Forschung

Was Resilienz stärkt – Erfolgreiche Heidelberger Tagung zu Chancen und Risiken des populären Konzepts

Neben einer stehenden Moderatorin sitzen fünf Personen auf dem Podium und diskutieren.

Der Begriff „Resilienz“ hat in den letzten Jahren eine steile Karriere gemacht und ist inzwischen in der Alltagssprache angekommen. An der PH Heidelberg haben sich rund 80 Wissenschaftler:innen sowie Kolleg:innen aus dem Weiterbildungsbereich auf der Tagung „Was Resilienz stärkt“ am 10. und 11. März mit den Chancen und Risiken dieses Konzepts auseinandergesetzt. Neben der Bilanzierung des Begriffs war ein übergeordnetes Ziel, die Resilienzforschung angesichts aktueller gesellschaftlicher Krisen- und Transformationsprozesse weiterzudenken. Ein thematischer Schwerpunkt befasste sich mit Resilienz bei Kindern und Jugendlichen. Ein Tagungsband ist in Vorbereitung. 

Die Erziehungswissenschaftler:innen Prof. Dr. Rolf Göppel und Prof. Dr. Ulrike Graf haben die Veranstaltung konzipiert und mit einem engagierten Team durchgeführt. Die Beiden heben bereits im Titel „Was Resilienz stärkt“ zwei Aspekte des Begriffs hervor, die im Zentrum der Tagung standen: „Man kann den Titel einerseits verstehen als Frage danach, was die Resilienz von Kindern und Jugendlichen unterstützt, was ihre seelischen Widerstandskräfte aufbaut und stärkt. Der Titel kann aber auch als Frage verstanden werden, ob durch die Betonung der Resilienzthematik der letzten Jahre etwa Tendenzen der (Selbst-)Optimierung oder Stress-Immunisierung in der Konstruktion von Kindheit und Jugend gestärkt werden.“

Keynotes aus unterschiedlichen Fachrichtungen

Diese beiden zentralen Aspekte wurden in Keynotes von Expert:innen, die den Diskurs im deutschsprachigen Raum maßgeblich mitgeprägt haben, aus unterschiedlicher Perspektive beleuchtet. Der Freiburger Psychologe Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff sprach über die Resilienzförderung in Kindertageseinrichtungen und Schulen. Er betonte, dass Resilienzförderung eine Grundhaltung von einzelnen wie von Organisationen sei und nicht als Technik zur „Seins-Optimierung“ missverstanden werden darf. Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Wassilis Kassis von der Fachhochschule Nordwestschweiz stellte die Frage: „Wie kommt die Resilienz in die Heranwachsenden?“ und hob hervor, dass hier immer ein Zusammenspiel von individuellen und sozialen Faktoren zu berücksichtigen sei. Der Frankfurter Psychologe Prof. Dr. Michael Fingerle diskutierte den Resilienzbegriff aus prozessphilosophischer Sicht und unterstrich dabei den Aspekt der Plastizität für dessen Verständnis. Auch literarisch-autobiographische Resilienzthematiken wurden aufgegriffen: So untersuchte Co-Tagungsleiter Prof. Dr. Rolf Göppel den Begriff unter Bezugnahme auf literarisch-autobiografische Quellen, ebenso wie die emeritierte Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Margherita Zander, die unter dem Titel „Festschreiben, Umschreiben, Freischreiben – Formen resilienter Kindheitsbewältigung durch autobiografische Selbstreflexion“ diskutierte. Prof. Dr. Sabine Andresen, ehemalige Vorsitzende der „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ der Bundesregierung, ging in ihrem Vortrag vor dem Hintergrund ihrer Kommissionsarbeit der Frage nach, was aus der Zeugenschaft von Betroffenen über Resilienz gelernt werden kann.

Ergebnisse aus Forschungs- und Praxisprojekten

Neben den Keynotes wurde die Veranstaltung durch ein differenziertes Tagungsprogramm mit 34 Einzelvorträgen bereichert, in denen Wissenschaftler:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus ihren unterschiedlichen Forschungs- und Praxisprojekten berichteten. In den Panels ging es unter anderem um das Resilienzkonzept zwischen Wissenschaft und Ratgeberliteratur, um biografische Zugänge, Resilienzförderung im familiären, pädagogisch-therapeutischen und schulischen Kontext, Mentoring sowie um kritische Auseinandersetzungen mit dem Begriff.

Historische Einordnung des Begriffs

In der abschließenden Podiumsdiskussion der Keynote-Speaker:innen stand die historische Verortung und Bedeutungsveränderung von Resilienz im Mittelpunkt. Anknüpfend an die internationale Tagung vor 25 Jahren in Halle, die mit Emmy Werners bedeutender Resilienzstudie als Auftakt des Diskurses in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft gilt, wurde bilanziert, was es Neues über Risiko- und Schutzfaktoren in der kindlichen Entwicklung gibt. Diskutiert wurde außerdem die heutige Popularisierung und Entgrenzung, ja eigentlich Engführung des Resilienzbegriffs – auch im Gespräch mit dem engagierten Publikum. [hop]

 

Weitere Informationen

www.ph-heidelberg.de/resilienztagung2023

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Projektverantwortliche

Prof. Dr. Rolf Göppel und Prof. Dr. Ulrike Graf, Fakultät I, Institut für Erziehungswissenschaft, Tel. +49 6221 477 512 oder -502, 

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Foto (privat): Podiumsdiskussion, von links: Prof. Dr. Ulrike Graf, Prof. Dr. Michael Fingerle, Prof. Dr. Sabine Andresen, Prof. Dr. Rolf Göppel, Prof. Dr. Kirsten Puhr, Prof. Dr. Wassilis Kassis