Forschung

Zu wenig Bewegung: Neueste Ergebnisse der HBSC-Studie zur Gesundheit von Schüler:innen in Deutschland

Kinder und Jugendliche an deutschen Schulen fühlen durchwegs sich gesund. Doch fast alle von ihnen bewegen sich zu wenig. Mädchen bewegen sich durchschnittlich noch weniger als Jungs. Die gesundheitliche Situation ist stark vom Wohlstand, Alter und Geschlecht abhängig. Das sind einige Ergebnisse der internationalen HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children), an der 51 Länder beteiligt sind und die in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt wurde. Die aktuellen Daten für Deutschland hat ein Forschungsverbund unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) und der Universitätsmedizin Halle erhoben. Von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ist Dr. Jens Bucksch, Professor für Prävention und Gesundheitsförderung, mit seinem Team an der Studie beteiligt gewesen.

6.475 Schüler:innen im Alter von 11 bis 15 Jahren befragt

Alle vier Jahre werden repräsentative Umfragen an Schulen durchgeführt. Die Wissenschaftler:innen untersuchten Fragestellungen rund um die Themen körperliche Aktivität, Mobbing und Cybermobbing, psychisches Wohlbefinden, Gesundheitskompetenz und gesundheitliche Ungleichheiten. An der jüngsten Erhebung im Jahr 2022 beteiligten sich 6.475 Schüler:innen im Alter von 11 bis 15 Jahren aus ganz Deutschland. Die Ergebnisse sind im Journal of Health Monitoring erschienen.

Bewegung und Sport

Nur etwa jedes zehnte Mädchen, jeder fünfte Junge sowie jede:r achte der gender-diversen Heranwachsenden erfüllte die Empfehlung der WHO für tägliche Bewegung von mindestens 60 Minuten. Je älter die Befragten waren, desto weniger bewegten sie sich. Während rund 15 Prozent der elfjährigen Mädchen die WHO-Bewegungsempfehlung erreichten, waren es bei den Fünfzehnjährigen nur knapp sieben Prozent. Während die körperliche Aktivität von 2009 bis 2022 bei Jungen relativ stabil blieb, nahm diese bei Mädchen insgesamt leicht ab.

Der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen gehört zu eklatantesten Befunden der Studie, unterstreicht Professor Bucksch: „Grundsätzlich wird das Bewegungsverhalten von sehr vielen Faktoren beeinflusst. Es hört sich etwas tradiert an, aber die gesellschaftlichen Vorstellungen, wie Jungen und wie Mädchen zu sein haben, sind nach wie vor da. Gerade bei den 11- bis 15-jährigen Mädchen ist es so, dass die körperlichen Veränderungen gravierender sind und sie dann ihren Körper häufiger nicht gern zeigen. Jungs dagegen inszenieren sich eher mit ihrem stärker werdenden Körper.“ Ein weiterer Grund ist, dass Mädchen weniger Bewegungsfreiraum zugestanden wird, so Bucksch mit Verweis auf einige Studien. „Die Eltern haben hier ein viel höheres Sicherheitsempfinden. Da heißt es häufiger: Bei dem Weg fahr ich Dich lieber. Das sind alles Bewegungszeiten, die verloren gehen“, erläutert der Gesundheitswissenschaftler.

Subjektive Gesundheit und psychosomatische Beschwerden

84 Prozent der Kinder und Jugendlichen berichteten nach Selbsteinschätzung einen guten eigenen Gesundheitszustand und 87 Prozent eine hohe Lebenszufriedenheit. Diese hat sich gegenüber der Erhebung 2017/18 zwar verschlechtert, im Vergleich zu den Erhebungen 2009/10 sowie 2013/14 ist die Lebenszufriedenheit jedoch gestiegen. Es konnte ein kontinuierlicher Anstieg von vielfältigen psychosomatischen Beschwerden, wie beispielsweise Bauch- oder Kopfschmerzen, Einschlafproblemen oder Gereiztheit, zwischen 2010 und 2022 beobachtet werden.

Gesundheitliche Ungleichheit

In Familien mit niedrigem Wohlstand geben 24 Prozent der weiblichen Heranwachsenden eine niedrige Lebenszufriedenheit an. Das ist doppelt so häufig wie bei Schülerinnen mit höherem sozioökonomischem Status. Bei männlichen Heranwachsenden mit niedrigem familiärem Wohlstand geben 17 Prozent eine niedrige Lebenszufriedenheit an. Das ist dreimal so häufig wie bei Schülern mit höherem sozioökonomischem Status.

Das hohe Niveau der gesundheitlichen Ungleichheiten zwischen Schüler:innen mit unterschiedlichem sozioökonomischem Status hat sich zwischen 2017/18 und 2022 nicht verschärft, ist aber weiterhin auf hohem Niveau. „Die Ergebnisse unterstreichen nochmals, dass nicht alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Gesundheitschancen haben. Um Mobbing, gesundheitliche Ungleichheiten und die Häufigkeit psychosomatischer Beschwerden zu reduzieren, braucht es zielgruppenspezifische Maßnahmen, die beispielsweise Schulform, Migrationshintergrund, sozioökonomischen Status, Geschlecht und Alter besonders berücksichtigen. Mädchen, ältere und gender-diverse Heranwachsende sind in vielen Bereichen besonders betroffen“, erklärt die stellvertretende Studienleiterin Dr. Irene Moor von der Universitätsmedizin Halle.

Weitere Informationen zur deutschen HBSC-Studie sind abrufbar unter: www.hbsc-germany.de.

Hintergrund

Ihren Ursprung hat die internationale HBSC-Studie im Jahr 1982, als sie in Kooperation mit der Weltgesundheitsorganisation ins Leben gerufen wurde (www.hbsc.org). Deutschland ist seit 1992 an dem Forschungsnetzwerk beteiligt. Eine umfassende internationale Einordnung der deutschen HBSC-Studienergebnisse mit anderen teilnehmenden Ländern wird voraussichtlich im Sommer 2024 veröffentlicht.

Der HBSC-Studienverbund Deutschland umfasst sieben Standorte, die sich jeweils auf unterschiedliche Themenbereiche spezialisiert haben, und wird gemeinsam durch die Technische Universität München (Prof. Dr. Matthias Richter) und die Universitätsmedizin Halle (Dr. Irene Moor) geleitet. Weitere beteiligte Standorte sind die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (Prof. Dr. Ludwig Bilz), das Universitätsklinikum HamburgEppendorf (Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer), die Pädagogische Hochschule Heidelberg (Prof. Dr. Jens Bucksch), die Universität Tübingen (Prof. Dr. Gorden Sudeck) und die Hochschule Fulda (Prof. Dr. Katharina Rathmann, Prof. Dr. Kevin Dadaczynski).

Quellen: Gemeinsame Medieninformation der Universitätsmedizin Halle (Saale) und der Technischen Universität München; Interview mit Professor Bucksch mit Table Media.