Mit Literatur die Welt zum Positiven verändern

Die Pädagogische Hochschule nimmt Abschied von Dr. Gerhard Frank, Planungsprofessor der ersten Stunde. Ein Nachruf von Dr. Pfleger und Prof. Dr. Vincon.

Prof. Dr. Gerhard Frank

Am 2. November 2012 ist Prof. Dr. Gerhard Frank nach kurzer Krankheit im Alter von 92 Jahren gestorben. Im Jahr 1960 kam er als Dozent an das Pädagogische Institut Heidelberg und wurde zwei Jahre später Professor des Faches Deutsch der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Bis 1985 war er in vielen Bereichen an den Entwicklungen der Hochschule maßgebend beteiligt.

Mit seinen Entscheidungen als einer der Planungsprofessoren der ersten Stunde hat er die wissenschaftlichen Profile der PH Heidelberg erfolgreich mitgestaltet: Es sollte eine humanistisch geprägte wissenschaftliche Pädagogische Hochschule entstehen, die offen ist für internationale Kontakte, für Studiengänge, die fächerübergreifende Konzepte in allen geisteswissenschaftlichen und pädagogischen Bereichen enthalten, und für Fachpraktika, in denen auch vermittelt wird, dass für Schülerinnen und Schüler mit Lernproblemen durch differenzierende Lernstoffe und Methoden neue Übergänge in die weiterführenden Schulen ermöglicht werden.

Viele seine Deutschstudierenden erinnern sich an das eindrucksvolle Hauptseminar "Das Dritte Reich in Drama und Roman". Ebenso hoch geschätzt wurden seine Seminare zu Kleist, zur Klassik und Romantik, zur Novelle, zum Märchen und zur Jugendliteratur sowie zahlreiche "Unterrichtsaufzeichnungen mit Videospielen". Hiermit war Frank einer der ersten, der reale Unterrichtsverläufe in Forschung und Lehre einbezog. Die Konzeptionen der Lesebücher, die Frank mit seinen Kollegen in den 1970er Jahren herausgab, zeigen seinen klaren Blick für die Möglichkeiten verschiedenster Schüler, Texte lesen zu können und zu verstehen. Die Publikation "Der Schüler als Leser" von 1979 hat darüberhinaus einen wesentlichen Grundstein für die hermeneutische Methode des individualisierenden Textverstehens gelegt.
Einen weiteren Schwerpunk seines unermüdlichen Engagements setzte Frank in der Förderung der literarischen und sprachlichen Kompetenzerweiterung von Realschülern. In den 1970er Jahren war er Mitbegründen des Reallehrerinstituts, das er viele Jahre lang selbst geleitet hat.
Bei den neu zu entwickelnden Studiengängen für Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen legte Frank besonderen Wert auf die Gleichgewichtung von Literatur- und Sprachwissenschaft sowie deren Didaktik. Die Fachtheorie sollte eng mit der Schulpraxis verknüpft sein, sodass die zukünftigen Lehrkräfte sowohl bei der Auswahl der Texte als auch im Unterrichtsgespräch auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler eingehen konnten.
Um das sprachliche Rollenrepertoire der Schüler und deren Textstile zu fördern, entstand ein neuer Studiengang, der bis heute angeboten wird: die Theaterpädagogik.

Generationen von Studierenden schätzen an Prof. Dr. Gerhard Frank sein immens großes Wissen aller literaturgeschichtlichen Entwicklungen sowie seine Überzeugungen, das Lesen von Literatur könne auch die Welt zum Positiven verändern. Wer mit Frank ins Gespräch kam, sei es im Senat, in anderen Gremien, in seinen Veranstaltungen oder privat, spürte den Erfahrungsreichtum eines Zeitzeugens und eine herzliche Zugewandtheit. Im Rahmen seiner vielen Aktivitäten tritt fast ein ganzes Jahrhundert geistesgeschichtlicher, bildungspolitischer und fachdidaktischer Veränderungen plastisch vor Augen.
Auch nach seiner Pensionierung hat Frank über viele Jahre als Vorsitzender des Vereins der Freunde der Pädagogischen Hochschule Heidelberg gewirkt und zahlreiche kulturelle Veranstaltungen erst ermöglicht. Noch in diesen Tagen arbeitete er an einem Vortrag zur Romantik, um noch einmal zu betonen, wie aktuell eine humanistisch orientierte Geistes- und Literaturgeschichte bleibt.

Über viele Jahrzehnte hat Prof. Dr. Gerhard Frank "den lebendigen Geist" mit Humor, Klugheit und Engagement vorgelebt. Die Kolleginnen und Kollegen, viele Mitglieder der Pädagogischen Hochschule und zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer werden ihn vermissen. Seiner Familie gilt unser Mitgefühl.

Dr. Reinhardt Pfleger und Prof. Dr. Inge Vincon
für die Pädagogische Hochschule Heidelberg