Studienbegleitendes Portfolio im Einsatz

Erfahrungen im erziehungswissenschaftlichen Studiengang an der Universität Luxemburg

Im neuen „Lehramt 2011“ der Pädagogischen Hochschule Heidelberg kommt dem eigenständig handelnden und forschenden Lernen und damit auch der intensiven Selbstreflexion und regelmäßigen Rückmeldungen besondere Bedeutung zu (vgl. die Einleitungen zu den Modulhandbücher zum Lehramt 2011). Ein Portfolio ist ein geeigneter Ort für diese Selbstreflexion und kann Grundlage von Rückmeldungsgesprächen sein.

Im Rahmen unseres Auslandssemesters an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg haben wir „Portfolio und Theorien der Selbststeuerung und Selbstbewertung /Metakognition“ bei Herrn Nagel besucht und Diskussionen um ein studienbegleitendes Portfolio miterlebt. Da in Luxemburg seit sechs Jahren mit dem studienbegleitenden Portfolio gearbeitet wird, wurden wir von den anderen Studierenden nach unseren Erfahrungen gefragt und stellen hier unsere Antworten auch gerne den neuen Studierenden im Lehramt 2011 zur Verfügung.

1. Wie ist die Arbeit mit dem Portfolio bei euch in Luxemburg organisiert?
Zuerst einmal ist es wichtig zu sagen, dass jeder Student einen Tutor hat. Dieser Tutor ist oft ein Dozent aus dem Studiengang „Erziehungswissenschaften“. Manchmal handelt es sich beim Tutor auch um eine „externe“ Person, die zum Beispiel an einer Grundschule unterrichtet. Dies ist der Fall, wenn nicht genügend Dozenten vorhanden sind.
Die Uni gibt Grundlageninformationen zur Arbeit mit Portfolios. Verschiedene Tutoren geben noch zusätzlich Orientierungspunkte. Der Studierende setzt dann sein eigenes Portfolio nach eigenen Gliederungspunkten, Fragestellungen und Kategorien zusammen. Die Unterteilungen können zum Beispiel "Praktikumserfahrungen",  "Ideen", "eigene Kompetenzen"… heißen. Der Studierende fügt nach seiner Wahl Texte, Bilder und Reflexionen hinzu.
Für das Portfolio gibt es pro Semester 1 ECTS­Punkt. Am Ende des Studiums kommen also 7 ECTS­Punkte zusammen, die man durch das Führen eines Portfolios erhält.
Im 1. Semester hält ein Dozent ein Seminar zum Thema Portfolio, in dem die Studierenden erfahren, was ein Portfolio eigentlich ist und wozu es dient. Die Studenten des ersten Jahres haben dann auch diesen Dozenten als Tutor für das erste Jahr. Diesem Tutor stellt der Student dann auch seine erste Version des Portfolios vor. In den folgenden Semestern wechselt der Tutor (s. Frage 4).

2. Wie viele Studenten besuchen ein Portfolio­Seminar und wie sieht der Inhalt des Seminars aus?
Die Studenten des 1. Jahres sind in vier Klassen aufgeteilt, sodass in jedem Seminar etwa 25­30 Studenten sind. Der Portfolio­-Kurs wird von 2 Dozenten gehalten, jeder Dozent übernimmt 2 Klassen. Diese Dozenten geben den Studenten eine Einführung in das Portfoliokonzept und sind Spezialisten auf diesem Gebiet. Hier lernt man, wie man am besten mit dem Portfolio beginnt, welche Dokumente man hinzufügen kann (zum Beispiel Hausarbeiten), wie man eine Reflexion schreibt... Der Student bekommt in diesem Seminar viele praktische Hilfestellungen zum Aufstellen seines Portfolios.
Im ersten Jahr stellt der Student sein Portfolio am Ende des 2. Semesters vor. Die Vorstellung findet im Viertel-­Stunden­-Takt statt, da der Dozent 60 Portfolios zu begutachten hat. Hier gibt der Tutor dann noch Ratschläge und Hinweise, was man außerdem noch hinzufügen könnte und was noch  ausbaufähig wäre.
Im 2. Jahr arbeitet man dann eigenständig und organisiert sein Portfolio selbst, weil es kein Seminar zu diesem Thema mehr gibt. Man hat jedoch noch einen Tutor, dem man Fragen stellen kann und der das Portfolio am Ende des Semesters bewertet.

