Inklusive Hochschule

Menschen mit Unterstützungsbedarf sammeln Arbeitswelterfahrungen

Menschen mit schwerer geistiger oder mehrfacher Behinderung, die im Förder- und Betreuungsbereich der Heidelberger Werkstätten unterstützt und begleitet werden, sind seit Kurzem einmal die Woche in der Lernwerkstatt Inklusion der Pädagogische Hochschule Heidelberg tätig. Die Hochschule und die Lebenshilfe Heidelberg ermöglichen somit auch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, wertvolle Arbeitswelterfahrungen außerhalb der Werkstatt zu sammeln. Die Partner reagieren damit auf eine Forderung von Verbänden und Wissenschaft, das Recht auf Arbeit auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf umzusetzen.

In der Lernwerkstatt Inklusion der Pädagogischen Hochschule Heidelberg können Studierende - neben dem Erwerb von praxisnahen Kompetenzen für den inklusiven Unterricht - auch Lernmaterialien für Praktika ausleihen. Versorgt werden sie unter anderem durch Rudolf Großmann, der zum ersten Mal außerhalb des Förder- und Betreuungsbereichs und zum ersten Mal zusammen mit Kollegen ohne Behinderung arbeitet: "Die Aufgabe eignet sich besonders gut, da es an der Ausleihe möglich ist, gleichzeitig Flexibilität und den Kontakt mit anderen zu üben", erklärt Professorin Dr. Karin Terfloth (Institut für Sonderpädagogik).
Auch Kerstin Zimmermann kommt jede Woche für zwei Stunden an die Hochschule, um sich mit einer individuell zugeschnittenen Aufgabe einzubringen: Die 27-jährige hatte bereits im Vorfeld Erfahrungen darin gesammelt, mit einem speziellen Joystick am Computer zu arbeiten. Nun nutzt sie diese Fähigkeit, um Druckaufträge für Flyer oder Poster zu bearbeiten. "Kerstin freut sich wahnsinnig, dass sie hier herkommen kann und es tut ihr gut, auch außerhalb der Werkstatt soziale Anerkennung zu bekommen", berichtet Alexander Penz, der als Betreuer im Förder- und Betreuungsbereich im Wechsel mit seiner Kollegin Christina Veith die Projektteilnehmer an die Hochschule begleitet.
Für Elias Meilan, der aufgrund seiner Blindheit noch mehr Unterstützungsbedarf hat als seine beiden Mitstreiter, wurde ein spezielles Schneidebrett entwickelt. Dieses spielt jedes Mal, wenn der Hebel zum Schneiden eines Papieres betätigt wird, einige Sekunden eines Musikstücks. "Ich hätte das, was wir jetzt mit Elias hier leisten, nicht für möglich gehalten", berichtet Penz. "Die Aufgabe passt so gut, dass er das Schneidebrett nun auch regelmäßig mit in die Förder- und Betreuungsgruppe bringt und benutzt."

"Es ist uns sehr wichtig, pragmatisch an die Sache heranzugehen. Hürden gibt es überall, aber sie sollten nicht im Weg stehen, es wenigstens zu versuchen, auch Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung ins arbeitsweltbezogene soziale Miteinander zu integrieren", so Terfloth. "Wir haben die Voraussetzungen zur Teilnahme bewusst so niederschwellig wie möglich gehalten und gemerkt, dass wir auch mit kleinen Mitteln Erfolge erzielen können. Daher planen wir, das Projekt noch weiter auszubauen und weiteren Menschen aus dem Förder- und Betreuungsbereich zugänglich zu machen."
Denn: Nicht nur den teilnehmenden Menschen mit Behinderung, sondern auch den Studierenden ermöglicht das Projekt ganz neue Erfahrungen, wie die Professorin feststellt: "In unserem Projekt sind die Studierenden nicht in der Rolle des Betreuers, sondern in der des Kollegen oder - wie an der Ausleihe - in der eines ganz normalen Kunden. Man merkt direkt, dass sich etwas bewegt in den Köpfen, wenn die Begegnung in einem ganz anderen Kontext stattfindet."

Weitere Informationen finden Sie unter www.ph-heidelberg.de/lernwerkstatt-inklusion.