Die ungleiche Verteilung von Bildungschancen ist eine der größten Herausforderungen für die Bildungs- und Familienpolitik in Deutschland. Seit der PISA-Studie im Jahr 2000 ist bekannt, dass der Einfluss der Familie und der häuslichen Lernausgangsbedingungen auf den Bildungserfolg mehr als doppelt so stark ist wie der von Schule, Lehrkräften und Unterricht zusammen. Der sozioökonomische Hintergrund wirkt sich sowohl auf die schulischen Leistungen von Kindern und Jugendlichen aus als auch auf wegweisende Entscheidungen im Bildungsverlauf sowie auf die intergenerationale soziale Mobilität.
Um diesen Missständen entgegenzuwirken, entwickelt die Vodafone Stiftung Deutschland zusammen mit Vertretern aus Wissenschaft, Praxis und Verwaltung aller Länder universell anwendbare "Qualitätsstandards in der Elternarbeit" für eine bessere Kooperation zwischen Schule und Elternhaus. Die Qualitätsstandards definieren Mindestvorrausetzungen im Hinblick auf schulische Elternarbeit, zeigen aber auch wünschenswerte Entwicklungsziele auf.
"Es ist dringend geboten, Eltern intensiver als bisher am Bildungsgeschehen ihrer Kinder zu beteiligen und sie für die Relevanz und Folgewirkung von Bildungsentscheidungen zu sensibilisieren. Der Kriterienkatalog für schulische Elternarbeit soll dazu einen wichtigen Beitrag leisten", kommentiert Dr. Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland. Viele sozial benachteiligte Eltern und insbesondere Migranten verfügen über hohe Bildungsaspirationen und Aufstiegsoptimismus. Ihre Kinder sind aber aufgrund mangelnden Orientierungswissens und lernungünstiger Erziehungsstile im Nachteil. Es kommt daher weniger darauf an, die Eltern selbst zur Vermittlung von Lerninhalten zu befähigen, sondern ihnen Merkmale eines lernförderlichen Erziehungsstils zu vermitteln.
Der Gesetzgeber hat Maßnahmen getroffen, Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung zu unterstützen. Allerdings entfalten die Angebote bislang noch nicht ihre volle Wirksamkeit. Obwohl die Bedeutung der Elternbeteiligung in der Forschung seit langem bekannt ist, ist die Intensität und Qualität der Angebote in den Institutionen sehr unterschiedlich und meist dem individuellen Engagement der Akteure geschuldet. Viele Eltern suchen unterstützende Angebote und möchten diese auch aktiv in Anspruch nehmen; die größte Hürde besteht jedoch darin, dass sie von diesen Angeboten keine Kenntnis nehmen oder keine Zugangsmöglichkeiten dazu haben. Gerade sozial schwache Eltern stehen oftmals vor finanziellen, zeitlichen oder persönlich begründeten Barrieren wie mangelnde Sprachkenntnisse, Distanz oder Unsicherheit gegenüber Institutionen. Trotz zahlreicher Initiativen ist es bisher nur an wenigen Stellen gelungen, eine zufriedenstellende Vernetzung und Abstimmung der Angebote zu gewährleisten. Zudem fehlt es grundsätzlich an Orientierung darüber, was gute Elternarbeit eigentlich auszeichnet. In den Bildungsinstitutionen ist das Thema Elternzusammenarbeit zudem oft nicht strategisch und programmatisch verankert.
Der Lösung dieser Probleme widmet sich jetzt die Vodafone Stiftung Deutschland. Auf Grundlage der Empfehlungen einer wissenschaftlichen Expertenkommission und den Erkenntnissen der Praxis unterstützt sie die Erarbeitung universell anwendbarer "Qualitätsstandards der Elternarbeit", die sich an die "National Standards for Family-School Partnerships" aus den USA anlehnen. Denn bislang mangelt es in Deutschland an einem standardisierten Kriterienkatalog, der - ausgehend von einer einheitlichen Definition guter Elternarbeit - einen Qualitätsrahmen für die Praxis an die Hand gibt. Ein von Wissenschaft und Praxis getragener Katalog von Qualitätsstandards verspricht nicht nur eine bessere inhaltliche Ausgestaltung der Angebote vor Ort, sondern liefert zudem eine verbindliche Bemessungsgrundlage.
Hinter dem Prozess steht eine Expertenkommission bestehend aus Prof. Dr. Werner Sacher (Neumarkt i. d. Opf.), Prof. Dr. Anne Sliwka (Pädagogische Hochschule Heidelberg), Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Fachhochschule Köln), Prof. Dr. Sabine Walper (Ludwig-Maximilians-Universität München), Prof. Dr. Elke Wild und, beratend, Prof. Dr. Klaus Hurrelmann (beide Universität Bielefeld). Die Veröffentlichung des Katalogs soll im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 stattfinden. Begleitet wird die Erstellung der Standards durch den Vodafone StiftungsFellow beim Forschungsbereich des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration.