Integrierte Versorgung für Jugendliche mit pathologischem Internetgebrauch

 

Obwohl die pathologische Medien- und Internetnutzung in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit sowie der Wissenschaft geriet, finden Betroffene und Angehörige nach wie vor keine adäquate Anlaufstelle für ihre Problemstellung. Dabei werden die Beeinträchtigungen durch die pathologische Internetnutzung in der Tagesstrukturierung, in der schulischen oder beruflichen Leistungsfähigkeit, in der gesundheitlichen Situation, im sozialen und Beziehungskontext sowie auf psychischer Ebene von zahlreichen Experten sogar höher eingeschätzt als bei depressiven Patienten.

Die Zugangswege zur psychosozialen Versorgung sind bisher weitgehend unklar und die Zuständigkeiten verschiedener Behandlungssektoren, Institutionen und Kostenträger nicht eindeutig geklärt. Auf klinischer Seite fehlt es an etablierten Diagnosekriterien und Behandlungsleitlinien für dieses relativ junge Störungsbild.

Um diese Versorgungslücke zu schließen wurde auf Initiative des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis, Gesundheitsamt, ein integrierter Diagnose-, Beratungs- und Behandlungsverbund für Computerspielsucht und übermäßige Mediennutzung ins Leben gerufen, dem sich mittlerweile die Städte Mannheim und Heidelberg angeschlossen haben. Insgesamt 16 regionale Institutionen, bestehend aus einem interdisziplinären Team von Ärzten, Psychologen, Pädagogen und Therapeuten mit Kompetenzen in verschiedenen wissenschaftlich anerkannten Therapieverfahren, d.h. der Verhaltenstherapie, der Tiefenpsychologie und der (Hypno-) Systemischen Therapie, konnten für dieses Modellprojekt gewonnen werden.

Ziele des Netzwerkes waren erstens die Entwicklung gemeinsamer Leitlinien und Standards für die Diagnostik und Beratung, zweitens die Einrichtung einer zentralen Erstanlaufstelle (Ambulanz) sowie drittens die Etablierung eines integrierten Versorgungsnetzwerks mit einheitlichen Zuweisungsstrukturen und einer lückenlosen Vernetzung der verschiedenen Behandlungssektoren (Erziehungsberatung, Suchtberatung, psychologische Beratung, ambulante Psychotherapie, stationäre Psychotherapie).

Zur Qualitätssicherung und Evaluation des integrierten Versorgungsnetzwerkes wurde in einer prospektiven Interventionsstudie die Effektivität der Behandlung, die Zufriedenheit der Betroffenen und der behandelnden Institutionen sowie die Kooperations- und Prozessqualität des Netzwerkes untersucht.

Das Zentrum für Psychologische Psychotherapie (ZPP) Heidelberg bietet eine Spezialsprechstunde für Betroffene von Computerspiel- und Internetabhängigkeit an. Die Sprechstunde dient der fachlichen Abklärung, ob und in welcher Form eine Behandlung erforderlich ist. Die Sprechstunde umfasst bei Kindern und Jugendlichen bis zu fünf, bei Erwachsenen bis zu drei Termine. Auf der Grundlage einer umfassenden Diagnostik und Anamnese folgt dann eine Behandlungsempfehlungen (z.B. Familienberatung, ambulante oder stationäre Psychotherapie). Darüber hinaus werden am ZPP psychotherapeutische Behandlungen angeboten, die darauf abzielen, problematische Verhaltensweisen und Denkmuster zu verändern, um den Teufelskreis aus vermeidender Problembewältigung und exzessivem Mediengebrauch zu durchbrechen. Die Sitzungen können als Einzeltherapien oder zusätzlich als Gruppentherapien erfolgen. Weitere Informationen zur Sprechstunde finden Sie hier.

Kooperationspartner:
Zentrum für Psychologische Psychotherapie Heidelberg

Beitrag im Daktylos Themenheft Forschung Sommer 2014:
www.ph-heidelberg.de/presse-und-kommunikation/publikationen/daktylos/daktylos.html