Stellungnahme

Zur besonderen Situation von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung

Das Bild zeigt den Turm des Altbaus der Hochschule. Copyright: Pädagogische Hochschule Heidelberg.

Kinder und Jugendliche mit Behinderung dürfen nicht zu Verlierern der Corona-Pandemie werden. Dies fordern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Sonderpädagogik der Pädagogischen Hochschule Heidelberg in einer Stellungnahme, die heute (30. April 2020) veröffentlicht wurde. Für den Start des Schulbetriebs, der in Baden-Württemberg für den 4. Mai geplant ist, werden demnach differenzierte Lösungen benötigt, um einerseits die Gesundheit von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung, ihrer Familien und Lehrkräfte zu schützen und zugleich das Recht der Kinder und Jugendlichen auf Bildung zu erfüllen.

"Bei den anstehenden Entscheidungen über die Wiederöffnung von Schulen aller Art sehen wir mit großer Sorge, dass bei all den Diskussionen eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern nahezu unberücksichtigt bleibt: Es sind die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen", heißt es in der Stellungnahme der Heidelberger Sonderpädagoginnen und -pädagogen. Da die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit Behinderung in sich äußerst heterogen ist - etwa in Bezug auf die Art der Behinderung, die besuchte Schulform oder die Unterstützungsbedarfe - ist eine Einheitslösung zur Wiederöffnung der Schulen für die Forschenden nicht bedarfsgerecht. Sie fordern vielmehr differenzierte Lösungen.

Dass die Kinder und Jugendlichen mit Behinderung wieder außerfamiliäre Kontakte erhalten, unterstützen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: "Familien fühlen sich in der aktuellen Situation der häuslichen Isolation oftmals überlastet. Dies gilt insbesondere für Familien mit einem Kind mit Behinderung, für die häufig alleine durch den Wegfall bekannter Abläufe und vertrauter Betreuungs- bzw. Begegnungsformen große Unsicherheiten entstehen", so die Forschenden. Diese befürchten, dass sich durch die Unterschiede in den familiären Ressourcen und elterlichen Kompetenzen die Bildungsbenachteiligung deutlich vergrößert - mit langfristigen Folgen.
Gleichzeitig verweisen die Heidelberger Sonderpädagoginnen und -pädagogen auf die besonderen Herausforderungen, vor denen gerade Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren in Bezug auf die Umsetzung von Hygienemaßnahmen stehen: "Einen Abstand von 1 bis 2 m einzuhalten, ist für den Zugang zu Pflegeleistungen, Mobilität, Information und Kommunikation bei Kindern und Jugendlichen mit Behinderung kaum möglich." So stellt beispielsweise Kinder und Jugendliche mit Hörbehinderung die geltende Maskenpflicht vor große Herausforderungen, da sie in der Kommunikation auf ein sichtbares Mundbild angewiesen sind. Und Personen mit Taubblindheit sind zur Kommunikation unmittelbar auf den physischen Kontakt angewiesen.

Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellt sich die Frage, wie eine intensive multiprofessionelle Betreuung und Förderung betroffener Kinder und Jugendlicher außerhalb der Familie unter Einhaltung der dringend notwendigen Hygienevorschriften gewährleistet werden kann. Sie kommen zu dem Schluss, dass diese Schülerinnen und Schüler einer besonderen Aufmerksamkeit - nicht nur bei den politischen Akteuren - bedürfen, um sie nicht zu Verlierern der Corona-Krise werden zu lassen. Die Sonderpädagoginnen und -pädagogen schlagen daher unter anderem verantwortungsvolle Einzelfallentscheidungen vor oder auch die Anpassung von Schutzmaßnahmen wie zum Beispiel das Tragen von Masken, bei denen der Mund zu sehen ist.

Die vollständige Stellungnahme finden Sie in dem PDF "Von der Politik vergessen? Das Institut für Sonderpädagogik der Pädagogischen Hochschule Heidelberg über Schüler*innen mit Behinderung im Spannungsfeld von Bildungsrecht und Gesundheit".