamilienhaus in der Berggartenstraße 8. Durch die Diskriminierung in der Gesellschaft und die Schikanen in der öffentlichen Schule, die Miriam einige Jahre besuchte, zog sich die Familie immer mehr in die jüdische Gemeinschaft zurück. Dies führte auch dazu, dass Jakob 1935 bei der Gründung der jüdischen Schule in Worms mitwirkte und Lore von Anfang an nur in diese Schule ging. Auch das Weingeschäft von Gertrudes Vater und ihrem Bruder ging immer schlechter und da Heinrich mit seiner Familie 1937 in die USA auswanderte, musste das Geschäft in diesem Jahr aufgegeben werden.

Gertrudes Tochter Lore erinnerte sich in einem Interview 1992 an die Reichspogromnacht 1938, bei der nur Lore und ihre Mutter in Worms zugegen waren. Ihrer Aussage nach hatten sich die beiden, nachdem sie erfuhren und auch sahen, dass die Synagoge brannte, zunächst auf dem Dachboden des Wohnhauses versteckt. Nach einiger Zeit beschlossen sie in die Büroräume der Firma ein paar Straßen weiter zu gehen. Dort trafen sie auf einige Verwandte, die ebenfalls auf der Suche nach Sicherheit waren. Auch Gertrudes Eltern kamen hinzu, da ihre Wohnung vollständig zerstört worden war. In dem Interview vermutete Lore, dass sie in den Räumen sicher waren, weil der nicht-jüdische Hausmeister, der ebenfalls eine Wohnung in dem Haus der Firma hatte, in der NSDAP war. An anderer Stelle wurde jedoch berichtet, dass die Geschäftsräume der Futterhandlung verwüstet wurden. Lore berichtete auch, dass sie und ihre Mutter noch einige Zeit in den Räumen der Firma blieben und sie in der folgenden Nacht versuchte auf einem Stuhl zu schlafen. Als Folge der Zerstörungen zogen Gertrudes Eltern, das Ehepaar Kehr, zunächst zu ihnen in die Wohnung in der Berggartenstraße 8, in der die Gemälde zerstört worden waren. Die Eigentümerin der Wohnung ließ jedoch kurze Zeit später den Mietvertrag der Familie Sondheimer auslaufen, weshalb die Familie umziehen musste. Kurz davor war eine Schwester von Jakob emigriert, sodass die Familien Sondheimer und Kehr Anfang 1939 in die freigewordene Wohnung in Heidelberg ziehen konnten. In Heidelberg schien das Leben zunächst einfacher zu sein, da die Familie und ihre Glaubensrichtung dort nicht bekannt waren. Allerdings wurde das Haus, in dem sich die Wohnung befand, 1939/1940 zu einem sog. „Judenhaus“, da sowohl die Besitzerin als auch alle Mieter jüdischen Glaubens waren.

Deportation in das „Camp de Gurs”

Doch die scheinbare Sicherheit in Heidelberg hielt nicht lange an. Am 22. Oktober 1940 wurde Gertrude mit ihrer Familie, ihren Eltern und fast allen anderen Jüd*innen aus Heidelberg im Rahmen der Wagner-Bürckel- Aktion in das Internierungslager Gurs in Frankreich deportiert. Nach einer dreitägigen Zugreise wurde die Familie bei der Ankunft getrennt. Gertrude, ihre Mutter Sophie im Alter von 71 Jahren und ihre 17-jährige Tochter Miriam wurden zusammen in die Frauen-Baracke 20 im Abteil „Ilot I“ eingeteilt. Die Tochter Lore, die zu diesem Zeitpunkt 11 Jahre alt war, kam zunächst in eine Kinderbaracke. Miriam erinnerte sich in einem Interview daran, dass sie und ihre Mutter wegen der Kälte, die durch die Löcher der Baracke hereindrang, eng beieinander schliefen. Außerdem berichtete Miriam, dass sie, ihre Mutter und ihre Großmutter in der Nähe der Tür der Baracke schliefen. Das nun leerstehende „Judenhaus“ in der Bunsenstraße 19a in Heidelberg wurde kurze Zeit später von der Gestapo genutzt.

Auswanderung in die Dominikanische Republik und anschließend in die USA

Die Familie Sondheimer hatte durch familiäre Verbindungen die Möglichkeit bekommen, Anfang 1941 eine Genehmigung des dominikanischen Konsulats für die Einreise nach Santo Domingo zu erhalten. Kurz vor der Abreise, am 19. Februar, wurden die Eheleute Kehr in das Seniorencamp Noë gebracht und wanderten nicht mit aus. Die Familie Sondheimer musste zunächst in die Hafenstadt Marseille reisen, weshalb Jakob mit 65 anderen Männern am 21.Februar 1941 in das näher gelegene Lager „Les Milles“ transportiert wurde. Am 22.Februar wurden Gertrude, Miriam und Lore mit neun anderen Frauen nach Marseille transportiert und dort in einem Hotel untergebracht. Diese Daten sowie die folgenden Angaben gehen aus Jakobs späteren Notizen zur zeitlichen Abfolge der Ausreise hervor. Am 10.Mai 1941 startete die Reise nach Lissabon, von wo es am 03.Juni weiter nach Ellis Island, New York ging. Dort reiste die Familie am 05.Juli mit einem Dampfer weiter und am 13.Juli 1941 war die Ankunft in Puerto Plata, Santo Domingo, wo die Siedlung Sosua für verfolgte europäische Jüdinnen* u. Juden* gegründet worden war. Jüdinnen* u. Juden* hatten als Auflage, dass das dortige Land von ihnen bestellt werden musste. Jakob Sondheimer konnte seine kaufmännischen Erfahrungen entsprechend sinnvoll einsetzen, auch wenn er kein Englisch oder Spanisch sprach. Gertrude hingegen konnte Englisch sprechen und half ihrem Mann gegebenenfalls. Außerdem arbeitete sie kurze Zeit in einer Küche, wurde jedoch bald wieder Hausfrau. Aus den Berichten und Tagebüchern der Töchter geht hervor, dass der Familie das Leben dort sehr gefallen hat. Die Familie wollte jedoch nicht auf Dauer dortbleiben und bemühte sich in den nächsten Jahren um die Einwanderung in die USA. Anfang 1946 erhielten zunächst Miriam und Lore die Genehmigung. Im Oktober 1946 konnten auch Jakob und Gertrude nachkommen. Auch Sofie Kehr konnte 1946 aus Frankreich zu ihrer Tochter in die USA einwandern. Adolf Kehr war 1944 an den Folgen der Lager in einem katholischen Kloster in Romans, in dem er und seine Frau nach der Entlassung aus Noë Zuflucht gefunden hatten, gestorben.

Das Leben in den USA

Das Ehepaar Sondheimer und Gertrudes Mutter lebten in 580 West 161th Street, Apt. 33 in New York. Jakob erlitt 1948 einen Herzinfarkt, weshalb sich Gertrude in den folgenden Jahren um ihn sowie ihre Mutter kümmern musste. Außerdem half Gertrude ihrem Mann bei seinen verschiedenen geschäftlichen Angelegenheiten, da er immer noch kein Englisch sprach und dies auch bis Ende seines Lebens nicht ausreichend lernte. Gertrudes Mutter verstarb 1958 im Alter von 89 Jahren. Jakob Sondheimer verstarb 1965 mit 79 Jahren nach schwerer Krankheit in New York. Danach zog Gertrude nach West Haven, Connecticut, da ihre Tochter Lore in der Nähe (Orange) mit ihrer Familie lebte. Gertrude verstarb im Jahr am 22.01.1972 im Alter von 76 Jahren.