Service der Hochschule: In der Umsetzungsstelle erstellen die Studentinnen Marlene Endrolath und Laura Klüven Lernmaterialien für Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit.
Stell dir vor, du steckst eine Abbildung in den Drucker und erhältst ein Tastbild! Entsprechende Technik macht es möglich: „Bedruckt man sogenanntes Schwellpapier und erhitzt es mit einem Spezialgerät, erwärmen sich die geschwärzten Stellen und schwellen permanent an. So kann man Abbildungen als Erhebung im Papier ertasten“, erklären Marlene Endrolath und Laura Klüven. Die Sonderpädagogik-Studentinnen haben so schon viele Illustrationen „taktil zugänglich“ gemacht - sie arbeiten als wissenschaftliche Hilfskräfte in der Umsetzungsstelle der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.
Der Service ist nur an wenigen Hochschulen zu finden: Studierende und Lehrende können hier kostenlos ihre Materialien in Versionen für Menschen mit Blindheit und Sehbeeinträchtigung umwandeln lassen. Sowohl das Einscannen von Vorlesungsunterlagen als auch Braille-Ausdrucke gehören zum Angebot. Bei letzterem wird ein Word-Dokument in Blindenschrift umgewandelt. Auch ein „zweisprachiger“ Ausdruck mit Brailleschrift und Schwarzschrift ist möglich – diesen Service habe das Heidelberger „Fusioniert Festival“ schon für barrierefreie Programmhefte in Anspruch genommen, erzählen die Studentinnen.
Kostenloser Service für Studierende und Lehrende
In ihrer wöchentlichen Sprechstunde in der Zeppelinstraße werden sie meistens von Studierenden mit Sehbeeinträchtigung oder angehenden Sonderpädagog:innen im Schulpraktikum zurate gezogen. Gelegentlich auch von Lehrenden, die ihre Materialien barrierefrei gestalten wollen. Letzteres könnte gerne häufiger der Fall sein, finden beide. „Es wäre schön, wenn Inhalte standardmäßig rechtzeitig vor Vorlesungsbeginn digital verfügbar wären“, so die Studentinnen. „Beispielsweise könnten Semesterapparate automatisch zur Umsetzung an uns geschickt werden, dann müssten wir nicht mehr nacharbeiten.“
Marlene Endrolath weiß aus eigener Erfahrung, wie anstrengend es sein kann, immer wieder Barrieren zu überwinden. Sie studiert Sonderpädagogik im Schwerpunkt Blindheit / Sehbeeinträchtigung und ist selbst sehbeeinträchtigt. Weil sie Präsentationen nicht mitlesen kann, ist sie in Seminaren auf ihr Gehör angewiesen. Es braucht totale Konzentration sowie Vor- und Nacharbeiten, um Vorlesungsinhalten zu folgen. Lehrende stellen zwar meist bereitwillig ihre Unterlagen rechtzeitig vor einer Veranstaltung zur Verfügung – aber manche müssen auch wöchentlich daran erinnert werden. In der Bibliothek nutzt sie nach Möglichkeit Sprachausgaben oder vergrößert sich Seiten über ihr Ipad. Immer wieder scannt sie selbst komplette Bücher ein.
„Ich brauche einfach länger als andere Studierende, um mir Wissen anzueignen“, sagt sie. „Man muss immer dranbleiben und darf sich bei Bedarf nicht scheuen, um Hilfe zu bitten. Das musste ich mir für mein Studium aneignen.“ An der Pädagogischen Hochschule Heidelberg mit einem Schwerpunkt Inklusion fällt das möglicherweise leichter als an anderen Orten. „Die PHHD ist hier gut aufgestellt.“
Inklusion bleibt ein drängendes Thema
Das findet ihre Kommilitonin Klüven auch – vor allem, weil ihr das Thema Inklusion aktuell eher wieder in den Hintergrund des gesellschaftlichen Blicks gerückt zu sein scheine. Sie spüre im Alltag Unsicherheit bei anderen, bestätigt Endrolath. Bitter ist sie deshalb nicht. Sich selbst Inhalte zugänglich zu machen, gehöre zu einer Sehbeeinträchtigung, sagt sie . Aber auch wenn eine komplett barrierefreie Welt unwahrscheinlich scheint: Mehr aktives Bemühen der Gesellschaft um Inklusion würde sie begrüßen.
Die Studentinnen wollen mit ihrem Beruf später zu mehr Teilhabe beitragen. Laura Klüven kehrt nach ihrem Masterabschluss (Schwerpunkt Blindheit/Sehbeeinträchtigung) nach Schleswig-Holstein zurück, um das Referendariat im Landesförderzentrum Sehen Schleswig zu absolvieren. Dieses koordiniert Lehrkräfte, die Kinder und Jugendliche mit Sehbeeinträchtigung an Regelschulen begleiten, und berät Betroffene, ihre Familien wie auch Lehrkräfte. „Ich habe dort meinen Bundesfreiwilligendienst gemacht“, sagt Klüven. „Die vielfältige Arbeit zwischen Schule und Beratung macht mir Spaß, da sehe ich mich.“
Marlene Endrolath will künftig selbst als Lehrerin für Kinder mit Sehbeeinträchtigung arbeiten. So kann sie zur Sichtbarkeit von Betroffenen beitragen und auch etwas weitergeben. „Ich durfte selbst in meiner Schulzeit gute Erfahrungen mit Inklusion machen“, erzählt sie. „Je früher Kinder zusammenkommen, desto weniger Vorbehalte haben sie später. Deshalb möchte ich dazu beitragen, durch Inklusion Berührungsängste abzubauen.“
Alles Informationen zum Umsetzungsdienst unter
Text: Antje Karbe
Foto: Birgitta Hohenester
Siehe auch:
Warum die Brailleschrift mehr ist als ein Relikt aus der Vergangenheit? Professor Dr. Markus Lang (PHHD) zeigt, wie sie Lehre, Forschung und Teilhabe bis heute prägt:
Sie zeigt, was echte Teilhabe bedeutet: Die blinde Dozentin Beate von Malottki bringt PHHD-Studierenden die Brailleschrift bei.