3. Wie funktioniert der Tutorenwechsel?
In den ersten zwei Semestern hat der Student, wie oben beschrieben, den gleichen Tutor. Danach wechselt der Tutor jedes Semester. Jetzt hat jeder Tutor (Dozenten oder Externe) wesentlich weniger Studenten zu betreuen, meistens um die 12 Personen. Auch hier wird das Portfolio dem Tutor wieder am Ende des jeweiligen Semesters vorgestellt. Die Tutoren werden von der Uni zugeteilt und die Studenten können sich diese nicht selbst aussuchen.

Der Tutorenwechsel hängt mit dem Wechsel des Themenbereichs im 2. und 3. Jahr zusammen. Der jeweilige Tutor ist zugleich für die Beurteilung des Praktikums seiner ungefähr 12 Studenten zuständig. Da die Praktika auch immer an die Themenbereiche gebunden sind, wechseln die Tutoren jedes Semester.  Der Themenbereich des jeweiligen Semesters ist in den Reflexionen und Texten im Portfolio wiederzufinden. Während dem Semester hat man „Tutorate“, also Gespräche, mit seinem Tutor. Hier werden dann das Praktikum und das Portfolio besprochen.

Manche Tutoren nehmen das Portfolio sehr ernst und nehmen es mit nach Hause, um sich einen besseren Überblick verschaffen zu können. Andere sehen sich es nur am Ende einmal kurz an und geben sich nicht weiter damit ab. Das hängt sehr stark von der Motivation des jeweiligen Tutors ab. Bei den meisten Tutoren geht es darum, dass man etwas gemacht hat und nicht was man inhaltlich gemacht hat. Jeder Tutor legt auf andere Aspekte besonderen Wert. Deshalb sollte man am Beginn des Semesters nachfragen, was er sich genau vorstellt. Eigentlich ist es nicht die Aufgabe des Tutors dem Studenten in sein Portfolio "reinzureden", sondern ihn zu begleiten und zu unterstützen.
Ja, wir sehen das als Vorteil, weil man so neue Ideen bekommt und Hilfestellungen erhält. Wenn man zum Beispiel einen etwas unmotivierten Tutor hat oder einen Tutor, mit dem man nicht so gut klarkommt, weiß man, dass nächstes Semester wieder alles anders sein kann.

5. Ist das Abgeben des Portfolios für euch ein Problem, weil darin doch möglicherweise persönliche Dinge stehen?
Das Portfolio ist nicht allzu persönlich, weil es sehr an die Lehrerausbildung gekoppelt ist. Man soll darin keine persönlichen, familiären oder privaten Probleme behandeln, sondern über Probleme reflektieren, die mit der Ausbildung zusammenhängen. Zudem soll man Kompetenzen beschreiben, die man schon erreicht hat oder noch nicht erreicht hat. Auch das ist natürlich in gewissem Sinne persönlich. Manche könnten es vielleicht als hemmend empfinden, weil man nicht weiß, wie der Tutor reagiert, wenn man etwas Kritisches hinein schreibt.

6. Müsst ihr das Portfolio auf einer bestimmten Plattform abspeichern?

Am Anfang unseres Studiums mussten wir die Plattform Mahara benutzen, um unser Portfolio zu führen. Später wurde diese Vorgabe abgeschafft und nun ist es jedem Studenten frei überlassen, ob er lieber Mahara benutzt, einen virtuellen Ordner am Computer hat oder einen "realen" Ordner führt. Einige fanden das Maharakonzept im Internet zu unsicher, weil man nicht genau wusste, wer alles Zugriff auf das Geschriebene hatte.

