Forschung

Projekt hat in Kommunen Maßnahmen für mehr Bewegung im Alltag entwickelt

Geschicklichkeit am „heißen Draht“ auf der „Bewegten Dorfrunde“ im bayrischen Wülfershausen trainieren

Bewegungsmangel ist einer der größten Risikofaktoren für die meisten chronisch-degenerativen Krankheiten wie z. B. Herzkreislauferkrankungen. Allerdings bewegen sich die Menschen in Deutschland zu wenig. Das kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekt „EUBeKo“ von Prof. Dr. Jens Bucksch, Pädagogische Hochschule Heidelberg, und Dr. Birgit Sperlich, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, hat Möglichkeiten untersucht und Strukturen entwickelt, die eine bewegungsfördernde Umwelt unterstützen. Dabei wurden insbesondere Akteur:innen in ländlichen und städtischen Gemeinden in den Blick genommen. Das Kooperationsprojekt im Forschungsschwerpunkt „Bewegung und Bewegungsförderung“ wurde vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert, im Juni 2019 begonnen und im Dezember 2022 abgeschlossen.

Bewegungsfreundliche Gestaltung von Kommunen unterstützen

Bewegungsanlässe im Alltag, etwa zu Fuß zur Arbeit zu gehen oder das Fahrrad zum Einkaufen zu benutzen, werden zu selten genutzt. Ein Grund dafür ist, dass solche Alltagsbewegungen im besonderen Maße von der Gestaltung der Umwelt abhängig sind. Projektleiter Jens Bucksch stellt hierzu fest: „Verschiedene Studien zeigen, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Bewegungsverhalten und der bewegungsfreundlichen Gestaltung von kommunalen Räumen besteht. Gibt es beispielsweise ein gut ausgebautes Fahrradnetz oder Grünanlagen, die zur Bewegung einladen?“ Bewegungsförderung im Allgemeinen und unter dieser verhältnisorientierten Perspektive sind in kommunalen Strukturen jedoch nicht verankert.

Ziel des Projektes EUBeKo ("Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse verhältnisorientierter Bewegungsförderung in der Kommune für mehr Chancengerechtigkeit systematisch planen und implementieren") war es daher, die Möglichkeiten von Akteur:innen in ländlichen und städtischen Gemeinden zu verbessern und bewegungsfördernde Strukturen wie z. B. „bewegte Rundwege“ zu entwickeln. Geforscht wurde einerseits in Mannheim-Schönau als städtischem Umfeld, ein Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf hinsichtlich seiner sozialen Lage in Baden-Württemberg, andererseits in Wülfershausen an der Saale, einer ländlichen Gemeinde in Bayern.

Drei Bausteine mit entsprechenden Forschungsfragen waren forschungsleitend: 1) Welches Rollenverständnis haben Multiplikator:innen auf unterschiedlichen Ebenen der kommunalen Bewegungsförderung, wie z. B. Mitarbeitende in Gesundheitsämtern, im Planungsprozess der verhältnisorientierten Bewegungsförderung? Was sind ihre zentralen Kompetenzen und was benötigen sie zur Umsetzung eines theoriegeleiteten, systematischen Interventionsplanungs- und Implementierungsprozesses?

2) Welche Faktoren beeinflussen die Entscheidungen von Verantwortlichen („Change Agents“) in Kommunalpolitik und ‑verwaltung und somit den Entscheidungsprozess auf kommunaler Ebene, um verhältnisorientierte Bewegungsförderung umsetzen zu können?

3) Der dritte Baustein zielte konkret auf die Planung und Umsetzung verhältnisorientierter Bewegungsförderung in den zwei Modellkommunen. Die beiden Hochschulteams begleiteten den Prozess, um bauliche und strukturelle Veränderungen einzuleiten, die das Bewegungsverhalten der Bewohner:innen vor Ort fördern.

Multiplikator:innen mit Kompetenzen ausstatten

Die ersten beiden forschungsorientierten Bausteine erbrachten innovative Ergebnisse zum Rollenverständnis und zu den Kompetenzen von kommunalen Multiplikator:innen sowie zum Entscheidungsverhalten von kommunalen Verantwortlichen. Dr. Birgit Sperlich resümiert: „Verhältnisorientierte Bewegungsförderung kann nur gelingen, wenn die kommunalen Entscheidungsstrukturen verstanden werden. Dazu müssen wir Multiplikator:innen mit den notwendigen Kompetenzen der intersektoralen Zusammenarbeit und im Bereich des Agenda Settings weiter qualifizieren“. Aus diesem Grund wurden in den Modellkommunen intersektorale Planungsgruppen unter Beteiligung der universitären Teams gegründet, die einen systematischen Planungsprozess zur praktischen Umsetzung verhältnisorientierter Bewegungsförderung begleiteten.

Ergebnisse deutschlandweit übertragbar

Die Ergebnisse des Projektes wurden auf einer bundesweiten digitalen Abschlussveranstaltung am 25. November 2022 Akteur:innen aus dem Bundesministerium für Gesundheit, aus Landesvereinigungen und Landesämtern für Gesundheit sowie aus kommunalen Gesundheitsämtern vorgestellt. Das Projekt ist auf kommunale Strukturen in ganz Deutschland zugeschnitten, so dass die Ideen und Ergebnisse auf andere Kommunen übertragen werden können. Die Nachhaltigkeit des Projektes soll durch Fortbildungsangebote für Gemeinden durch die zuständigen Landesämter sichergestellt werden. Die Verbreitung der Ergebnisse und der entwickelten Maßnahmen soll sowohl auf der Projektwebseite (www.gesunde-bewegte-kommune.de) als auch auf Tagungen und durch Publikationen stattfinden. Die Erkenntnisse des Projekts fließen außerdem in bestehende Bachelor- und Masterstudiengänge an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ein.

Weitere Informationen finden Sie unter www.gesunde-bewegte-kommune.de

Foto (Bruno Domokos): Geschicklichkeit trainieren am „heißen Draht“ auf der „Bewegten Dorfrunde“ im bayrischen Wülfershausen.