Biografie: Miriam Carola Gerber, geb. Sondheimer

Nachname:Gerber, geb. Sondheimer
Vorname:Miriam Carola
Geburtsort:Worms
Geburtsdatum:02.12.1922

"Miriam Gerber dokumentierte ihr Leben in ihrem Tagebuch, das interessante Einblicke in das Leben ihrer Familie, aber auch in das Schicksal aller nach Gurs Deportierten gibt."

 

Kurzbeschreibung

Miriam Gerber, geborene Sondheimer, wurde am 22.10.1940 mit ihrer Familie nach Gurs verschleppt. Miriam Gerber und ihre Familie schafften es auszuwandern und überlebten das Lager in Gurs. Ihre Erinnerungen hielt sie in ihrem Tagebuch fest, welches sie vor, während und nach ihrer Lagerzeit führte. Dieses Selbstzeugnis gibt interessante Einblicke in das Leben der Familie Sondheimer.

Schulzeit und Ausbildung

Miriam besuchte von 1929-1934 eine Volksschule mit Sprachklasse, auf welcher sie Englisch und Französisch erlernte. Miriam mochte die Sprachen und ging sehr gerne zur Schule, wo sie auch viele Freunde gefunden hatte. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wollten ihre damaligen Freunde sie nicht mehr erkennen, da sie eine Jüdin war, und wechselten die Straßenseite, wenn sie ihr begegneten. Andere Kinder und Jugendliche, denen sie auf der Straße begegnete, beschimpften sie als „dreckige Juden“. Auf der Volksschule hatte Miriam eine Lehrerin, die sehr antisemitisch war und diese Einstellung Miriam gegenüber nicht versteckte. In einem Interview berichtet Miriam von einer Situation, als die Lehrerin im Klassenzimmer hinter Miriam und ihre Freundin zwei andere Schülerinnen setzte, die Miriam und ihre Freundin nicht mochten. Die beiden Kinder hinter Miriam und ihrer Freundin machten Unsinn und die antisemitische Lehrerin konnte so Miriam und ihre Freundin für unangemessenes Verhalten bestrafen. 1935 wurde eine jüdische Schule gegründet, die dann auch Miriam besuchte. Zunächst besuchten viele jüdische Schüler*innen die neugegründete Schule, viele jüdische Familien hatten dann Deutschland verlassen und irgendwann waren es nur noch wenige Schüler*innen. In diese jüdische Bezirksschule in Worms ging Miriam bis 1936.

1938 besuchte Miriam eine jüdische Haushaltsschule in Frankfurt, in der Kochen, Putzen und andere Haushaltstätigkeiten gelehrt wurden. Für diesen Zeitraum wohnte Miriam auch in Frankfurt in einem Wohnheim. Insgesamt besuchte sie diese Hauswirtschaftsschule während eines Zeitraums von drei Wochen. Während der Pogromnacht im November 1938 war sie ebenfalls in Frankfurt. Miriam sah den Bus der SA-Männer, die damals aber nicht in ihr Zimmer kamen. An mehr, was an dieser Nacht geschah, konnte sie sich nicht erinnern. Nach der Pogromnacht brachte sie eine Bekannte ihrer Mutter zurück nach Worms, wo die Wohnung der Familie völlig zerstört war. Zudem waren an Miriams Piano die Saiten durchgeschnitten.

Deportation Oktober 1940

Morgens um halb 8 Uhr klingelten Männer an der Türe der Familie Sondheimer und lasen vor, was erlaubt war mitzunehmen. Miriam und ihre Familie hatten eine Stunde Zeit, um alles zusammenzupacken. Miriam half ihrer Mutter und Großmutter das Notwendigste einzupacken. Miriam packte so viel Essen ein, wie sie nur konnte. Nach einer Stunde holte die Polizei die Familie ab und brachte sie an den Hauptbahnhof in Heidelberg. Als sie merkten, dass der Zug in den Westen ging, waren sie erleichtert, da sie aus den Lagern im Osten nur Schlechtes gehört hatten. Als sie am Bahnhof in Oloron ankamen, mussten sie in Lastwagen umsteigen, die sie ins Camp de Gurs, in die unbesetzte Zone Frankreichs fuhren. Im Camp angekommen, wurde Miriam, ihre Mutter und ihre Großmutter dem Ilot I Baracke 20 zugeteilt. Ihre jüngere Schwester wurde in einer Kinderbaracke untergebracht.