7. Ist es schwierig mit Mahara zu arbeiten?
Wer mit Facebook zurecht kommt, findet sich auch mit Mahara zurecht. 
Es gibt einige Orientierungspunkte, an die man sich beim Schreiben des Portfolios halten soll, ansonsten ist man aber ziemlich frei in der Gestaltung und Ausarbeitung. Man kann nützliches Wissen aus Seminaren und wichtige Hausarbeiten in das Portfolio setzen, damit man immer wieder darauf zurückgreifen kann. Auch soll man den eigenen Werdegang und die Entwicklung als Lehrperson beschreiben. Zudem soll man über seine eigenen Kompetenzen reflektieren und beschreiben, welche man schon erreicht hat und an welchen man noch arbeiten muss. Ideen und Erfahrungen aus den Praktika sind ein weiterer Bestandteil des Portfolios.

9. Gibt es Standardfragen, die ihr in eurem Portfolio jedes Semester behandeln müsst?

Eine Standard­frage, die wir jedes Semester wieder aufs Neue beantworten sollen, ist die Frage "Was ist Lernen?". Durch die regelmäßige Beantwortung dieser Frage sollen die Studenten den eigenen Denkfortschritt und Weiterentwicklung sehen. Zudem soll man jedes Semester über die vorhandenen und noch ausbaufähigen Kompetenzen schreiben. Auch hier kann man den Werdegang erkennen. Zudem werden Ideen und Erfahrungen aus den Praktika festhalten, damit man immer wieder darauf zurückgreifen kann. Ansonsten ist man beim Schreiben und Gestalten des Portfolios ziemlich frei.

10. Habt ihr davon profitiert, dass ihr ein Portfolio führen müsst?

Leider können wir dazu keine richtige Auskunft geben, da wir gar nicht wissen, wie es wäre, kein Portfolio zu führen. Viele Dinge würde man wahrscheinlich auch so bemerken, ohne dass man sie konkret aufschreiben muss. Durch das Niederschreiben kann es aber sein, dass man sich intensiver damit auseinandersetzt und sich mehr Gedanken macht als sonst.

11. Ergänzend noch einige Informationen zum erziehungswissenschaftlichenStudiengang in Luxemburg
Das Grundschullehramtstudium, wie in Deutschland, gibt es nicht in der Art in Luxemburg. Das Studium nennt sich bei uns „Erziehungswissenschaften“ und ist nicht fächerbezogen. Es ist ein Bachelor­-Studium und dauert 4 Jahre. Mit dem Bachelor können die Studierenden dann im Kindergarten, in der Grundschule, in der Hauptschule und in der Sonderschule im Großherzogtum Luxemburg unterrichten.

Das Studium kann nur im Wintersemester begonnen werden und die Studierenden müssen an einer Aufnahmeprüfung teilnehmen, um für dieses Studium zugelassen zu werden. Jedes Jahr melden sich circa 500 Personen, davon werden aber nur 120 aufgenommen. Diese 120 neuen Studenten werden im ersten Studienjahr in vier Klassen eingeteilt.

Jedes Semester findet ein 4­-wöchiges Praktikum statt, um Erfahrungen zu sammeln. Die Studenten des 3., 4., 5. und 6. Semesters werden nicht mehr auf einzelne Klassen verteilt, sondern besuchen in den 2 Jahren vier verschiedene Themenbereiche. Am Ende des 6. Semesters hat man diese vier Themenbereiche absolviert, wobei die Reihenfolge bei jedem Studenten unterschiedlich sein kann. Die vier Themenbereiche sind: autonomes Lernen, Gruppenarbeiten, differenziertes Arbeiten und bedeutsame Aktivitäten schaffen. Der jeweilige Themenbereich fließt dann auch beim Praktikum mit ein. Außerdem besuchen immer 2 Studenten gemeinsam (Dyade) das Praktikum.

Nadine Gales & Patricia Kohll