Literaturhaus Frankfurt: "Literatur in Einfacher Sprache"

 

Literarische Texte in sog. Einfacher Sprache werden im Allgemeinen kritisch betrachtet und nicht als ernstzunehmende Literatur wahrgenommen. Wenngleich es mit Blick auf bestimmte Personenkreise (mit Lern- und Leseschwierigkeiten oder geringen Sprachkenntnissen) mitunter notwendig erscheint, Zugang zu Literatur durch Einfache Sprache zu eröffnen, so wird zugleich das Literaturhafte, der künstlerische Anspruch dieser Texte bezweifelt.

Das Literaturhaus Frankfurt ließ sich mit dem Ziel, „Kultur für Alle“ zu ermöglichen, dennoch auf einen Versuch ein und initiierte ein Schreibprojekt mit folgenden namhaften Gegenwartsautor:innen: Henning Ahrens, Mirco Bonné, Nora Bossong, Arno Geiger, Olga Grjasnowa, Judith Hermann, Anna Kim, Kristof Magnusson, Jens Mühling, Maruan Paschen, Almut Sandig, Julia Schoch und Alissa Walser.

Die Autor:innen sollten Texte mit ca. 20 Minuten Vorleselänge schreiben und sich dabei an zehn Regeln für die Erstellung literarischer Texte in Einfacher Sprache halten, die zuvor in der ersten Schreibphase von einigen der Autor:innen (Ahrens, Bonné, Grjasnowa, Magnusson, Walser) in einem Workshop in Anlehnung an vorliegende Regelwerke zur Leichten Sprache gemeinsam erarbeitet wurden. Die Regeln sind auf der Website des Frankfurter Literaturhauses abrufbar. Die so entstandenen Texte wurden in den Jahren 2016 bis 2019 im Rahmen von öffentlichen Lesungen im Frankfurter Literaturhaus präsentiert und erschienen 2020 als Sammelband im Piper-Verlag.

Die Zusammensetzung der Runde der beteiligten Autor:innen, die für sehr unterschiedliche ästhetischen Formen, sprachliche Stile und thematische Gegenstände bekannt sind, wurde vom Literaturhaus ausgewählt, um auch bei den Texten in Einfacher Sprache eine Bandbreite an Themen und sprachlichen Gestaltungsformen anzubieten. So finden sich unter den Texten zum Beispiel ein Reisebericht (Jens Mühling), zwei Kriminalgeschichten (Kristof Magnusson), eine Geschichte, die das Thema sexueller Missbrauch behandelt (Ulrike Almut Sandig) oder auch kurze, komisch anmutende „Splitter“ (Maruan Paschen).

Die Frage, ob es möglich ist, unter Einhaltung der Regeln für Texte in Einfacher Sprache, Texte zu schreiben, die gleichwohl als literarisch gelten und literarische Wirkungen entfalten können, ist bislang kaum umfassend untersucht worden. Eine erste Annäherung an diese Frage wurde im Rahmen der Lesungen im Frankfurter Literaturhaus durch Studierende und Forschende des Forschungsprojekts Literatur in Einfacher Sprache (LiES) vorgenommen, die mit den Autor:innen Interviews führten. Die Interviews dienten außerdem dazu, Empfehlungen für Texte in Einfacher Sprache herauszuarbeiten.

 

Der Sammelband kann auf der Website des Piper-Verlags erworben werden: https://www.piper.de/buecher/lies-das-buch-isbn-978-3-492-07032-4

Internetauftritt des Frankfurter Literaturhauses: https://literaturhaus-frankfurt.de/