Forschung

Neues Projekt will Diagnostik von Taubblindheit signifikant verbessern

Aktuelle Forschungen gehen davon aus, dass etwa 20 Prozent der Menschen mit schwerer geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung undiagnostiziert von einer Taubblindheit/Hörsehbehinderung betroffen sind. Die besonderen Bedürfnisse und Bedarfe dieser Menschen können folglich nicht berücksichtigt werden. Im Rahmen eines neuen Forschungsvorhabens der Pädagogischen Hochschule Heidelberg soll nun erstmals ein valides Verfahren zur Identifizierung von Kindern und Jugendlichen mit Taubblindheit entwickelt werden. Die Projektleitung hat Professorin Dr. Andrea Wanka inne (Institut für Sonderpädagogik); sie arbeitet eng mit der Universität Groningen (Niederlande) zusammen. Das Projekt wird von der Friede Springer Stiftung, der stiftung st. franziskus heiligenbronn und der Stiftung Nikolauspflege Stuttgart gefördert. Die Ergebnisse sollen im September 2021 vorliegen.

Jemand, der von Geburt an weder hört noch sieht, hat einen zum Teil sehr veränderten Zugang zu Kommunikation. Als Folge versteht die Umgebung häufig nicht, dass diese Person taubblind und nicht bzw. nicht ausschließlich kognitiv behindert ist. Eine Berücksichtigung der spezifischen Unterstützungs- und Bildungsbedürfnisse taublinder Menschen erfolgt dann nicht. Eine Studie zur Prävalenz von Taubblindheit und Hörsehbehinderung im Kindes- und Jugendalter von Professor Dr. Markus Lang, Elisa Keesen und Professor Dr. Klaus Sarimski (Pädagogische Hochschule Heidelberg) kommt daher 2015 zu der Empfehlung, eine entsprechende Testung in Schulen für Kinder mit geistiger und körperlicher Behinderung durchzuführen. Die Forscherinnen und Forscher erhoffen sich hiervon, den Anteil an nicht identifizierten, aber faktisch von einer Hörsehbehinderung betroffenen Kindern und Jugendlichen genauer einschätzen zu können.

Anlässlich einer 2018 bundesweit neu eingeführten Definition von Taubblindheit / Hörsehbehinderung, der die neu gefundenen Fälle zugeordnet werden können, baut das Team von Professorin Dr. Wanka auf der Studie von Lang, Keesen und Sarimski auf. Ihr Ziel ist es, ein Screening- und Assessmenttool zu entwickeln, um die Identifizierung von Kindern und Jugendlichen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung zukünftig zu vereinfachen. Hierzu sichten die Forscherinnen und Forscher zunächst vorhandene Diagnostiktools, um diese dann auf ihre spezifischen Fragestellungen zu adaptieren. Zur Validierung ihres Verfahrens will das Team eng mit Schulen für Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung zusammenarbeiten; die stiftung st. franziskus heiligenbronn stellt für das Projekt zudem als einziges Kompetenzzentrum für Menschen mit Taubblindheit in Baden-Württemberg unentgeltlich qualifiziertes Personal zur Verfügung.

"Wenn es uns gelingt, ein valides Tool zum funktionalen Hör- und Sehvermögen für Kinder und Jugendliche mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung zu entwickeln, wäre das weltweit einzigartig. Und wir wären deutlich besser in der Lage, auf die besonderen Bedürfnisse und Bedarfe dieser Menschen einzugehen", so Wanka. Im Anschluss an das Projekt ist daher geplant, dass an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg vorhandene Wissen über die Förderung von taubblinden Menschen auch an die neu gefundenen Fälle sowie deren Umgebung zu vermitteln.

Weitere Informationen finden Sie unter www.ph-heidelberg.de/taubblind.