Adaptable Books im Förderschwerpunkt Sprache

Theoretischer Rahmen

Medienbildung zählt heute zu den zentralen Schlüsselqualifikationen in vielen Bereichen. Für Kinder üben neue Medien zudem eine hohe Faszination aus. Aktuell werden viele Mediengattungen digital neu erfunden, unter anderem auch Bücher und insbesondere Bilderbücher für Kinder als digitale Bücher bzw. E-Books. Hier existieren zahlreiche technische Umsetzungen, die teilweise aus pädagogischer und insbesondere sprachheilpädagogischer Sicht kritisch zu hinterfragen sind, da nur selten die multimedialen Möglichkeiten zielführend genutzt werden. Ein spannendes Konzept ist das der „Adaptable Books“ nach Hauk-Thum (2017). Dabei handelt es sich um E-Books, die an die individuellen Lernvoraussetzungen von Kindern angepasst werden, indem die multimedialen Möglichkeiten gezielt genutzt werden: Sie enthalten nicht nur Text und Bild, sondern auch Ton und Video, teilweise in mehreren Sprachen, und präsentieren literarische Texte somit multimodal sowie mehrkanalig. Mit Hilfe geeigneter Apps bzw. Software ist die Erstellung so einfach, dass Lehrkräfte sowie SchülerInnen selbst diese Bücher adaptieren und erweitern können.

Kooperationspartner und Zielsetzung

In Kooperation mit der Regierung von Oberbayern (Sachgebiet 41 Förderschulen: Layana Mayer-Lengsfeld; Dr. Karin Reber) werden Sprachfördermöglichkeiten mit „Adaptable Books“ in einem OER-Projekt (Open Educational Ressources) entwickelt. Lehrkräfte im Förderschwerpunkt Sprache erstellen hier eigene „Adaptable Books“, die als freie Bildungsressourcen in einem digitalen Bücherregal zur Verfügung stehen und wiederum für neue Lernsituationen adaptiert werden können. In ergänzenden Forschungsprojekten an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg werden Umsetzungen mit den „Adaptable Books“ im Hinblick auf positive Auswirkungen auf sprachliche Fähigkeiten untersucht.

Pilotstudien

Erste Projekte laufen zu Unterschieden im Umgang mit analogen versus digitalen Büchern (u.a. Vorleseverhalten, sprachliche Reaktionen der Kinder) sowie Möglichkeiten der Wortschatzförderung und Analyse des Kommunikationsverhaltens beim Erstellen von „Adaptable Books“.

 

Pilotstudie zur Förderung der phonologischen Bewusstheit mit digitalen Büchern: "Gehen alle Tiere in die Schule?" (Jasmin Schmidt, 2023) 

Jasmin Schmidt entwickelte im Rahmen ihrer Masterarbeit ein digitales Bilderbuch zur Förderung der phonologischen Bewusstheit. Dieses digitale Bilderbuch soll Kinder bei ihrer Entwicklung der phonologischen Bewusstheit (im weiteren Sinne) unterstützen. Es enthält auf jeder Seite Anregungen zum Silben segmentieren und Reimen. Das Buch richtet sich vor allem an Vorschulkinder sowie Schulanfänger:innen und lässt sich sowohl im Einzelsetting als auch in Kleingruppen einsetzen. Durch die Vorlesefunktion können die Kinder das Buch selbstständig betrachten. In einer kleinen Interventionsstudie mit Interventions- und Kontrollgruppe (je n = 9) wurde die phonologische Bewusstheit in Kleingruppen von drei bis vier Kindern durch die Bilderbuchbetrachtung an drei Terminen innerhalb von drei Wochen gefördert. Die Interventionsgruppe konnte sich im Vergleich zur Kontrollgruppe in der phonologischen Bewusstheit steigern. Es handelt sich jedoch um eine kleine Probandengruppe, so dass die Ergebnisse nicht verallgemeinert werden können. 

