Flucht und Spracherwerb

Forschungsprojekt zur Sprachentwicklung bei mehrsprachigen Schülern.

Die Zahlen des Berichts "Bildung in Deutschland 2016" belegen, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler in Deutschland mehrsprachig aufwachsen: Aktuell sprechen 63 Prozent der in Kitas betreuten Vier- bis Fünfjährigen mit Migrationshintergrund zuhause überwiegend eine andere Sprache als Deutsch, unter ihnen sind immer mehr Schülerinnen und Schüler mit eigener Zuwanderungsgeschichte. Da über den Zugang zu spezifischer Förderung oder Therapie massiv auf die Bildungsbiografie von Kindern und Jugendlichen eingewirkt wird, ist die Abgrenzung von Phänomenen des Zweitspracherwerbs (L2) Deutsch von Ausprägungen einer Spezifischen Spracherwerbsstörung (SSES) essentiell.

Das neue, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt "BiliSAT: Bilingual Language Development in School-age Children with/without Language Impairment with Arabic and Turkish as first languages" untersucht daher über eine Laufzeit von 30 Monaten den Spracherwerb und den Verlauf von SSES bei mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen in ihrer Herkunftssprache (L1) und ihrer L2.
Kontaktalter und Kontaktlänge zur Zweitsprache, der Erwerbskontext für die Erstsprachen sowie die spezifische Erwerbssituation der Geflüchteten werden besonders berücksichtigt. So wird in den Untersuchungen mit einbezogen, ob die Erstsprachen in einem Minderheiten- (Deutschland) oder im Mehrheitenkontext (u.a. Türkei, Palästina, Syrien) erworben wurden und untersucht, welche Bedeutung diese Faktoren ggf. für den mehrsprachigen Erwerb haben können.

Unter Rückgriff auf in eigenen Drittmittelprojekten gewonnene Ergebnisse für jüngere Kinder und bereits entwickelte linguistisch kontrollierte Testverfahren will das Forschungsteam um Professorin Dr. Solveig Chilla (Institut für Sonderpädagogik, Heidelberg) und Professorin Dr. Cornelia Hamann (Universität Oldenburg) stabile Kriterien für SSES bei mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern identifizieren. Durch die gezielte Untersuchung von Türkisch und Arabisch als Herkunftssprachen können dabei sowohl sprachvergleichende als auch sprachunabhängige theoretische Erkenntnisse und Kriterien für erfolgreichen mehrsprachigen Erwerb und die Eigenschaften von SSES erarbeitet werden.