Hochschulpolitik

Neue Arbeitsstelle beschäftigt sich mit Antiziganismus

Foto Daniel Strauß

Antiziganismus ist eine spezielle Form des Rassismus gegenüber sozialen Gruppen, die mit dem Stigma "Zigeuner" oder anderen verwandten Bezeichnungen identifiziert werden. Der Aufklärungs- und Unterstützungsbedarf ist in diesem Bereich besonders hoch: An der Pädagogischen Hochschule Heidelberg wurde daher am 14. Mai 2019 eine Arbeitsstelle eröffnet, die für diese Diskriminierung sensibilisieren, Betroffenen eine Anlaufstelle bieten und die Antiziganismusforschung stärken will. Die wissenschaftliche Leitung der Arbeitsstelle Antiziganismusprävention obliegt Professorin Dr. Bettina Degner (Institut für Gesellschaftswissenschaften). Sie wird von dem Projekt "Transfer Together - Bildungsinnovationen in der Metropolregion Rhein-Neckar" unterstützt, das von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg gemeinsam mit der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH durchgeführt wird und das einen strukturieren, bidirektionalen Wissenstransfer zum Ziel hat.

"Die Pädagogische Hochschule Heidelberg setzt sich in Forschung, Lehre und Transfer für Weltoffenheit, Toleranz und Meinungsvielfalt ein", sagt ihr Rektor, Professor Dr. Hans-Werner Huneke. "Es freut mich daher sehr, dass wir mit der heutigen Eröffnung der Arbeitsstelle Antiziganismusprävention deutlich zeigen: 'Auch der Rassismus gegenüber Sinti und Roma hat an unserer Hochschule keinen Platz!'." Langfristig geht es jedoch um mehr, so Huneke weiter: "Mit Antiziganismus ist häufig das Vorurteil von bildungsfernen Menschen verbunden. Die so entstehenden Bildungsbarrieren für Sinti und Roma gilt es gemeinsam abzubauen und ich bin zuversichtlich, dass die Arbeitsstelle Antiziganismusprävention hier einen entscheidenden Beitrag leisten wird."

"Während der NS-Zeit wurden Sinti und Roma ausgeschlossen vom Schulbesuch. 90 Prozent der deutschen Sinti und Roma wurden von den Nazis ermordet. Vor allem jugendliche Menschen haben die KZs überlebt. Das NS-Regime hatte eine Generation von Analphabeten produziert", erklärt Daniel Strauß, Vorstandsvorsitzender des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg. "Der Zugang zur Bildung ist für uns als Landesverband ein ganz zentrales Thema. Schule ist leider nicht gleichbedeutend mit einem diskriminierungsfreien Raum, was unsere Studie aus dem Jahr 2011 aufgezeigt hat. Seit 2016/2017 ist in Baden-Württemberg verpflichtend das Thema Sinti und Roma (Geschichte und Minderheitenschutz) in die Curricula aufgenommen worden. Wir freuen uns, dass es nun eine Stelle gibt, die sich der Ausbildung von Lehrer*innen auf diesem Gebiet annimmt. Wir müssen Schüler*innen und Lehrer*innen gleichermaßen aufklären und so ein Verständnis füreinander schaffen."

In Deutschland leben laut Strauß rund 120.000 Sinti und Roma; dazu kommen etwa 50.000 eingewanderte Roma. Sie gehören somit zu den größten Minderheiten. Der Antiziganismus als spezielle Diskriminierungsform wird dennoch eher selten thematisiert: "Wir wollen für Erscheinungsformen des Antiziganismus sowie deren Tradierung sensibilisieren und ein Bewusstsein für diskriminierende Äußerungen und Haltungen gegenüber der Minderheit schaffen. Denn Antiziganismus ist ein Problem der Mehrheitsgesellschaft und als dieses muss es benannt und begriffen werden: Nur gemeinsam können wir Feindbilder dekonstruieren, ethnisierende Vorurteile abbauen und Stereotype entkräften", meint Degner.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsstelle gehört dabei die aktive Einbeziehung von Angehörigen der Minderheit und ihren Organisationen zu ihrem Selbstverständnis: "Wir brauchen einen Dialog auf Augenhöhe und wollen daher zum einen als Anlaufstelle für Angehörige der Minderheit fungieren. Darüber hinaus planen wir für Interessierte inner- und außerhalb der Hochschule themenspezifische Fortbildungen, Workshops und Vorträge", so Degner. Der Netzwerkarbeit kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Mit Unterstützung des Projektes "Transfer Together - Bildungsinnovationen in der Metropolregion Rhein-Neckar" sollen daher bestehende Strukturen miteinander verknüpft und neue Kooperationen eingegangen werden.

Die Arbeitsstelle will zudem die Präventionsarbeit fördern, wie Nadine Küßner, Akademische Mitarbeiterin der Arbeitsstelle Antiziganismusprävention, berichtet: "Die Antiziganismusforschung ist noch recht jung und Lehrkräften stehen bislang keine hinreichenden pädagogischen Materialien zur Verfügung, die zur Präventionsarbeit verwendet werden können. Dies wollen wir ändern, indem wir vorhandene Quellen sichten, entsprechend weiterentwickeln und Schulen zur Verfügung stellen." Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen zudem die Schulbuchforschung zur Darstellung der Geschichte der Sinti und Roma voranbringen: So soll in Geschichts-, Politik- und Deutschschulbüchern nach stereotypisierende Darstellungen gesucht und Alternativen entwickelt werden.

Weitere Informationen finden Sie unter www.ph-heidelberg.de/antiziganismuspraevention.