"Punktschrift bedeutet Inklusion"

Erste Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt "ZuBra".

"Lesen ist in unserer Kultur sehr wichtig. Wir lesen die Zeitung, E-Mails, Bücher, Fahrpläne und vieles mehr", sagen Professor Dr. Lang (Heidelberg) und Professorin Dr. Hofer (Zürich). "Nicht lesen können, führt im Alltag und im Berufsleben schnell zu Problemen. Dies gilt auch für blinde und sehbehinderte Menschen." Diese lesen jedoch nicht mit den Augen, sondern mit den Fingern. Möglich wird dies durch die aus tastbaren Punkten bestehende Blindenschrift, der Brailleschrift. Heute gibt es zudem verschiedene Möglichkeiten, sich Texte vom Computer oder Smartphone vorlesen zu lassen. Um die Frage, ob es dann die Brailleschrift überhaupt noch braucht, führt ein Team der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich das Forschungsprojekt "ZuBra - Zukunft der Brailleschrift" durch. Nun liegen erste Ergebnisse vor.

In einer schriftlichen Befragung (online und offline) konnten blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen Auskunft darüber geben, wie häufig und in welchen Situationen sie Brailleschrift oder Computertechnologien nutzen. Ein 51-jähriger Befragungsteilnehmer, welcher erst mit 35 Jahren sehbehindert wurde, schrieb zum Beispiel: "Um schnell an Informationen zu kommen oder ein Buch in gewohnter Geschwindigkeit zu lesen, ist die Sprachausgabe sehr viel wichtiger geworden als die Brailleschrift". Die weitaus meisten Befragten gaben jedoch an, dass sie die Brailleschrift regelmäßig und intensiv nutzen. Dies allerdings mehrheitlich kombiniert mit Computertechnologien, wie beispielsweise der Sprachausgabe.
Zwischen jüngeren und älteren Befragten gibt es teilweise deutliche Unterschiede beim Schreiben und Lesen mit Brailleschrift und Technologien. Dennoch sei die Brailleschrift für alle Altersgruppen sehr wichtig und sowohl in Ausbildung und Beruf als auch im Alltag unverzichtbar, so Lang und Hofer. Ein befragter blinder Schüler meinte: "Punktschrift ist wichtig, damit blinde Menschen die Rechtschreibung beherrschen, um später im Beruf sämtliche Chancen zu bekommen! Punktschrift bedeutet Inklusion!"
Die Brailleschrift fördert jedoch nicht nur die Inklusion in die Gesellschaft und das Berufsleben, sondern auch die Selbstständigkeit: "Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen können mit Hilfe von Brailleanschriften an Bahnhöfen das richtige Gleis finden oder im Aufzug das gewünschte Stockwerk anwählen, ohne dabei auf Hilfe angewiesen zu sein", erklärt das Forschungsteam.

Mit den Ergebnissen der Onlinebefragung konnten die Forscher aufzeigen, dass die Brailleschrift trotz technologischer Alternativen immer noch äußerst bedeutsam ist. Die Studie ist damit jedoch noch nicht abgeschlossen: "Als nächstes testen wir, wie kompetent blinde und hochgradig sehbehinderte Jugendliche und junge Erwachsene im Lesen und in der Rechtschreibung sind", sagen Lang und Hofer. "Dadurch sollte sichtbar werden, ob vorhandene Bildungsangebote und zugestandene technologische Ausrüstungen wirksam und ausreichend sind."

Finanziert wird das Forschungsprojekt von der Herbert Funke Stiftung, dem Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik und dem Deutschen Katholischen Blindenwerk. Ab Oktober 2016 kommt eine direkte Forschungsförderung von Seiten der Pädagogischen Hochschule Heidelberg hinzu.

Weitere Informationen finden Sie unter www.ph-heidelberg.de/blinden-und-sehbehindertenpaedagogik.