Forschung

Studie zu Sinnesbehinderungen von geistig und komplex behinderten Menschen

Auf dem Bild ist links eine Frau zu sehen, die eine weiße Tafel mit vier schwarzen Strichen hoch hält. Rechts sieht man eine alte Dame, die im Rollstuhl sitzt. Sie schaut nachdenklich auf die Tafel. Copyright: Blindeninstitut/Modellprojekt „Sehen im Alter“

Wie steht es um das Seh- und Hörvermögen von geistig und komplex behinderten Menschen, die in bayerischen Einrichtungen der Behindertenhilfe leben? Ein Forschungsteam, an dem auch Wissenschaftler:innen der Pädagogischen Hochschule Heidelberg beteiligt sind, geht von vielen unerkannten Sinnesbehinderungen und negativen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Teilhabe der Betroffenen aus. In einer Studie sollen nun erstmals konkrete Fallzahlen für Bayern erhoben werden. Das Team will zudem Vorschläge entwickeln, wie Hör- und Sehbehinderungen zukünftig besser erkannt und die betroffenen Menschen in den Einrichtungen unterstützt werden können.

Die Federführung des im Oktober 2021 gestarteten Projekts "Sehen und Hören: Studie zur Verbesserung der Diagnose und Förderung von Auffälligkeiten im Sehen und Hören bei Menschen mit geistiger bzw. komplexer Behinderung in Bayern (SuHB)" hat die Blindeninstitutsstiftung inne; neben der Pädagogischen Hochschule Heidelberg sind die Universität Hamburg sowie die LMU München beteiligt. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege fördert das Vorhaben mit rund 420.000 Euro.

Rund zwei Drittel der Menschen, die in der Blindeninstitutsstiftung leben, können sich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausdrücken. Aufgrund ihrer komplexen Behinderung können sie zum Beispiel nicht einfach sagen, wie gut sie noch sehen oder hören. In Einrichtungen für geistig und komplex behinderte Erwachsene, die keinen Schwerpunkt auf Sinnesbehinderungen haben, bleiben daher - so vermuten die Wissenschaftler:innen - viele Sinnesbehinderungen unerkannt. Daraus ergeben sich große Auswirkungen auf die Selbstbestimmung im Alltag und die Teilhabe in allen Lebensbereichen, da eine zusätzliche Sinnesbehinderung ein anderes, barrierefreies Setting erfordert und vor allem entsprechende Kenntnisse der begleitenden Fachkräfte.

Ziel der auf drei Jahre angelegten SuHB-Studie ist es daher, erstmals für Bayern verlässliche Zahlen zu ermitteln: Wie viele geistig oder komplex behinderte Erwachsene, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben, zeigen Auffälligkeiten beim Sehen und Hören? Dafür untersucht ein Team um Professorin Dr. Andrea Wanka (Pädagogische Hochschule Heidelberg) bis zu 500 Probanden unter anderem am Medizinischen Zentrum für erwachsene Menschen mit Behinderung in Würzburg.
Zum Einsatz kommt dabei ein neues Diagnostik-Verfahren, mit dem taubblinde und hörsehbehinderte Menschen identifiziert und das funktionale Hör- und Sehvermögen überprüft werden. Um sich mit Probanden zu verständigen, die sich nur sehr eingeschränkt ausdrücken können, sollen ganz unterschiedliche Methoden angewandt werden: von leichter Sprache und Piktogrammen über taktiles Gebärden bis hin zu elektronischen Hilfsmitteln.

Parallel dazu nimmt ein Forschungsteam der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Universität Hamburg die Rahmenbedingungen in den Wohnangeboten der Behindertenhilfe unter die Lupe. Abschließend will das gesamte Forschungsteam mit Expert:innen aus der Behindertenhilfe und der Politik konkrete Vorschläge erarbeiten, wie sich die Situation für geistig und komplex behinderte Erwachsene in bayerischen Einrichtungen nachhaltig verbessern lässt.

Weitere Informationen finden Sie unter www.ph-heidelberg.de/taubblind sowie unter www.blindeninstitut.de.

Quelle: Blindeninstitutsstiftung