Transfer

Gemeinsam tüfteln im Livestream: Innovatives Mathematik-Format kommt gut an

Schmuckgrafik

Wie wird Wissenschaftskommunikation wirklich interaktiv und regt Menschen an, sich produktiv einzubringen? Der Mathematikdidaktiker Professor Dr. Christian Spannagel erprobte dies für sein Fach in einem neuen Format: Im Live-Stream löste er in Interaktion mit Teilnehmer:innen mathematische Fragestellungen. Die Veranstaltungsreihe "True Math" stieß auf großes Interesse, Videos zur Reihe wurden in den Sozialen Medien bislang insgesamt 2,5 Millionen Mal aufgerufen.

Mathe verdient ein besseres Image, findet der Didaktik-Professor der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, der schon länger mit innovativen (Lehr)formaten experimentiert. Viele Menschen nähmen sie als starres Regelwerk wahr oder hätten sogar Angst davor. "Selten rückt die dynamische Seite der Mathematik ins Blickfeld: die Idee, dass Menschen als aktive Problemlöser:innen selbst Strukturen erschließen können." Gleichzeitig beschäftigt Spannagel, wie Wissenschaftskommunikation neue Wege gehen kann. Beim Austausch mit Interessierten stießen traditionelle Formate schnell an ihre Grenzen, so der Wissenschaftler. Und selbst auf Youtube, Instagram oder TikTok werde das Potenzial echter Interaktion nicht ausgeschöpft.

In seinem Projekt "True Math", das von der Daimler und Benz Stiftung gefördert wurde, wollte Spannagel deshalb für Mathematik begeistern und Interessierte bereits in den Entstehungsprozess des Formats einbeziehen. Zwischen Oktober 2024 und Februar 2025 bot er sechs partizipative Online-Sitzungen an, in denen die Teilnehmer:innen sich gemeinsam verschiedenen mathematischen Problemlösungen annäherten. Dafür wurden mathematische Regeln oder Sachverhalte hinterfragt und eine Begründung entwickelt, beispielsweise zu Teilbarkeitsregeln, Primzahlen oder Prozentrechnung. Die abendliche Reihe richtete sich an alle Interessierten im deutschsprachigen Raum.

Technisch nutzte das Team die Streaming-Plattform Twitch, die durch eine Chatfunktion den Austausch in Echtzeit ermöglicht. Die aufgezeichneten Sitzungen wurden auf YouTube veröffentlicht, Kurzvideos mit Ausschnitten auf Instagram und TikTok. Begleitend tauschten sich die Teilnehmer:innen auf der Plattform Discord auch zwischen den Veranstaltungen zu Themen der Mathematik aus und konnten einen True Math-Newsletter abonnieren.

Im Schnitt nahmen 336 Personen an den Live-Streams teil, wobei die erste Veranstaltung mit 553 Personen die höchste Reichweite erzielte. Punktuelle Umfragen ergaben, dass mehr als die Hälfte männliche Teilnehmer waren (58 %; weiblich: 40 %; divers: 2 %) und der überwiegende Anteil berufstätig (63 %; Schüler:innen/Studierende: 23 %). "Die Discord-Community entwickelte sich mit mittlerweile mehr als 1.700 Mitgliedern zu einem lebendigen Ort für Mathematikbegeisterte, auf dem man sich als Teil einer aktiven Lerngruppe erleben kann", berichtet Spannagel. Auch freuen den Wissenschaftler die hohen Klickzahlen der insgesamt 100 Videos über alle Plattformen hinweg. Allein die 72 Kurzvideos wurden mehr als 32.000 Mal abgerufen. Spitzenreiter war dabei das Video "Eine Zahl, die durch 3 teilbar ist, aber nicht durch 9" mit 1,2 Millionen Aufrufen.

True Math habe gezeigt, was es bedeutet, Mathematik zu betreiben: nämlich in unübersichtlichen Situationen Muster oder Regelmäßigkeiten zu erkennen, zu beschreiben und logisch zu begründen, so Spannagel. Eine forschende, neugierige Herangehensweise und die Möglichkeit, dies als kollaborativen Prozess zu erleben, verbessern nicht nur das Image der Mathematik: Künftig will der Wissenschaftler untersuchen, inwiefern sich dabei auch die Selbstkonzepte der Teilnehmer:innen verändern. "True Math ist der Start für ein Transfer- und Forschungsprogramm zu interaktiven Mathematik-Formaten, die wir stetig weiterentwickeln werden."

Weitere Informationen finden Sie unter www.ph-heidelberg.de/mathematik.

Text: Antje Karbe
Foto: Projekt