PFAU - Phonologische Fähigkeiten im Anfangsunterricht

Das Projekt "Schwerpunkt Sprache - Das Netzwerk für Gehirnforschung und Schule in Hessen" war ein Gemeinschaftsprojekt des Hessischen Kultusministeriums, der Frankfurter Albert-und-Barbara-von-Metzler-Stiftung und dem ZNL. Innerhalb des Projekts wurden Möglichkeiten der sprachlichen Förderung beim Übergang zwischen Kindergarten und Grundschule erforscht.

Die inhaltlichen Schwerpunkte der Studien wurden auf der Basis einer Ist-Stands-Analyse festgelegt. Ziel des gesamten Projektes war es, die Arbeit der pädagogischen Fachkräfte in den Einrichtungen im Rahmen der Sprachförderung bzw. der Förderung der Vorläuferfähigkeiten des Lesens und Schreibens zu unterstützen und weiter zu verbessern. Die erforschten Aspekte der Sprachförderung beinhalteten

  • die allgemeine Sprachförderung,
  • die Sprachförderung von mehrsprachigen Kindern, und
  • die Förderung von Vorläuferfähigkeiten des Schriftspracherwerbs im Anfangsunterricht.

Im Rahmen von drei Längsschnittstudien wurden verschiedene Interventionen zur Förderung sprachlicher und schriftsprachlicher Fähigkeiten evaluiert. Neben der hier beschriebenen Studie "PFAU - Phonologische Fähigkeiten im Anfangsunterricht", gehören zum Projekt noch die Studie "SPATS - Sprachförderung: Auswirkungen eines Trainings" und die Studie "DACHS - Deutsch-Sprachförderung vor der Schule".

Projektziele und Projektbeschreibung

Innerhalb des Projekts wurden verschiedene Möglichkeiten der sprachlichen Förderung beim Übergang zwischen Kindergarten und Grundschule erforscht.

Kinder kommen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen für das Erlernen von Lesen und Schreiben zur Schule. Eine solche Voraussetzung ist die phonologische Bewusstheit - die Fähigkeit, Laute der deutschen Sprache bewusst zu erkennen und mit ihnen umgehen zu können. In der Studie wurde untersucht, ob spätere Schwierigkeiten im Erlernen von Lesen und Schreiben durch früh einsetzende Fördermaßnahmen verhindert oder verringert werden können. Es ging dabei zum einen um die Förderung der phonologischen Bewusstheit und zum anderen um gezielte begleitende Rechtschreibübungen.

Getestet wurden die Auswirkungen eines Trainings der phonologischen Bewusstheit sowie eines Rechtschreibtrainings bei Risikokindern im ersten Schuljahr auf den Schriftspracherwerb und die Ausbildung von Lese-Rechtschreibproblemen. Außerdem wurde die prognostische Validität eines Verfahrens zur Erfassung von Vorläuferfähigkeiten des Schriftspracherwerbs zu Beginn der ersten Klasse überprüft.

Methode

Aus 49 ersten Klassen an 13 Grundschulen wurden 113 Kinder ausgewählt, deren Vorläuferfertigkeiten zu Beginn der Schulzeit noch wenig entwickelt waren, so dass eine zusätzliche Unterstützung im Erwerb des Lesens und Schreibens sinnvoll erschien. 64 der Kinder haben über 21 Wochen an einer Förderung der phonologischen Bewusstheit teilgenommen.

Die Hälfte dieser Kinder erhielt im Anschluss daran ein strukturiertes und kindgerechtes siebenwöchiges Rechtschreibtraining zusätzlich zum regulären Deutschunterricht. Zur Abschätzung von Fördereffekten dienten die verbleibenden 49 Kinder als Vergleichsgruppe. Sie hatte bei Bedarf im Rahmen des regulären Deutschunterrichts oder in Förderstunden die Möglichkeit, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die Auswirkungen der Trainings auf die Leistungen der Kinder wurden zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten bis zum Ende der zweiten Klasse erfasst.