Camp de Gurs

Durch schlechte hygienische Zustände im Camp hatten die Menschen Angst vor Krankheiten wie Typhus und Ruhr. Es gab Krankenbaracken mit jüdischen Ärzten. Aber die Ärzte konnten nicht helfen, weil das Notwendigste an Hygieneartikeln und Arzneimitteln fehlte. Im Camp gab es nicht viele Möglichkeiten zu arbeiten. Miriam begann ihre Arbeit im Waschraum und im Sanitätsdienst in ihrer Baracke. Danach arbeitete sie als Nachtwache in der Krankenbaracke (Infirmerie), bis sie in den Tagdienst wechselte. Dort war sie als Krankenschwester angestellt. Während dieser Arbeit in den Krankenbaracken hat sich Miriam mit Ruhr angesteckt, hatte aber nur einen leichten Verlauf. Miriam war sehr froh über diese Arbeit, so konnte sie die schlimme Lagerzeit leichter überstehen. Die Lagerzeit war geprägt von Hunger, Tod, Kälte, Krankheiten, Elend und Leid.

Im Camp durften die Männer manchmal die Frauen besuchen, aber die Frauen nicht die Männer. Ein junger Mann namens Arno besuchte ab und zu Miriam und sie wurden ein Paar. Miriam und Arno schrieben sich dann regelmäßig Liebesbriefe im Camp. Zusätzlich nahm Miriam am kulturellen Leben im Camp de Gurs teil. Sie sang im Kinderchor. Die Familie Sondheimer hatte Briefkontakt mit Miriams Onkel, der ihnen in einem Brief mitteilte, dass die Dominikanische Republik 100 000 Flüchtlinge aufnehmen würde. Nun organisierte ein Freund ihres Vaters, dass die Familie Sondheimer in die Dominikanische Republik ausreisen konnte. Dieser Brief kennzeichnet die Befreiung der Familie Sondheimer aus Gurs.

Dominikanische Republik

Als die Familie Sondheimer in Marseille war, um die nötigen Papiere für die Ausreise zu besorgen, war Miriams Freund auch dort, der dann in die USA ausreiste. Angekommen in der Dominikanischen Republik, lernte Miriam Spanisch. In der jüdischen Siedlung namens Sosua in der Dominikanischen Republik arbeitete Miriam zunächst als medizinische Fachangestellte für Zahnheilkunde und später als Krankenpflegerin. Miriam gefiel es in der Siedlung Sosua sehr gut, weil es viel besser war als in Gurs. Mit der Zeit eröffneten in der Siedlung immer mehr Unternehmen (Friseure etc.). Die Familie musste ungefähr fünf Jahre in der Dominikanischen Republik bleiben, bis sie in die USA ausreisen durften.

USA

Nachdem die Familie in den USA ankam, bekam Miriam Depressionen. Sie konnte nachts nicht mehr schlafen, weil sie plötzlich alle Probleme auf der Welt sah. Miriam wurde daraufhin in eine Psychiatrie eingeliefert, wo sie drei Wochen untergebracht war. Die Psychiatrie beschreibt Miriam als einen nicht angenehmen Ort.

In den USA lernte Miriam ihren ersten Ehemann kennen, der sie beeindruckt hat, weil er so intelligent war, viele Sprachen sprechen konnte und allgemein sehr charmant war. Miriams zweiter Mann, namens Jack Gerber, kannte sie bereits aus der Siedlung Sosua in der Dominikanischen Republik. Jack hatte wie Miriam auch einen Sohn.

In den USA arbeitete Miriam ab 1950 als Sekretärin im Leo-Baeck-Institut in New York. Miriam war in den 1970ern oder 80ern wieder in Worms und hat Zeitzeugengespräche in Schulen in Worms gehalten und einen engen Kontakt zum Stadtarchiv in Worms gepflegt. Zum Zeitpunkt der Publikation ihres Buches “The life of Miriam” im Jahr 2010 lebte Miriam Gerber in einem Seniorenheim in Portland, OR.

Tagebuch

Miriam Carola Gerber, geborene Sondheimer, begann im Alter von zwölf Jahren ein Tagebuch zu führen. Sie führte es fort, bis sie in der Dominikanischen Republik war. Miriam wusste, dass sie mit dem, was sie schrieb, sehr vorsichtig sein musste. Ihr Tagebuch ist ein Selbstzeugnis, wurde veröffentlicht und gibt Einblicke in das Leben der Familie Sondheimer. Das erste Tagebuch schenkte sie dem Stadtarchiv Worms, wo es sich bis heute befindet, wohingegen das zweite Tagebuch heute im Leo Beck Institut in New York verblieben ist und digitalisiert wurde.