Monitoring des Sprachverstehens

 

Monitoring des Sprachverstehens (MSV, englisch: comprehension monitoring, auch Sprachverstehenskontrolle) umfasst sowohl das Erkennen eines Verstehensproblems („detect“) als auch mögliche Klärungsstrategien („react“) wie Nachfragen („Hä?“, „Was heißt Botanik?“) bzw. gegebenenfalls konstruktives Schlussfolgern (Schönauer-Schneider 2008). Für Bildungs- und Kommunikationserfolg ist ein effektives MSV unerlässlich. MSV ist eine komplexe Fähigkeit und von einer Vielfalt von Faktoren und Prozessen abhängig. Beispielsweise besteht ein enger, teilweise symbiotischer Zusammenhang zwischen Sprachverstehen und Monitoring des Sprachverstehens. Für diese enge Verbindung von Sprachverstehen und Monitoring des Sprachverstehens sprechen auch Studien, die Abhängigkeiten zwischen semantischen bzw. syntaktischen Sprachfähigkeiten (vor allem Wort- und Satzverstehen) und MSV belegen. Zusätzlich beeinflussen weitere Faktoren wie Kognition (Theory of Mind mit Perspektivenübernahme, Arbeitsgedächtnis, Ziehen von Inferenzen) oder Pragmatik (dialogisches Wissen, sprachliche Formulierung von Fragen). Damit steht MSV an der Schnittstelle zwischen Sprache, Kognition, aber auch Kommunikation/Pragmatik, so dass bei Kindern mit Auffälligkeiten in diesen Bereichen auch Probleme im MSV zu erwarten sind.

Grundlagenforschung: Monitoring des Sprachverstehens bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen und Kindern im Autismusspektrum (seit 2015) in Kooperation mit Dr. Melanie Eberhardt, Universität zu Köln)

Überblick: Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung (SES) und Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) zeigen in ihrem Sprachverstehensprozess häufig Schwierigkeiten und damit evtl. auch im MSV. Da in diesem Bereich Grundlagenstudien fehlen, erforscht die Pilotstudie, welche MSV-Fähigkeiten Kinder mit SES bzw. mit ASS im Vergleich zu sprachlich unauffälligen Kindern zeigen und welche Faktoren das MSV beeinflussen. Es wurden 20 Kinder mit SES, 10 Kinder mit ASS und 20 sprachunauffällige Kinder (5;5 bis 9;9 Jahre) mit einer MSV-Aufgabe (Weiterentwicklung nach Schönauer-Schneider, 2008), TROG-D, PPVT-4, Metasprache aus SET und HSET und Zahlen Nachsprechen überprüft. Erste Ergebnisse belegen z.T. geringere MSV-Fähigkeiten bei den Kindern mit SES bzw. ASS im Vergleich zu unauffälligen Kindern. Darauf aufbauende Forschungsperspektiven werden präsentiert.

Veröffentlichungen mit Ergebnissen aus der Forschung:

  • Schönauer-Schneider, W. & Eberhardt, M. (2016). „Hä?“ Monitoring des Sprachverstehens bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen und Kindern mit Autismus. Posterpräsentation am 18./19.11.2016, ISES IX, Heidelberg.
  • Eberhardt M. & Schönauer-Schneider, W. (2017). Versteh ich nicht!“ Monitoring des Sprachverstehens bei Kindern mit Autismus und Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen. Posterpräsentation am 30./31.03.2017 WTAS, Berlin.
  • Schönauer-Schneider, W. & Eberhardt, M. (2017): Work in Progress: „Hä?“ Monitoring des Sprachverstehens bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörung und Kindern mit Autismus. Forschung Sprache 5, 2, 107-113.
  • Schönauer-Schneider, W. & Eberhardt, M. (2018). „Hab ich nicht verstanden!“ Monitoring des Sprachverstehens bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörung und Kindern mit Autismus. In: T. Jungmann, B. Gierschner, M. Meindl & S. Sallat (Hrsg.). Sprach- und Bildungshorizonte. Wahrnehmen – Beschreiben – Erweitern (S. 174-179). Idstein: Schulz-Kirchner.

 

2 Diagnostik des Monitorings des Sprachverstehens

 

Überblick: Das MSV ist nicht direkt zu beobachten und damit vorrangig über Reaktionen erfassbar. Da es keine ausreichenden Diagnosemöglichkeiten im deutschsprachigen Raum gab, wurden seit 2006 Möglichkeiten einer Überprüfung entwickelt und evaluiert. Auf Satz-/Anweisungsebene wird das MSV häufig auch anhand von nicht-/missverständlichen Handlungsanweisungen überprüft. Hier werden Probanden vielfältige Äußerungen präsentiert, die aufgrund der Akustik (Husten, Niesen, Störgeräusch, zu schnell, zu leise), des Inhalts (mehrdeutig, nicht explizit, gegensätzlich, nicht möglich) oder der Komplexität (zu lang, grammatisch zu komplex, komplexer unbekannter Wortschatz) nicht oder nicht eindeutig ausgeführt werden können. Ausgehend von einer frühen kanadischen Studie von Dollaghan & Kaston (1986) wurden in mehreren Studien (Schönauer-Schneider, 2008; 2012; 2017) Adaptionen in einem Spielplatzsetting erprobt und weiter evaluiert (Link zum Download des Beobachtungsbogens). Derzeit wurde eine erste prototypische mediale Diagnostik entwickelt und befindet sich in einer Erprobungsphase. 

Literatur mit Forschungsergebnissen:

  • Schönauer-Schneider, W. & Klumpp, T..(2022). "Hä, was ist denn Botanik? - Webbasierte Diagnostik des Monitorings des Sprachverstehens". In: M. Spreer, M. Wahl & H. Beek (Hrsg.), Sprachentwicklung im Dialog: Digitalität - Kommunikation - Partizipation (S.96-102) Idstein: Schulz-Kirchner.
  • Klumpp, T. & Schönauer-Schneider, W. (2020). Monitoring des Sprachverstehens bei ein- und mehrsprachigen Kindern mit Spezifischen Sprachentwicklungsstörungen (SSES). Forschung Sprache  81), 45-65.
  • Schönauer-Sch6neider, W. (2017). Hä? Das verstehe ich nicht!“ Monitoring des Sprachverstehens bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen. LOGOthema, 14, 1, 8-13.
  • Schönauer-Schneider, W. (2012): Hä? Das geht doch gar nicht! Erste Forschungsergebnisse zum Monitoring des Sprachverstehens (MSV) im Vorschulalter. Vortrag zum XI. Forum der Sprachheilpädagogik am 17. März 2012 [http://epub.ub.uni-muenchen.de/15960/1/forum_shp_schoenauer_epub_design.pdf]
  • Schönauer-Schneider, W. (2010): „Frag nach!“ – Förderung im Bereich Monitoring des Sprachverstehens. In: Frontzek, G. (Hrsg.): Zur Sprache bringen – Disziplinen im Dialog. 29. Bundeskongress der Deutschen Gesellschaft für Sprachheilpädagogik in Dortmund (437-442). Hamm: Gebr. Wilke GmbH
  • Schönauer-Schneider, W. (2008): Monitoring des Sprachverstehens (MSV), comprehension monitoring – Welche Bedeutung hat es für Kinder mit rezeptiven Sprachstörungen? Die Sprachheilarbeit 53, 72-82.