287 Schüler der ersten Klassen der Vergleichsgruppe wurden in die Studie zur Überprüfung der prognostischen Validität des Münsteraner Screenings einbezogen. Am Ende der ersten sowie der zweiten Klasse wurden Lese- und Rechtschreibleistungen der Kinder erhoben.

Ergebnisse und Implikationen

Eine kombinierte Förderung von phonologischer Bewusstheit und zusätzlichen kleinschrittigen Übungen zum lautgetreuen Schreiben, die am Lernprozess des Schreibens ansetzen, kann Schülerinnen und Schülern den Einstieg in die Schriftsprache erleichtern. Für lang anhaltende Erfolge ist wahrscheinlich eine Fortführung der präventiven Unterstützung in Klasse 2 unumgänglich. Im Zusammenhang mit vorschulischen Trainingsstudien deutet sich an, dass ein reines Training der phonologischen Bewusstheit im Kindergartenalter anzusiedeln ist.

Die mit dem Münsteraner Screening erhobenen Fähigkeiten stehen in einem signifikanten Zusammenhang zu späteren Schriftsprachleistungen. Allerdings ist die Vorhersage einer Auffälligkeit oder Störung des Lese-Rechtschreiberwerbs im Einzelfall mit der Anwendung des Verfahrens nur eingeschränkt möglich. Weitere Variablen müssen offenbar in Betracht gezogen werden, um verlässliche Prognosen im Einzelfall stellen zu können.

Qualifizierungsreihe WIBS - Wegweiser im Bereich Sprache

Um die Ergebnisse von "Schwerpunkt Sprache" einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde zum Abschluss des Projekts ein Multiplikationskonzept entwickelt und durchgeführt. "Wegweiser im Bereich Sprache" sind pädagogische Fachkräfte, die fortgebildet und befähigt wurden, an ihrem Standort Orientierung im Bereich Sprache zu geben.

Lehrkräfte und Erzieherinnen der in "Schwerpunkt Sprache" beteiligten Einrichtungen besuchten als standortweise zusammengeführte Teams aus Kindertagesstätte und Grundschule eine 7-tägige vom ZNL durchgeführte Fortbildungsreihe. Darin erwarben sie, ausgehend von den Studienergebnissen, Wissen über verschiedene sprachliche Themen wie Spracherwerb, Sprachförderung, Schriftspracherwerb und Mehrsprachigkeit und setzten dieses im Alltag praktisch um. Die Qualifizierung bildete den Auftakt für eine besonders intensive Zusammenarbeit von Kindertagesstätten und Grundschulen im Themenfeld "Sprache" und mündete in erfolgreiche und engagierte Kooperationsprojekte.

Die teilnehmenden Einrichtungen sind bereit, ihre Türen für benachbarte Kindertagesstätten und Schulen zu öffnen, damit diese einen Eindruck über die besondere Arbeit im Bereich Sprache erhalten können. Die teilgenommenen WIBS-Einrichtungen im Tandem sind hier aufgelistet.

Projektteam

Prof. Dr. Steffi Sachse (ZNL, jetzt PH Heidelberg)
Dr. Hubertus Hatz (ZNL, jetzt PH Heidelberg)

Kooperationspartner
Hessisches Kultusministerium
Albert-und-Barbara-von-Metzler-Stiftung

Ergebnisse: Broschüre (download), Elternflyer (download)

Veröffentlichungen

Hatz, H. & Sachse, S. (2010). Prävention von Lese-Rechtschreibstörungen: Auswirkungen eines Trainings phonologischer Bewusstheit und eines Rechtschreibtrainings im ersten Schuljahr auf den Schriftspracherwerb bei Risikokindern. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 42 (4), 226-240. DOI: 10.1026/0049-8637/a000021

Laufzeit:
Sommer 2006 bis Ende 2010