Die jüdische Gemeinde in Neustadt an der Weinstraße
Das Bestehen der jüdischen Gemeinde war im Wesentlichen durch ihren Erfolg und die Einbindung in das gesellschaftliche Leben ausgezeichnet. Über längere Zeit waren die Jüd*innen anerkannte Bürger*innen Neustadts. Bezüge und Berührungspunkte zur nicht-jüdischen Bevölkerung ergaben sich im alltäglichen Leben, bedingt durch die zentrale Wohnlage und die Handelsunternehmen der jüdischen Einwohner*innen. Der großen jüdischen Gemeinde war es möglich, einen eigenen Friedhof, eine Synagoge sowie ein Altenheim zu unterhalten. Der unten angefügte Stadtplan von 1920 veranschaulicht die genannten Aspekte und zeigt auf, dass Jüd*innen mit Nichtjüd*innen in direkter Nachbarschaft wohnten. Dass es ein belebtes jüdisches Leben vor den Ereignissen ab 1933 gab, wird selten erkannt. In diesem Zeitrahmen war die jüdische Bevölkerung aktiv an der Gestaltung des gesellschaftlichen und vor allem des wirtschaftlichen Lebens Neustadts beteiligt.
Die Zunahme der sozialen Spannungen und die Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse ab 1933 hatten letztlich einen tiefgreifenden Wandel des politischen Klimas zur Folge. Das Verlangen nach soziokultureller Distanz gegenüber einer wirtschaftlich und sozial zunehmend als Konkurrenz empfundenen Bevölkerungsgruppe hat sich schließlich in der Zustimmung von Teilen der deutschen Gesellschaft zu den antisemitischen Gesinnungen des Nationalsozialismus geäußert.
Vom 9. auf den 10. November 1938, der Reichspogromnacht, fielen auch die Synagoge und das Altenheim der Gewalt zum Opfer. Außerdem kam es zu einigen Festnahmen, wie zum Beispiel von Dr. Karl Strauß sowie Daniel Morgenthau, dem Bruder von Adele Morgenthau. Die beiden Männer wurden in das Konzentrationslager Dachau deportiert und dort Wochen festgehalten.
Die Ausweisung der Juden verlief unter dem Schirm der sog. Wagner-Bürckel-Aktion. Der Name verweist bereits auf die Beteiligung Josef Bürckels, der als Gauleiter der Saarpfalz seinen Sitz in Neustadt hatte und mit seiner Unterschrift den Befehl zur Deportation gab. Aus Neustadt wurden im Oktober 1940 insgesamt 23 jüdisch-gläubige Personen deportiert.
Biografien mit Bezug zu Neustadt: Maximilian Mayer, Adele Morgenthau, Dr. Karl Strauß
Habermehl, P./ Schmidt-Häbel H. (Hrsg): Vorbei – Nie ist es vorbei. Beiträge zur Geschichte der Juden in Neustadt an der Weinstraße. Neustadt an der Weinstraße 2005.
Spieß, P.: Kleine Geschichte der Stadt Neustadt an der Weinstraße. Leinfelden-Echterdingen 2009.