Das Buch zur Förderung ist unter folgendem Link abrufbar: 

als EBUP

als pdf (ohne Ton und Video): 

 

Pilotstudie zur Förderung des spezifischen Nachfragens bei unbekannten Wörtern mit Adaptable Books bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen (Nina Wilke, 2023)

Im Rahmen ihrer Masterarbeit entwickelte Nina Wilke ein Adaptable Book zur Förderung des spezifischen Nachfragens bei unbekannten Wörtern. Dieses Buch integriert verschiedene multimediale und interaktive Elemente und folgt einem graduellen Anstieg des Schwierigkeitsgrades: zunächst wird das spezifische Nachfragen bei unbekannten Wörtern auf die Analyse einzelner Wörter beschränkt, dann auf Satzebene erhöht und schließlich auf Textebene ausgedehnt. Während der Intervention werden die Kinder aktiv in den Gestaltungsprozess des Adaptable Books einbezogen, indem sie die vorgegebenen Inhalte durch eigene mediale Kreationen (v.a. Tonbeispiele) ergänzen. Die Rahmenhandlung der Intervention stellt eine anregende Reise in den Regenwald dar, bei der die Kinder wiederholt auf unbekannte Wörter stoßen, die ein spezifisches Nachfragen auf Tonband erfordern.

In einer Einzelfallstudie wurde das Adaptable Book mit zwei rezeptiv sprachgestörten Grundschulkindern (n=2) in drei Einheiten innerhalb einer Woche eingesetzt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung legen nahe, dass die Anwendung des Adaptable Books nicht nur das spezifische Nachfragen bei unbekannten Wörtern, sondern auch bei weiteren sprachlichen Fehlerquellen fördern kann. Beide Kinder zeigten nach der Intervention eine stärkere Ausprägung, bei den, als nicht- bzw. missverständlich eingestuften, Items gezielt nachzufragen, als es auf Grundlage der Prätestwerte angenommen wurde. Aus den gewonnenen Erkenntnissen entstand zudem der Eindruck, dass der Einsatz des Adaptable Books das Selbstwirksamkeitserleben und die Lernmotivation der Kinder positiv beeinflusst hat. Aufgrund des geringen Stichprobenumfangs, der begrenzten Anzahl von Messzeitpunkten und der Berücksichtigung ausschließlich eines Geschlechtes können jedoch noch keine verallgemeinernden Schlüsse aus der Untersuchung gezogen werden.

Das Buch zur Förderung ist unter folgendem Link abrufbar: 

als pdf (ohne Ton und Video)

 

Literatur:

  • Kirch, M., Reber, K., Schönauer-Schneider, W. & Wirts, C. (2022). Bücher lesen von Anfang an - Wie digitale Medien neue Zugänge im Schriftspracherwerb ermöglichen. In M. Spreer, M. Wahl & H. Beek (Hrsg.), Sprachentwicklung im Dialog: Digitalität – Kommunikation – Partizipation (S. 49-58). Idstein: Schulz-Kirchner.
  • Hauk-Thum, U. (2017). Adaptable Books – Inszenierungsräume für individuelle sprachliche und literarische Bildungserfahrungen. In U. Abraham & I. Brendel-Perpina (Hg.). Kulturen des Inszenierens (S. 197-210). Stuttgart: Fillibach/Klett.
  • Mayer-Lengsfeld, L. & Reber, K. (2019): „My simple best thing“ – Good-practice-Beispiele einer oberbayerischen Fortbildungsreihe zur digitalen Bildung aus dem Förderschwerpunkt Sprache. Praxis Sprache, 64 (3), 174-178.
  • Reber, K. (2019): Film ab! Mit Trickfilmen, Erklärvideos und Co. Sprache fördern. Praxis Sprache, 64 (3), 152-159.
  • Schmidt, J. (2023). Förderung der phonologischen Bewusstheit bei fünfjährigen Vorschulkindern anhand eines digitalen Bilderbuchs - eine quantitative Interventionsstudie. Unveröffentlichte Masterarbeit an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.